Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871].achtung blickten die Männer von Fach auf diese unscheinbaren Anfänge. "Da kann er lange warten", sagte schmunzelnd der Grosvater Eichmann, "bis er nur eins von seinen 200 Departements mit Rübenzucker versorgen wird!" Man erzählte sich lachend von einer Karrikatur, die damals im Geheimen in Berlin umlaufen sollte. Rechts sitzt der König Georg von England an seinem Kaffeetische, und greift in eine volle Zuckerdose, links steht Napoleon und drückt eine Runkelrübe in seine Tasse aus. Heutiges Tages macht die früher verachtete Rübe dem stolzen Zuckerrohre eine gefährliche Konkurrenz, und wird es vielleicht ganz von den europäischen Märkten verdrängen. Dies ist auch kaum zu verwundem, wenn man in Betracht zieht, daß nach den zuverlässigsten Berechnungen nicht mehr als fünf Quadratmeilen Runkelrüben dazu gehören, um den Zuckerbedarf des ganzen preußischen Staates von 24 Millionen Menschen zu decken. Waren nun die eben erwähnten Territorialveränderungen in Deutschland sehr geeignet, das Gefühl für die Stabilität des Länderbesitzes abzuschwächen, so ging es in Italien fast noch ärger zu. Für dieses schöne Land hatte ich von Jugend auf eine unerklärliche Vorliebe, beschäftigte mich aufs eifrigste mit seiner Geschichte und dachte mir eine Reise dahin als das Ideal aller Herrlichkeit. Da gab es nun, wie ich zuerst in der Schule lernte, eine ligurische, eine cisalpinische, eine venetianische, eine parthenopäische Republik und ein Königreich Etrurien. Der Papst Pius VI. hatte zwar im Frieden von Tolentino (1797) einen Theil seines Landes behalten, doch mußte er Avignon für immer an Frankreich abtreten, eine Kriegsteuer von 30 Millionen Francs zahlen, und einer Kom- achtung blickten die Männer von Fach auf diese unscheinbaren Anfänge. „Da kann er lange warten“, sagte schmunzelnd der Grosvater Eichmann, „bis er nur eins von seinen 200 Departements mit Rübenzucker versorgen wird!“ Man erzählte sich lachend von einer Karrikatur, die damals im Geheimen in Berlin umlaufen sollte. Rechts sitzt der König Georg von England an seinem Kaffeetische, und greift in eine volle Zuckerdose, links steht Napoléon und drückt eine Runkelrübe in seine Tasse aus. Heutiges Tages macht die früher verachtete Rübe dem stolzen Zuckerrohre eine gefährliche Konkurrenz, und wird es vielleicht ganz von den europäischen Märkten verdrängen. Dies ist auch kaum zu verwundem, wenn man in Betracht zieht, daß nach den zuverlässigsten Berechnungen nicht mehr als fünf Quadratmeilen Runkelrüben dazu gehören, um den Zuckerbedarf des ganzen preußischen Staates von 24 Millionen Menschen zu decken. Waren nun die eben erwähnten Territorialveränderungen in Deutschland sehr geeignet, das Gefühl für die Stabilität des Länderbesitzes abzuschwächen, so ging es in Italien fast noch ärger zu. Für dieses schöne Land hatte ich von Jugend auf eine unerklärliche Vorliebe, beschäftigte mich aufs eifrigste mit seiner Geschichte und dachte mir eine Reise dahin als das Ideal aller Herrlichkeit. Da gab es nun, wie ich zuerst in der Schule lernte, eine ligurische, eine cisalpinische, eine venetianische, eine parthenopäische Republik und ein Königreich Etrurien. Der Papst Pius VI. hatte zwar im Frieden von Tolentino (1797) einen Theil seines Landes behalten, doch mußte er Avignon für immer an Frankreich abtreten, eine Kriegsteuer von 30 Millionen Francs zahlen, und einer Kom- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div> <p><pb facs="#f0294" n="282"/> achtung blickten die Männer von Fach auf diese unscheinbaren Anfänge. „Da kann er lange warten“, sagte schmunzelnd der Grosvater Eichmann, „bis er nur eins von seinen 200 Departements mit Rübenzucker versorgen wird!“ Man erzählte sich lachend von einer Karrikatur, die damals im Geheimen in Berlin umlaufen sollte. Rechts sitzt der König Georg von England an seinem <hi rendition="#k">K</hi>affeetische, und greift in eine volle Zuckerdose, links steht Napoléon und drückt eine Runkelrübe in seine Tasse aus. </p><lb/> <p>Heutiges Tages macht die früher verachtete Rübe dem stolzen Zuckerrohre eine gefährliche Konkurrenz, und wird es vielleicht ganz von den europäischen Märkten verdrängen. Dies ist auch kaum zu verwundem, wenn man in Betracht zieht, daß nach den zuverlässigsten Berechnungen nicht mehr als fünf Quadratmeilen Runkelrüben dazu gehören, um den Zuckerbedarf des ganzen preußischen Staates von 24 Millionen Menschen zu decken. </p><lb/> <p>Waren nun die eben erwähnten Territorialveränderungen in Deutschland sehr geeignet, das Gefühl für die Stabilität des Länderbesitzes abzuschwächen, so ging es in Italien fast noch ärger zu. Für dieses schöne Land hatte ich von Jugend auf eine unerklärliche Vorliebe, beschäftigte mich aufs eifrigste mit seiner Geschichte und dachte mir eine Reise dahin als das Ideal aller Herrlichkeit. Da gab es nun, wie ich zuerst in der Schule lernte, eine ligurische, eine cisalpinische, eine venetianische, eine parthenopäische Republik und ein Königreich Etrurien. Der Papst Pius VI. hatte zwar im Frieden von Tolentino (1797) einen Theil seines Landes behalten, doch mußte er Avignon für immer an Frankreich abtreten, eine Kriegsteuer von 30 Millionen Francs zahlen, und einer Kom- </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [282/0294]
achtung blickten die Männer von Fach auf diese unscheinbaren Anfänge. „Da kann er lange warten“, sagte schmunzelnd der Grosvater Eichmann, „bis er nur eins von seinen 200 Departements mit Rübenzucker versorgen wird!“ Man erzählte sich lachend von einer Karrikatur, die damals im Geheimen in Berlin umlaufen sollte. Rechts sitzt der König Georg von England an seinem Kaffeetische, und greift in eine volle Zuckerdose, links steht Napoléon und drückt eine Runkelrübe in seine Tasse aus.
Heutiges Tages macht die früher verachtete Rübe dem stolzen Zuckerrohre eine gefährliche Konkurrenz, und wird es vielleicht ganz von den europäischen Märkten verdrängen. Dies ist auch kaum zu verwundem, wenn man in Betracht zieht, daß nach den zuverlässigsten Berechnungen nicht mehr als fünf Quadratmeilen Runkelrüben dazu gehören, um den Zuckerbedarf des ganzen preußischen Staates von 24 Millionen Menschen zu decken.
Waren nun die eben erwähnten Territorialveränderungen in Deutschland sehr geeignet, das Gefühl für die Stabilität des Länderbesitzes abzuschwächen, so ging es in Italien fast noch ärger zu. Für dieses schöne Land hatte ich von Jugend auf eine unerklärliche Vorliebe, beschäftigte mich aufs eifrigste mit seiner Geschichte und dachte mir eine Reise dahin als das Ideal aller Herrlichkeit. Da gab es nun, wie ich zuerst in der Schule lernte, eine ligurische, eine cisalpinische, eine venetianische, eine parthenopäische Republik und ein Königreich Etrurien. Der Papst Pius VI. hatte zwar im Frieden von Tolentino (1797) einen Theil seines Landes behalten, doch mußte er Avignon für immer an Frankreich abtreten, eine Kriegsteuer von 30 Millionen Francs zahlen, und einer Kom-
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