Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871].Klavierschlüssel die fünf Notenlinien eine dritte, ganz veränderte Geltung erhielten, wollte uns nicht in den Sinn, und die Hillerschen Opern wurden bald bei Seite gelegt. Nachdem der Vater uns belehrt, daß es auch noch einen Tenorschlüssel und einen Altschlüssel gebe, so hielten wir es fast für Zauberei, wenn er uns aus einer Partitur, worin alle diese verschiedenen Schlüssel vereinigt waren, etwas vorspielte. Zum Vorlesen wählte mein Vater theils historische, theils belletristische Werke aus der reichen Bibliothek des Grosvaters. Er ging uns durch eine deutliche Aussprache und durch langsamen Vortrag als Muster voran, allein er wurde bald inne, daß die Aufmerksamkeit lebhafter Kinder auch durch die interessanteste Vorlesung nur auf kurze Zeit gefesselt werden kann. Wir sollten nun selbst im Vorlesen uns üben, doch bei mir war und blieb die angeborne Befangenheit schwer zu überwinden; meine Schwester machte ihre Sache schon besser, und Fritz übertraf uns beide durch Lebhaftigkeit des Ausdruckes und dramatisches Feuer. Er entwickelte indessen diese beiden Eigenschaften nur bei solchen Werken, die ihn selbst anzogen; sobald der Gegenstand ihm langweilig wurde, so verfiel er, ohne es zu wollen, in einen ungemein eintönigen Vortrag, der eine ganz besonders einschläfernde Kraft auf die Zuhörer ausübte. So wurde eines Abends das sehr trockne Schauspiel von Iffland: das Erbtheil des Vaters, vorgelesen, dem wir unmöglich die verlangte Theilnahme schenken konnten. Nachdem wir beide, meine Schwester und ich, unser Pensum abgethan, kam Fritz an die Reihe und leierte eine Scene nach der andern mit unendlicher Tonlosigkeit herunter. Unter andern las Klavierschlüssel die fünf Notenlinien eine dritte, ganz veränderte Geltung erhielten, wollte uns nicht in den Sinn, und die Hillerschen Opern wurden bald bei Seite gelegt. Nachdem der Vater uns belehrt, daß es auch noch einen Tenorschlüssel und einen Altschlüssel gebe, so hielten wir es fast für Zauberei, wenn er uns aus einer Partitur, worin alle diese verschiedenen Schlüssel vereinigt waren, etwas vorspielte. Zum Vorlesen wählte mein Vater theils historische, theils belletristische Werke aus der reichen Bibliothek des Grosvaters. Er ging uns durch eine deutliche Aussprache und durch langsamen Vortrag als Muster voran, allein er wurde bald inne, daß die Aufmerksamkeit lebhafter Kinder auch durch die interessanteste Vorlesung nur auf kurze Zeit gefesselt werden kann. Wir sollten nun selbst im Vorlesen uns üben, doch bei mir war und blieb die angeborne Befangenheit schwer zu überwinden; meine Schwester machte ihre Sache schon besser, und Fritz übertraf uns beide durch Lebhaftigkeit des Ausdruckes und dramatisches Feuer. Er entwickelte indessen diese beiden Eigenschaften nur bei solchen Werken, die ihn selbst anzogen; sobald der Gegenstand ihm langweilig wurde, so verfiel er, ohne es zu wollen, in einen ungemein eintönigen Vortrag, der eine ganz besonders einschläfernde Kraft auf die Zuhörer ausübte. So wurde eines Abends das sehr trockne Schauspiel von Iffland: das Erbtheil des Vaters, vorgelesen, dem wir unmöglich die verlangte Theilnahme schenken konnten. Nachdem wir beide, meine Schwester und ich, unser Pensum abgethan, kam Fritz an die Reihe und leierte eine Scene nach der andern mit unendlicher Tonlosigkeit herunter. 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Nachdem wir beide, meine Schwester und ich, unser Pensum abgethan, kam Fritz an die Reihe und leierte eine Scene nach der andern mit unendlicher Tonlosigkeit herunter. Unter andern las </p> </div> </body> </text> </TEI> [27/0039]
Klavierschlüssel die fünf Notenlinien eine dritte, ganz veränderte Geltung erhielten, wollte uns nicht in den Sinn, und die Hillerschen Opern wurden bald bei Seite gelegt. Nachdem der Vater uns belehrt, daß es auch noch einen Tenorschlüssel und einen Altschlüssel gebe, so hielten wir es fast für Zauberei, wenn er uns aus einer Partitur, worin alle diese verschiedenen Schlüssel vereinigt waren, etwas vorspielte.
Zum Vorlesen wählte mein Vater theils historische, theils belletristische Werke aus der reichen Bibliothek des Grosvaters. Er ging uns durch eine deutliche Aussprache und durch langsamen Vortrag als Muster voran, allein er wurde bald inne, daß die Aufmerksamkeit lebhafter Kinder auch durch die interessanteste Vorlesung nur auf kurze Zeit gefesselt werden kann.
Wir sollten nun selbst im Vorlesen uns üben, doch bei mir war und blieb die angeborne Befangenheit schwer zu überwinden; meine Schwester machte ihre Sache schon besser, und Fritz übertraf uns beide durch Lebhaftigkeit des Ausdruckes und dramatisches Feuer. Er entwickelte indessen diese beiden Eigenschaften nur bei solchen Werken, die ihn selbst anzogen; sobald der Gegenstand ihm langweilig wurde, so verfiel er, ohne es zu wollen, in einen ungemein eintönigen Vortrag, der eine ganz besonders einschläfernde Kraft auf die Zuhörer ausübte. So wurde eines Abends das sehr trockne Schauspiel von Iffland: das Erbtheil des Vaters, vorgelesen, dem wir unmöglich die verlangte Theilnahme schenken konnten. Nachdem wir beide, meine Schwester und ich, unser Pensum abgethan, kam Fritz an die Reihe und leierte eine Scene nach der andern mit unendlicher Tonlosigkeit herunter. Unter andern las
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