Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871].den anderen Kindern als ein besonderer Vorzug der Natur betrachtet wurde. Auf seine Veranlassung improvisirten wir drei Geschwister die schönsten Stücke, bei denen die abgelegte Garderobe der Mutter bis auf den letzten Fetzen Anwendung fand. Meine Schwester Lilli gab mit einem alten Stuarthalskragen eine gute Prinzessin ab, mir wurden die strengen Väter zu Theil. Fritz liebte die Verkleidungen, erschien als Bettler oder armer Reisender, und entpuppte sich plötzlich zu einem Baron von Sternthal oder Grafen von Hohenfels. Seine Nachahmung fremder Stimmen war bewundernswerth, auch machte er, zum allgemeinen Erstaunen und Entsetzen der Dienstleute, einige Versuche im Bauchreden. Der Geburtstag der Mutter fiel auf den 14. April, in die erste Blumenzeit, und ward im Familienkreise immer auf das heiterste gefeiert. Fritz ersann einmal zu dessen Verherrlichung eine theatralische Ueberraschung mit drei Blumentöpfchen. Das Geheimnisvolle dabei hatte für meine Schwester und mich den grösten Reiz. Zuerst wurde der Vater heimlich um Geld zur Anschaffung der Blumen gebeten, dann wurden dieselben von der Köchin irgendwo versteckt gehalten. Die Töpfchen am Geburtstagsmorgen einfach mit der Hand zu überreichen, dies schien Fritzen viel zu prosaisch. Er stellte 6 Stühle, 3 auf jeder Seite, kulissenartig an der Kinderstubenthüre auf, durch welche die Mutter eintreten mußte. Unter den 3 Stühlen rechts stand je ein Topf auf einem Brettchen; ein Bindfaden reichte über den Weg bis zu den Stühlen links, unter denen wir 3 Kinder steckten. Als die Mutter eintrat, wurden die beiden am weitesten von der Thür den anderen Kindern als ein besonderer Vorzug der Natur betrachtet wurde. Auf seine Veranlassung improvisirten wir drei Geschwister die schönsten Stücke, bei denen die abgelegte Garderobe der Mutter bis auf den letzten Fetzen Anwendung fand. Meine Schwester Lilli gab mit einem alten Stuarthalskragen eine gute Prinzessin ab, mir wurden die strengen Väter zu Theil. Fritz liebte die Verkleidungen, erschien als Bettler oder armer Reisender, und entpuppte sich plötzlich zu einem Baron von Sternthal oder Grafen von Hohenfels. Seine Nachahmung fremder Stimmen war bewundernswerth, auch machte er, zum allgemeinen Erstaunen und Entsetzen der Dienstleute, einige Versuche im Bauchreden. Der Geburtstag der Mutter fiel auf den 14. April, in die erste Blumenzeit, und ward im Familienkreise immer auf das heiterste gefeiert. Fritz ersann einmal zu dessen Verherrlichung eine theatralische Ueberraschung mit drei Blumentöpfchen. Das Geheimnisvolle dabei hatte für meine Schwester und mich den grösten Reiz. Zuerst wurde der Vater heimlich um Geld zur Anschaffung der Blumen gebeten, dann wurden dieselben von der Köchin irgendwo versteckt gehalten. Die Töpfchen am Geburtstagsmorgen einfach mit der Hand zu überreichen, dies schien Fritzen viel zu prosaisch. Er stellte 6 Stühle, 3 auf jeder Seite, kulissenartig an der Kinderstubenthüre auf, durch welche die Mutter eintreten mußte. Unter den 3 Stühlen rechts stand je ein Topf auf einem Brettchen; ein Bindfaden reichte über den Weg bis zu den Stühlen links, unter denen wir 3 Kinder steckten. Als die Mutter eintrat, wurden die beiden am weitesten von der Thür <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0034" n="22"/> den anderen Kindern als ein besonderer Vorzug der Natur betrachtet wurde. </p><lb/> <p>Auf seine Veranlassung improvisirten wir drei Geschwister die schönsten Stücke, bei denen die abgelegte Garderobe der Mutter bis auf den letzten Fetzen Anwendung fand. Meine Schwester Lilli gab mit einem alten Stuarthalskragen eine gute Prinzessin ab, mir wurden die strengen Väter zu Theil. 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Er stellte 6 Stühle, 3 auf jeder Seite, kulissenartig an der Kinderstubenthüre auf, durch welche die Mutter eintreten mußte. Unter den 3 Stühlen rechts stand je ein Topf auf einem Brettchen; ein Bindfaden reichte über den Weg bis zu den Stühlen links, unter denen wir 3 Kinder steckten. Als die Mutter eintrat, wurden die beiden am weitesten von der Thür </p> </div> </body> </text> </TEI> [22/0034]
den anderen Kindern als ein besonderer Vorzug der Natur betrachtet wurde.
Auf seine Veranlassung improvisirten wir drei Geschwister die schönsten Stücke, bei denen die abgelegte Garderobe der Mutter bis auf den letzten Fetzen Anwendung fand. Meine Schwester Lilli gab mit einem alten Stuarthalskragen eine gute Prinzessin ab, mir wurden die strengen Väter zu Theil. Fritz liebte die Verkleidungen, erschien als Bettler oder armer Reisender, und entpuppte sich plötzlich zu einem Baron von Sternthal oder Grafen von Hohenfels. Seine Nachahmung fremder Stimmen war bewundernswerth, auch machte er, zum allgemeinen Erstaunen und Entsetzen der Dienstleute, einige Versuche im Bauchreden.
Der Geburtstag der Mutter fiel auf den 14. April, in die erste Blumenzeit, und ward im Familienkreise immer auf das heiterste gefeiert. Fritz ersann einmal zu dessen Verherrlichung eine theatralische Ueberraschung mit drei Blumentöpfchen. Das Geheimnisvolle dabei hatte für meine Schwester und mich den grösten Reiz. Zuerst wurde der Vater heimlich um Geld zur Anschaffung der Blumen gebeten, dann wurden dieselben von der Köchin irgendwo versteckt gehalten. Die Töpfchen am Geburtstagsmorgen einfach mit der Hand zu überreichen, dies schien Fritzen viel zu prosaisch. Er stellte 6 Stühle, 3 auf jeder Seite, kulissenartig an der Kinderstubenthüre auf, durch welche die Mutter eintreten mußte. Unter den 3 Stühlen rechts stand je ein Topf auf einem Brettchen; ein Bindfaden reichte über den Weg bis zu den Stühlen links, unter denen wir 3 Kinder steckten. Als die Mutter eintrat, wurden die beiden am weitesten von der Thür
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