Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871].um einen Grad voran. Unsre Gäste waren zwei bildschöne, junge Leute von der ausgesuchtesten Eleganz und feinsten Höflichkeit. Sie ließen sich, nachdem das Eis der Unterhaltung gebrochen war, in sehr gewählten, aber vollkommen verständlichen Ausdrücken über die traurige Nothwendigkeit dieses Krieges vernehmen. Man hörte es ihnen wohl an, wie tief die verzärtelten Muttersöhnchen es empfanden, allen ihren häuslichen Bequemlichkeiten und den Freuden der Hauptstadt entrissen zu sein, wie sauer es ihnen wurde, täglich mehrere Meilen zu marschiren, und in den schlechten Quartieren zu übernachten, u. s. w. Mehr als einmal hörten wir den Wunsch: il faut bien esperer, que cette campagne sera la demiere! Von außerordentlicher Begeisterung für den Kaiser oder von einem unbändigen Verlangen nach Kriegsruhm war wenig bei ihnen zu spüren. Sie hatten sich in ihr Schicksal ergeben, sahen den Sieg der französischen Waffen als gewiß an, und wünschten nichts sehnlicher, als eine baldige Beendigung der Marschbeschwerden. Unvergeßlich ist es mir, wie die beiden schlanken Gestalten, in den kleidsamen, grünen, goldgestickten Uniformen, nach Beendigung der Mahlzeit sich erhoben, und mit den verbindlichsten, nach allen Seiten gerichteten Grüßen in ihr Zimmer zurückgingen. "Da hast du lernen können", sagte nachher mein Vater zu mir, "wie man sich auf eine feine Weise zu verbeugen hat!" Er ließ nämlich in seiner unbeschreiblichen Gutmüthigkeit nicht nach, an meinem ungelenken Wesen zu bessern und zu glätten; ich versuchte dann wohl einmal im Scherze, zusammen mit meinem eben so steifen Freunde Paul, die zierlichen Verbeugungen der beiden eleganten Pariser nachzuahmen; dies geschah aber nur in unserer eigenen Stube, um einen Grad voran. Unsre Gäste waren zwei bildschöne, junge Leute von der ausgesuchtesten Eleganz und feinsten Höflichkeit. Sie ließen sich, nachdem das Eis der Unterhaltung gebrochen war, in sehr gewählten, aber vollkommen verständlichen Ausdrücken über die traurige Nothwendigkeit dieses Krieges vernehmen. Man hörte es ihnen wohl an, wie tief die verzärtelten Muttersöhnchen es empfanden, allen ihren häuslichen Bequemlichkeiten und den Freuden der Hauptstadt entrissen zu sein, wie sauer es ihnen wurde, täglich mehrere Meilen zu marschiren, und in den schlechten Quartieren zu übernachten, u. s. w. Mehr als einmal hörten wir den Wunsch: il faut bien esperer, que cette campagne sera la demiere! Von außerordentlicher Begeisterung für den Kaiser oder von einem unbändigen Verlangen nach Kriegsruhm war wenig bei ihnen zu spüren. Sie hatten sich in ihr Schicksal ergeben, sahen den Sieg der französischen Waffen als gewiß an, und wünschten nichts sehnlicher, als eine baldige Beendigung der Marschbeschwerden. Unvergeßlich ist es mir, wie die beiden schlanken Gestalten, in den kleidsamen, grünen, goldgestickten Uniformen, nach Beendigung der Mahlzeit sich erhoben, und mit den verbindlichsten, nach allen Seiten gerichteten Grüßen in ihr Zimmer zurückgingen. „Da hast du lernen können“, sagte nachher mein Vater zu mir, „wie man sich auf eine feine Weise zu verbeugen hat!“ Er ließ nämlich in seiner unbeschreiblichen Gutmüthigkeit nicht nach, an meinem ungelenken Wesen zu bessern und zu glätten; ich versuchte dann wohl einmal im Scherze, zusammen mit meinem eben so steifen Freunde Paul, die zierlichen Verbeugungen der beiden eleganten Pariser nachzuahmen; dies geschah aber nur in unserer eigenen Stube, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div> <p><pb facs="#f0327" n="315"/> um einen Grad voran. Unsre Gäste waren zwei bildschöne, junge Leute von der ausgesuchtesten Eleganz und feinsten Höflichkeit. Sie ließen sich, nachdem das Eis der Unterhaltung gebrochen war, in sehr gewählten, aber vollkommen verständlichen Ausdrücken über die traurige Nothwendigkeit dieses Krieges vernehmen. Man hörte es ihnen wohl an, wie tief die verzärtelten Muttersöhnchen es empfanden, allen ihren häuslichen Bequemlichkeiten und den Freuden der Hauptstadt entrissen zu sein, wie sauer es ihnen wurde, täglich mehrere Meilen zu marschiren, und in den schlechten Quartieren zu übernachten, u. s. w. Mehr als einmal hörten wir den Wunsch: il faut bien esperer, que cette campagne sera la demiere! Von außerordentlicher Begeisterung für den Kaiser oder von einem unbändigen Verlangen nach Kriegsruhm war wenig bei ihnen zu spüren. Sie hatten sich in ihr Schicksal ergeben, sahen den Sieg der französischen Waffen als gewiß an, und wünschten nichts sehnlicher, als eine baldige Beendigung der Marschbeschwerden. Unvergeßlich ist es mir, wie die beiden schlanken Gestalten, in den kleidsamen, grünen, goldgestickten Uniformen, nach Beendigung der Mahlzeit sich erhoben, und mit den verbindlichsten, nach allen Seiten gerichteten Grüßen in ihr Zimmer zurückgingen. „Da hast du lernen können“, sagte nachher mein Vater zu mir, „wie man sich auf eine feine Weise zu verbeugen hat!“ Er ließ nämlich in seiner unbeschreiblichen Gutmüthigkeit nicht nach, an meinem ungelenken Wesen zu bessern und zu glätten; ich versuchte dann wohl einmal im Scherze, zusammen mit meinem eben so steifen Freunde Paul, die zierlichen Verbeugungen der beiden eleganten Pariser nachzuahmen; dies geschah aber nur in unserer eigenen Stube, </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [315/0327]
um einen Grad voran. Unsre Gäste waren zwei bildschöne, junge Leute von der ausgesuchtesten Eleganz und feinsten Höflichkeit. Sie ließen sich, nachdem das Eis der Unterhaltung gebrochen war, in sehr gewählten, aber vollkommen verständlichen Ausdrücken über die traurige Nothwendigkeit dieses Krieges vernehmen. Man hörte es ihnen wohl an, wie tief die verzärtelten Muttersöhnchen es empfanden, allen ihren häuslichen Bequemlichkeiten und den Freuden der Hauptstadt entrissen zu sein, wie sauer es ihnen wurde, täglich mehrere Meilen zu marschiren, und in den schlechten Quartieren zu übernachten, u. s. w. Mehr als einmal hörten wir den Wunsch: il faut bien esperer, que cette campagne sera la demiere! Von außerordentlicher Begeisterung für den Kaiser oder von einem unbändigen Verlangen nach Kriegsruhm war wenig bei ihnen zu spüren. Sie hatten sich in ihr Schicksal ergeben, sahen den Sieg der französischen Waffen als gewiß an, und wünschten nichts sehnlicher, als eine baldige Beendigung der Marschbeschwerden. Unvergeßlich ist es mir, wie die beiden schlanken Gestalten, in den kleidsamen, grünen, goldgestickten Uniformen, nach Beendigung der Mahlzeit sich erhoben, und mit den verbindlichsten, nach allen Seiten gerichteten Grüßen in ihr Zimmer zurückgingen. „Da hast du lernen können“, sagte nachher mein Vater zu mir, „wie man sich auf eine feine Weise zu verbeugen hat!“ Er ließ nämlich in seiner unbeschreiblichen Gutmüthigkeit nicht nach, an meinem ungelenken Wesen zu bessern und zu glätten; ich versuchte dann wohl einmal im Scherze, zusammen mit meinem eben so steifen Freunde Paul, die zierlichen Verbeugungen der beiden eleganten Pariser nachzuahmen; dies geschah aber nur in unserer eigenen Stube,
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Zitationshilfe: | Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871], S. 315. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen01_1871/327>, abgerufen am 16.07.2024. |