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Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871].

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Früchte zeigen. Endlich aber stießen sie an die niedrige Decke und gingen aus.

In dem Kreise ihrer gleichaltrigen Freundinnen übte Tante Jettchen ein entschiedenes Uebergewicht durch ihren Geist und ihre Kenntnisse. Weil nun junge Mädchen sich in Gesellschaften immer etwas zu sagen haben, was die andern nicht hören sollen, so erdachte sie als originelles Mittel, die Wörter verkehrt zu buchstabiren und auszusprechen: ich, du, er, sie hießen: chi, ud, re, eis etc. Diese Geheimsprache übte sie zuerst mit ihrer Schwester Lotte, dann wurden die Cousinen Breses, Kaisers u. a. eingeweiht. Der schon erwähnte kalligraphische Vetter Wilhelm war außer sich vor Entzücken, als er die Sache vernahm. Er brachte es zu einer erstaunlichen Fertigkeit in der Verkehrtheit, sang die Arien aus der Zauberflöte mit verkehrten Wörtern, verdarb aber vieles, indem er ein gar zu großes Aufhebens von der neuen Erfindung machte.

Die Winterbälle der französischen Kolonie gehörten am Ende des vorigen, und am Anfange des jetzigen Jahrhunderts zu den ausgesuchtesten gesellschaftlichen Vergnügungen. Auf diesen kam die Geheimsprache des kleinen geschlossenen Zirkels besonders zur Geltung. Eines Abends sagte Vetter Wilhelm zur Base Jettchen: Nadroi tsi etueh trisirf eiw nie Ledup! (Jordan ist heute frisirt wie ein Pudel!) Dieser Einfall machte so großes Glück, daß der genannte junge Mann, zum Unterschiede von den vielen andern Jordans den Namen Pudel-Jordan bekam, und bis an sein Ende beibehielt

Früchte zeigen. Endlich aber stießen sie an die niedrige Decke und gingen aus.

In dem Kreise ihrer gleichaltrigen Freundinnen übte Tante Jettchen ein entschiedenes Uebergewicht durch ihren Geist und ihre Kenntnisse. Weil nun junge Mädchen sich in Gesellschaften immer etwas zu sagen haben, was die andern nicht hören sollen, so erdachte sie als originelles Mittel, die Wörter verkehrt zu buchstabiren und auszusprechen: ich, du, er, sie hießen: chi, ud, re, eis etc. Diese Geheimsprache übte sie zuerst mit ihrer Schwester Lotte, dann wurden die Cousinen Breses, Kaisers u. a. eingeweiht. Der schon erwähnte kalligraphische Vetter Wilhelm war außer sich vor Entzücken, als er die Sache vernahm. Er brachte es zu einer erstaunlichen Fertigkeit in der Verkehrtheit, sang die Arien aus der Zauberflöte mit verkehrten Wörtern, verdarb aber vieles, indem er ein gar zu großes Aufhebens von der neuen Erfindung machte.

Die Winterbälle der französischen Kolonie gehörten am Ende des vorigen, und am Anfange des jetzigen Jahrhunderts zu den ausgesuchtesten gesellschaftlichen Vergnügungen. Auf diesen kam die Geheimsprache des kleinen geschlossenen Zirkels besonders zur Geltung. Eines Abends sagte Vetter Wilhelm zur Base Jettchen: Nadroi tsi etueh trisirf eiw nie Ledup! (Jordan ist heute frisirt wie ein Pudel!) Dieser Einfall machte so großes Glück, daß der genannte junge Mann, zum Unterschiede von den vielen andern Jordans den Namen Pudel-Jordan bekam, und bis an sein Ende beibehielt

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[261/0273] Früchte zeigen. Endlich aber stießen sie an die niedrige Decke und gingen aus. In dem Kreise ihrer gleichaltrigen Freundinnen übte Tante Jettchen ein entschiedenes Uebergewicht durch ihren Geist und ihre Kenntnisse. Weil nun junge Mädchen sich in Gesellschaften immer etwas zu sagen haben, was die andern nicht hören sollen, so erdachte sie als originelles Mittel, die Wörter verkehrt zu buchstabiren und auszusprechen: ich, du, er, sie hießen: chi, ud, re, eis etc. Diese Geheimsprache übte sie zuerst mit ihrer Schwester Lotte, dann wurden die Cousinen Breses, Kaisers u. a. eingeweiht. Der schon erwähnte kalligraphische Vetter Wilhelm war außer sich vor Entzücken, als er die Sache vernahm. Er brachte es zu einer erstaunlichen Fertigkeit in der Verkehrtheit, sang die Arien aus der Zauberflöte mit verkehrten Wörtern, verdarb aber vieles, indem er ein gar zu großes Aufhebens von der neuen Erfindung machte. Die Winterbälle der französischen Kolonie gehörten am Ende des vorigen, und am Anfange des jetzigen Jahrhunderts zu den ausgesuchtesten gesellschaftlichen Vergnügungen. Auf diesen kam die Geheimsprache des kleinen geschlossenen Zirkels besonders zur Geltung. Eines Abends sagte Vetter Wilhelm zur Base Jettchen: Nadroi tsi etueh trisirf eiw nie Ledup! (Jordan ist heute frisirt wie ein Pudel!) Dieser Einfall machte so großes Glück, daß der genannte junge Mann, zum Unterschiede von den vielen andern Jordans den Namen Pudel-Jordan bekam, und bis an sein Ende beibehielt

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Zitationshilfe: Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871], S. 261. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen01_1871/273>, abgerufen am 24.11.2024.