Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871].dem Stolze des französischen Usurpators, der so viele alten Throne gestürzt und neue gegründet, daß einer seiner Marschälle für den uralten Herrschersitz der skandinavischen Halbinsel ausersehn wurde. Napoleon hatte gehofft, an ihm einen treuen Vasallen zu haben, aber bald zeigte es sich, daß Bernadotte das Wohl seines Landes der unfruchtbaren Freundschaft des Kaisers vorzog. Napoleon verlangte von ihm den Beitritt zum Kontinentalsystem, d. h. die Verschließung aller schwedischen Häfen gegen England. Durch diesen Beitritt wäre das ohnehin arme Schweden völlig zu Grunde gerichtet worden, da seine meisten Handelsbeziehungen nach dem nahen England hinüberreichten, und England gerade in jener Zeit schwedisches Holz und schwedisches Eisen für seinen Schiffsbau brauchte. Bernadotte suchte Ausflüchte und trat dem Kontinentalsysteme nicht bei. Jetzt gaben ihm die drei verbündeten Mächte die Aussicht auf Norwegen, das damals in Dänemarks Besitz war, und Dänemark stand von jeher auf Napoleons Seite. Bernadotte mochte wohl bedenken, daß bei einem Siege der Alliirten sein Thron auf das äußerste gefährdet sei, wenn er nicht auf ihre Seite trete, er kam also mit einem schwedischen Heere von ungefähr 20,000 Mann nach Deutschland herüber, und erhielt den Oberbefehl über die deutsche Nordarmee. Er rechtfertigte jedoch nur wenig die in ihn gesetzten Hoffnungen, und es schien in der That, als sei es ihm nicht recht Ernst mit dem Kampf gegen seinen ehemaligen Waffenbruder und Feldherrn. Es lagerten einige schwedische Truppen in der Nähe von Berlin, und wir versäumten nicht, mit dem Vetter Valentin, der zu solchen Ausflügen immer bereit war, hin- dem Stolze des französischen Usurpators, der so viele alten Throne gestürzt und neue gegründet, daß einer seiner Marschälle für den uralten Herrschersitz der skandinavischen Halbinsel ausersehn wurde. Napoléon hatte gehofft, an ihm einen treuen Vasallen zu haben, aber bald zeigte es sich, daß Bernadotte das Wohl seines Landes der unfruchtbaren Freundschaft des Kaisers vorzog. Napoléon verlangte von ihm den Beitritt zum Kontinentalsystem, d. h. die Verschließung aller schwedischen Häfen gegen England. Durch diesen Beitritt wäre das ohnehin arme Schweden völlig zu Grunde gerichtet worden, da seine meisten Handelsbeziehungen nach dem nahen England hinüberreichten, und England gerade in jener Zeit schwedisches Holz und schwedisches Eisen für seinen Schiffsbau brauchte. Bernadotte suchte Ausflüchte und trat dem Kontinentalsysteme nicht bei. Jetzt gaben ihm die drei verbündeten Mächte die Aussicht auf Norwegen, das damals in Dänemarks Besitz war, und Dänemark stand von jeher auf Napoléons Seite. Bernadotte mochte wohl bedenken, daß bei einem Siege der Alliirten sein Thron auf das äußerste gefährdet sei, wenn er nicht auf ihre Seite trete, er kam also mit einem schwedischen Heere von ungefähr 20,000 Mann nach Deutschland herüber, und erhielt den Oberbefehl über die deutsche Nordarmee. Er rechtfertigte jedoch nur wenig die in ihn gesetzten Hoffnungen, und es schien in der That, als sei es ihm nicht recht Ernst mit dem Kampf gegen seinen ehemaligen Waffenbruder und Feldherrn. Es lagerten einige schwedische Truppen in der Nähe von Berlin, und wir versäumten nicht, mit dem Vetter Valentin, der zu solchen Ausflügen immer bereit war, hin- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="1"> <p><pb facs="#f0381" n="369"/> dem Stolze des französischen Usurpators, der so viele alten Throne gestürzt und neue gegründet, daß einer seiner Marschälle für den uralten Herrschersitz der skandinavischen Halbinsel ausersehn wurde. Napoléon hatte gehofft, an ihm einen treuen Vasallen zu haben, aber bald zeigte es sich, daß Bernadotte das Wohl seines Landes der unfruchtbaren Freundschaft des Kaisers vorzog. Napoléon verlangte von ihm den Beitritt zum Kontinentalsystem, d. h. die Verschließung aller schwedischen Häfen gegen England. Durch diesen Beitritt wäre das ohnehin arme Schweden völlig zu Grunde gerichtet worden, da seine meisten Handelsbeziehungen nach dem nahen England hinüberreichten, und England gerade in jener Zeit schwedisches Holz und schwedisches Eisen für seinen Schiffsbau brauchte. Bernadotte suchte Ausflüchte und trat dem Kontinentalsysteme nicht bei. Jetzt gaben ihm die drei verbündeten Mächte die Aussicht auf Norwegen, das damals in Dänemarks Besitz war, und Dänemark stand von jeher auf Napoléons Seite. </p><lb/> <p>Bernadotte mochte wohl bedenken, daß bei einem Siege der Alliirten sein Thron auf das äußerste gefährdet sei, wenn er nicht auf ihre Seite trete, er kam also mit einem schwedischen Heere von ungefähr 20,000 Mann nach Deutschland herüber, und erhielt den Oberbefehl über die deutsche Nordarmee. Er rechtfertigte jedoch nur wenig die in ihn gesetzten Hoffnungen, und es schien in der That, als sei es ihm nicht recht Ernst mit dem Kampf gegen seinen ehemaligen Waffenbruder und Feldherrn. </p><lb/> <p>Es lagerten einige schwedische Truppen in der Nähe von Berlin, und wir versäumten nicht, mit dem Vetter Valentin, der zu solchen Ausflügen immer bereit war, hin- </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [369/0381]
dem Stolze des französischen Usurpators, der so viele alten Throne gestürzt und neue gegründet, daß einer seiner Marschälle für den uralten Herrschersitz der skandinavischen Halbinsel ausersehn wurde. Napoléon hatte gehofft, an ihm einen treuen Vasallen zu haben, aber bald zeigte es sich, daß Bernadotte das Wohl seines Landes der unfruchtbaren Freundschaft des Kaisers vorzog. Napoléon verlangte von ihm den Beitritt zum Kontinentalsystem, d. h. die Verschließung aller schwedischen Häfen gegen England. Durch diesen Beitritt wäre das ohnehin arme Schweden völlig zu Grunde gerichtet worden, da seine meisten Handelsbeziehungen nach dem nahen England hinüberreichten, und England gerade in jener Zeit schwedisches Holz und schwedisches Eisen für seinen Schiffsbau brauchte. Bernadotte suchte Ausflüchte und trat dem Kontinentalsysteme nicht bei. Jetzt gaben ihm die drei verbündeten Mächte die Aussicht auf Norwegen, das damals in Dänemarks Besitz war, und Dänemark stand von jeher auf Napoléons Seite.
Bernadotte mochte wohl bedenken, daß bei einem Siege der Alliirten sein Thron auf das äußerste gefährdet sei, wenn er nicht auf ihre Seite trete, er kam also mit einem schwedischen Heere von ungefähr 20,000 Mann nach Deutschland herüber, und erhielt den Oberbefehl über die deutsche Nordarmee. Er rechtfertigte jedoch nur wenig die in ihn gesetzten Hoffnungen, und es schien in der That, als sei es ihm nicht recht Ernst mit dem Kampf gegen seinen ehemaligen Waffenbruder und Feldherrn.
Es lagerten einige schwedische Truppen in der Nähe von Berlin, und wir versäumten nicht, mit dem Vetter Valentin, der zu solchen Ausflügen immer bereit war, hin-
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Wolfgang Virmond: Bereitstellung der Texttranskription.
(2014-01-07T13:04:32Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2014-01-07T13:04:32Z)
Staatsbibliothek zu Berlin – Stiftung Preußischer Kulturbesitz: Bereitstellung der Bilddigitalisate (Sign. Av 4887-1)
(2014-01-07T13:04:32Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |