Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871].die liebevolle Behandlung, welche sie in unserm Hause genossen, veranlaßte sie zu der dringenden Bitte, dorthin zurückkehren zu dürfen. Meine Aeltern waren so unendlich gut, daß sie dieses Verlangen erfüllten, obgleich es sich herausgestellt, daß die Gouvernante den Kindern nicht mehr von Nutzen sein konnte. Madame Clause kam wirklich nach einiger Zeit aus dem sonnigen Toulouse nach dem kalten Berlin zurück und nahm mit Freuden ein kleines Mansardstübchen in unserem Hause an, wo sie den Rest ihrer Tage bis zum Anfange der Freiheitskriege verlebte. Wir waren ihr aus alter Anhänglichkeit zugethan und besuchten sie gern in dem, zwar einfach, doch mit französischer Eleganz eingerichteten Zimmer. Aber als im Jahre 1813 der Franzosenhaß in seiner ganzen Stärke aufloderte, hatte sie viel von der Lebhaftigkeit meiner Schwester zu leiden, die gegen den Kaiser Napoleon, den Unterdrücker des Vaterlandes, die heftigsten Ausfälle machte, denen Madame Clause bisweilen mit südlichem Feuer entgegentrat. Mein Vater zählte bei seiner zweiten Heirath bereits 61 Jahre, erschien aber neben seinem Schwiegervater Eichmann wenn auch nicht jugendlich, doch aber sehr gut konservirt. Erst viele Jahre später habe ich herausgerechnet, daß wie bei Pompejus und Caesar der Schwiegersohn älter war als der Schwiegervater. Mein Vater war 1746 geboren, der Grosvater Eichmann 1748. Allein dies ist nicht die einzige Anomalie in unserer Familie. Mein Grosvater, Daniel Parthey, war am 24. September 1696 geboren; es liegen also zwischen ihm und seinem Enkel, meinem Bruder Moritz (geb. 1807) nicht weniger als 111 Jahre. Noch eigenthümlicher aber die liebevolle Behandlung, welche sie in unserm Hause genossen, veranlaßte sie zu der dringenden Bitte, dorthin zurückkehren zu dürfen. Meine Aeltern waren so unendlich gut, daß sie dieses Verlangen erfüllten, obgleich es sich herausgestellt, daß die Gouvernante den Kindern nicht mehr von Nutzen sein konnte. Madame Clause kam wirklich nach einiger Zeit aus dem sonnigen Toulouse nach dem kalten Berlin zurück und nahm mit Freuden ein kleines Mansardstübchen in unserem Hause an, wo sie den Rest ihrer Tage bis zum Anfange der Freiheitskriege verlebte. Wir waren ihr aus alter Anhänglichkeit zugethan und besuchten sie gern in dem, zwar einfach, doch mit französischer Eleganz eingerichteten Zimmer. Aber als im Jahre 1813 der Franzosenhaß in seiner ganzen Stärke aufloderte, hatte sie viel von der Lebhaftigkeit meiner Schwester zu leiden, die gegen den Kaiser Napoléon, den Unterdrücker des Vaterlandes, die heftigsten Ausfälle machte, denen Madame Clause bisweilen mit südlichem Feuer entgegentrat. Mein Vater zählte bei seiner zweiten Heirath bereits 61 Jahre, erschien aber neben seinem Schwiegervater Eichmann wenn auch nicht jugendlich, doch aber sehr gut konservirt. Erst viele Jahre später habe ich herausgerechnet, daß wie bei Pompejus und Caesar der Schwiegersohn älter war als der Schwiegervater. Mein Vater war 1746 geboren, der Grosvater Eichmann 1748. Allein dies ist nicht die einzige Anomalie in unserer Familie. Mein Grosvater, Daniel Parthey, war am 24. September 1696 geboren; es liegen also zwischen ihm und seinem Enkel, meinem Bruder Moritz (geb. 1807) nicht weniger als 111 Jahre. Noch eigenthümlicher aber <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0028" n="16"/> die liebevolle Behandlung, welche sie in unserm Hause genossen, veranlaßte sie zu der dringenden Bitte, dorthin zurückkehren zu dürfen. Meine Aeltern waren so unendlich gut, daß sie dieses Verlangen erfüllten, obgleich es sich herausgestellt, daß die Gouvernante den Kindern nicht mehr von Nutzen sein konnte. Madame Clause kam wirklich nach einiger Zeit aus dem sonnigen Toulouse nach dem kalten Berlin zurück und nahm mit Freuden ein kleines Mansardstübchen in unserem Hause an, wo sie den Rest ihrer Tage bis zum Anfange der Freiheitskriege verlebte. Wir waren ihr aus alter Anhänglichkeit zugethan und besuchten sie gern in dem, zwar einfach, doch mit französischer Eleganz eingerichteten Zimmer. Aber als im Jahre 1813 der Franzosenhaß in seiner ganzen Stärke aufloderte, hatte sie viel von der Lebhaftigkeit meiner Schwester zu leiden, die gegen den Kaiser Napoléon, den Unterdrücker des Vaterlandes, die heftigsten Ausfälle machte, denen Madame Clause bisweilen mit südlichem Feuer entgegentrat. </p><lb/> <p>Mein Vater zählte bei seiner zweiten Heirath bereits 61 Jahre, erschien aber neben seinem Schwiegervater Eichmann wenn auch nicht jugendlich, doch aber sehr gut konservirt. Erst viele Jahre später habe ich herausgerechnet, daß wie bei Pompejus und Caesar der Schwiegersohn älter war als der Schwiegervater. Mein Vater war 1746 geboren, der Grosvater Eichmann 1748. </p><lb/> <p>Allein dies ist nicht die einzige Anomalie in unserer Familie. Mein Grosvater, Daniel Parthey, war am 24. September 1696 geboren; es liegen also zwischen ihm und seinem Enkel, meinem Bruder Moritz (geb. 1807) nicht weniger als 111 Jahre. Noch eigenthümlicher aber </p> </div> </body> </text> </TEI> [16/0028]
die liebevolle Behandlung, welche sie in unserm Hause genossen, veranlaßte sie zu der dringenden Bitte, dorthin zurückkehren zu dürfen. Meine Aeltern waren so unendlich gut, daß sie dieses Verlangen erfüllten, obgleich es sich herausgestellt, daß die Gouvernante den Kindern nicht mehr von Nutzen sein konnte. Madame Clause kam wirklich nach einiger Zeit aus dem sonnigen Toulouse nach dem kalten Berlin zurück und nahm mit Freuden ein kleines Mansardstübchen in unserem Hause an, wo sie den Rest ihrer Tage bis zum Anfange der Freiheitskriege verlebte. Wir waren ihr aus alter Anhänglichkeit zugethan und besuchten sie gern in dem, zwar einfach, doch mit französischer Eleganz eingerichteten Zimmer. Aber als im Jahre 1813 der Franzosenhaß in seiner ganzen Stärke aufloderte, hatte sie viel von der Lebhaftigkeit meiner Schwester zu leiden, die gegen den Kaiser Napoléon, den Unterdrücker des Vaterlandes, die heftigsten Ausfälle machte, denen Madame Clause bisweilen mit südlichem Feuer entgegentrat.
Mein Vater zählte bei seiner zweiten Heirath bereits 61 Jahre, erschien aber neben seinem Schwiegervater Eichmann wenn auch nicht jugendlich, doch aber sehr gut konservirt. Erst viele Jahre später habe ich herausgerechnet, daß wie bei Pompejus und Caesar der Schwiegersohn älter war als der Schwiegervater. Mein Vater war 1746 geboren, der Grosvater Eichmann 1748.
Allein dies ist nicht die einzige Anomalie in unserer Familie. Mein Grosvater, Daniel Parthey, war am 24. September 1696 geboren; es liegen also zwischen ihm und seinem Enkel, meinem Bruder Moritz (geb. 1807) nicht weniger als 111 Jahre. Noch eigenthümlicher aber
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Wolfgang Virmond: Bereitstellung der Texttranskription.
(2014-01-07T13:04:32Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2014-01-07T13:04:32Z)
Staatsbibliothek zu Berlin – Stiftung Preußischer Kulturbesitz: Bereitstellung der Bilddigitalisate (Sign. Av 4887-1)
(2014-01-07T13:04:32Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |