Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871].bürgerlichen Tracht auf dem Bürgersteig; bald erschien die Hälfte in grauen Jacken und Beinkleidern mit der einfachen blauen Landwehrmütze, wenige Tage darauf war auch die zweite Hälfte eingekleidet. Der Lustgarten, der Schloßplatz, der Petriplatz neben den Trümmern der abgebrannten Kirche waren voll von Rekruten. Wir lagen den ganzen Tag, wenn die Schule es erlaubte, im Fenster, und lernten bald die Offiziere von Ansehn, nach und nach auch von Namen kennen. Die verschiedenen Handgriffe des Ladens mit dem klirrenden eisernen Ladestock waren weit complicirter und umständlicher als jetzt bei dem Zündnadelgewehr, doch wurden sie von den jungen Leuten schnell genug begriffen. Wir freuten uns auf das Exercitium im Feuer; allein so eilig wurde die Ausrüstung betrieben, daß bei vielen Compagnien das Schießen erst auf dem Marsche an den wenigen zugestandenen Ruhetagen, ja fast im Angesichte des Feindes eingeübt ward. Den Zurückbleibenden war es nun auch darum zu thun, das Exerciren und den Gebrauch der Feuerwaffen kennen zu lernen. Es trat in unserem kleinen Hausgarten eine Schaar halbwüchsiger Jungen aus der Nachbarschaft zusammen, die schon etwas großes gethan zu haben glaubten, als sie ohne Anstoß Rechtsum und Linksum machen konnten. Mit dem Feuern sah es schwieriger aus. Alles Spielen mit Gewehren war streng untersagt; die Feuerzeugpistole des Grosvaters Nicolai lag ruhig in dem Wandschranke der grünen Stube. Von dem Erlaubnißscheine des Kommandanten wußten wir damals nichts, sonst hätten wir uns wohl einen Schießstand im großen Garten errichtet. Doch Tante Jettchen, von unserer kriegerischen Begeisterung angesteckt, suchte Rath zu schaffen. bürgerlichen Tracht auf dem Bürgersteig; bald erschien die Hälfte in grauen Jacken und Beinkleidern mit der einfachen blauen Landwehrmütze, wenige Tage darauf war auch die zweite Hälfte eingekleidet. Der Lustgarten, der Schloßplatz, der Petriplatz neben den Trümmern der abgebrannten Kirche waren voll von Rekruten. Wir lagen den ganzen Tag, wenn die Schule es erlaubte, im Fenster, und lernten bald die Offiziere von Ansehn, nach und nach auch von Namen kennen. Die verschiedenen Handgriffe des Ladens mit dem klirrenden eisernen Ladestock waren weit complicirter und umständlicher als jetzt bei dem Zündnadelgewehr, doch wurden sie von den jungen Leuten schnell genug begriffen. Wir freuten uns auf das Exercitium im Feuer; allein so eilig wurde die Ausrüstung betrieben, daß bei vielen Compagnien das Schießen erst auf dem Marsche an den wenigen zugestandenen Ruhetagen, ja fast im Angesichte des Feindes eingeübt ward. Den Zurückbleibenden war es nun auch darum zu thun, das Exerciren und den Gebrauch der Feuerwaffen kennen zu lernen. Es trat in unserem kleinen Hausgarten eine Schaar halbwüchsiger Jungen aus der Nachbarschaft zusammen, die schon etwas großes gethan zu haben glaubten, als sie ohne Anstoß Rechtsum und Linksum machen konnten. Mit dem Feuern sah es schwieriger aus. Alles Spielen mit Gewehren war streng untersagt; die Feuerzeugpistole des Grosvaters Nicolai lag ruhig in dem Wandschranke der grünen Stube. Von dem Erlaubnißscheine des Kommandanten wußten wir damals nichts, sonst hätten wir uns wohl einen Schießstand im großen Garten errichtet. Doch Tante Jettchen, von unserer kriegerischen Begeisterung angesteckt, suchte Rath zu schaffen. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="1"> <p><pb facs="#f0357" n="345"/> bürgerlichen Tracht auf dem Bürgersteig; bald erschien die Hälfte in grauen Jacken und Beinkleidern mit der einfachen blauen Landwehrmütze, wenige Tage darauf war auch die zweite Hälfte eingekleidet. Der Lustgarten, der Schloßplatz, der Petriplatz neben den Trümmern der abgebrannten Kirche waren voll von Rekruten. Wir lagen den ganzen Tag, wenn die Schule es erlaubte, im Fenster, und lernten bald die Offiziere von Ansehn, nach und nach auch von Namen kennen. Die verschiedenen Handgriffe des Ladens mit dem klirrenden eisernen Ladestock waren weit complicirter und umständlicher als jetzt bei dem Zündnadelgewehr, doch wurden sie von den jungen Leuten schnell genug begriffen. Wir freuten uns auf das Exercitium im Feuer; allein so eilig wurde die Ausrüstung betrieben, daß bei vielen Compagnien das Schießen erst auf dem Marsche an den wenigen zugestandenen Ruhetagen, ja fast im Angesichte des Feindes eingeübt ward. </p><lb/> <p>Den Zurückbleibenden war es nun auch darum zu thun, das Exerciren und den Gebrauch der Feuerwaffen kennen zu lernen. Es trat in unserem kleinen Hausgarten eine Schaar halbwüchsiger Jungen aus der Nachbarschaft zusammen, die schon etwas großes gethan zu haben glaubten, als sie ohne Anstoß Rechtsum und Linksum machen konnten. Mit dem Feuern sah es schwieriger aus. Alles Spielen mit Gewehren war streng untersagt; die Feuerzeugpistole des Grosvaters Nicolai lag ruhig in dem Wandschranke der grünen Stube. Von dem Erlaubnißscheine des Kommandanten wußten wir damals nichts, sonst hätten wir uns wohl einen Schießstand im großen Garten errichtet. Doch Tante Jettchen, von unserer kriegerischen Begeisterung angesteckt, suchte Rath zu schaffen. </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [345/0357]
bürgerlichen Tracht auf dem Bürgersteig; bald erschien die Hälfte in grauen Jacken und Beinkleidern mit der einfachen blauen Landwehrmütze, wenige Tage darauf war auch die zweite Hälfte eingekleidet. Der Lustgarten, der Schloßplatz, der Petriplatz neben den Trümmern der abgebrannten Kirche waren voll von Rekruten. Wir lagen den ganzen Tag, wenn die Schule es erlaubte, im Fenster, und lernten bald die Offiziere von Ansehn, nach und nach auch von Namen kennen. Die verschiedenen Handgriffe des Ladens mit dem klirrenden eisernen Ladestock waren weit complicirter und umständlicher als jetzt bei dem Zündnadelgewehr, doch wurden sie von den jungen Leuten schnell genug begriffen. Wir freuten uns auf das Exercitium im Feuer; allein so eilig wurde die Ausrüstung betrieben, daß bei vielen Compagnien das Schießen erst auf dem Marsche an den wenigen zugestandenen Ruhetagen, ja fast im Angesichte des Feindes eingeübt ward.
Den Zurückbleibenden war es nun auch darum zu thun, das Exerciren und den Gebrauch der Feuerwaffen kennen zu lernen. Es trat in unserem kleinen Hausgarten eine Schaar halbwüchsiger Jungen aus der Nachbarschaft zusammen, die schon etwas großes gethan zu haben glaubten, als sie ohne Anstoß Rechtsum und Linksum machen konnten. Mit dem Feuern sah es schwieriger aus. Alles Spielen mit Gewehren war streng untersagt; die Feuerzeugpistole des Grosvaters Nicolai lag ruhig in dem Wandschranke der grünen Stube. Von dem Erlaubnißscheine des Kommandanten wußten wir damals nichts, sonst hätten wir uns wohl einen Schießstand im großen Garten errichtet. Doch Tante Jettchen, von unserer kriegerischen Begeisterung angesteckt, suchte Rath zu schaffen.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Wolfgang Virmond: Bereitstellung der Texttranskription.
(2014-01-07T13:04:32Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2014-01-07T13:04:32Z)
Staatsbibliothek zu Berlin – Stiftung Preußischer Kulturbesitz: Bereitstellung der Bilddigitalisate (Sign. Av 4887-1)
(2014-01-07T13:04:32Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |