Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871].ner Schale und 8 Klingen hervor, um einen herabhängenden Zweig abzuschneiden. Welch ein schönes Messer, rief ich aus, ganz von Stahl; so etwas habe ich noch nie gesehn! Ich schenke es dir! sagte er, indem er es mir in die Hand drückte. Wer war glücklicher als ich, der ich ohnehin eine besondere Vorliebe für zierliche Messer hegte, und deren immer zwei, eins in der Beinkleidertasche, das andre in der Westentasche bei mir trug! Dies Geschenk schien mir geradezu unschätzbar, um so mehr, da es als Andenken von einem so schwärmerisch verehrten Freunde herrührte. Aber leider sollte die Freude daran nicht lange dauern. Nach dem Schlusse der Ferien nahm ich es in die Klasse, um es von den Mitschülern bewundern zu lassen, und da war es nach einigen Tagen verschwunden, sei es, daß ich es aus der Tasche verloren, was sonst gar nicht mein Fehler war, sei es, daß ein gewissenloser Secundaner der Versuchung nicht widerstehn konnte, ein solches Kleinod sich anzueignen. Am Morgen des 9. Aug. kam Körner nach der Blumenstraße, wo sein Pferd, ein tüchtiger Schimmel, eingestallt war, packte seinen Mantelsack, und nahm von meinen Aeltern und uns einen kurzen, herzlichen Abschied. Er schwang sich in den Sattel, und ritt die lange Straße hinunter. Wir sahen ihm betrübt nach. Ehe er um die Ecke bog, zog er sein Taschentuch heraus, und wehete, sich umsehend, uns einen Gruß zu. Sehr wehmüthig schlichen wir in das Haus zurück. Als wenige Wochen darauf, am 3. Sept. die Nachricht von seinem Tode nach Berlin kam, erinnerten wir uns mit Schmerzen dieses Abschiedes, und beschlossen, nie wieder einem wegreisenden Freunde nachzusehn. ner Schale und 8 Klingen hervor, um einen herabhängenden Zweig abzuschneiden. Welch ein schönes Messer, rief ich aus, ganz von Stahl; so etwas habe ich noch nie gesehn! Ich schenke es dir! sagte er, indem er es mir in die Hand drückte. Wer war glücklicher als ich, der ich ohnehin eine besondere Vorliebe für zierliche Messer hegte, und deren immer zwei, eins in der Beinkleidertasche, das andre in der Westentasche bei mir trug! Dies Geschenk schien mir geradezu unschätzbar, um so mehr, da es als Andenken von einem so schwärmerisch verehrten Freunde herrührte. Aber leider sollte die Freude daran nicht lange dauern. Nach dem Schlusse der Ferien nahm ich es in die Klasse, um es von den Mitschülern bewundern zu lassen, und da war es nach einigen Tagen verschwunden, sei es, daß ich es aus der Tasche verloren, was sonst gar nicht mein Fehler war, sei es, daß ein gewissenloser Secundaner der Versuchung nicht widerstehn konnte, ein solches Kleinod sich anzueignen. Am Morgen des 9. Aug. kam Körner nach der Blumenstraße, wo sein Pferd, ein tüchtiger Schimmel, eingestallt war, packte seinen Mantelsack, und nahm von meinen Aeltern und uns einen kurzen, herzlichen Abschied. Er schwang sich in den Sattel, und ritt die lange Straße hinunter. Wir sahen ihm betrübt nach. Ehe er um die Ecke bog, zog er sein Taschentuch heraus, und wehete, sich umsehend, uns einen Gruß zu. Sehr wehmüthig schlichen wir in das Haus zurück. Als wenige Wochen darauf, am 3. Sept. die Nachricht von seinem Tode nach Berlin kam, erinnerten wir uns mit Schmerzen dieses Abschiedes, und beschlossen, nie wieder einem wegreisenden Freunde nachzusehn. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="1"> <p><pb facs="#f0392" n="380"/> ner Schale und 8 Klingen hervor, um einen herabhängenden Zweig abzuschneiden. Welch ein schönes Messer, rief ich aus, ganz von Stahl; so etwas habe ich noch nie gesehn! Ich schenke es dir! sagte er, indem er es mir in die Hand drückte. Wer war glücklicher als ich, der ich ohnehin eine besondere Vorliebe für zierliche Messer hegte, und deren immer zwei, eins in der Beinkleidertasche, das andre in der Westentasche bei mir trug! Dies Geschenk schien mir geradezu unschätzbar, um so mehr, da es als Andenken von einem so schwärmerisch verehrten Freunde herrührte. Aber leider sollte die Freude daran nicht lange dauern. Nach dem Schlusse der Ferien nahm ich es in die Klasse, um es von den Mitschülern bewundern zu lassen, und da war es nach einigen Tagen verschwunden, sei es, daß ich es aus der Tasche verloren, was sonst gar nicht mein Fehler war, sei es, daß ein gewissenloser Secundaner der Versuchung nicht widerstehn konnte, ein solches Kleinod sich anzueignen. </p><lb/> <p>Am Morgen des 9. Aug. kam Körner nach der Blumenstraße, wo sein Pferd, ein tüchtiger Schimmel, eingestallt war, packte seinen Mantelsack, und nahm von meinen Aeltern und uns einen kurzen, herzlichen Abschied. Er schwang sich in den Sattel, und ritt die lange Straße hinunter. Wir sahen ihm betrübt nach. Ehe er um die Ecke bog, zog er sein Taschentuch heraus, und wehete, sich umsehend, uns einen Gruß zu. Sehr wehmüthig schlichen wir in das Haus zurück. Als wenige Wochen darauf, am 3. Sept. die Nachricht von seinem Tode nach Berlin kam, erinnerten wir uns mit Schmerzen dieses Abschiedes, und beschlossen, nie wieder einem wegreisenden Freunde nachzusehn. </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [380/0392]
ner Schale und 8 Klingen hervor, um einen herabhängenden Zweig abzuschneiden. Welch ein schönes Messer, rief ich aus, ganz von Stahl; so etwas habe ich noch nie gesehn! Ich schenke es dir! sagte er, indem er es mir in die Hand drückte. Wer war glücklicher als ich, der ich ohnehin eine besondere Vorliebe für zierliche Messer hegte, und deren immer zwei, eins in der Beinkleidertasche, das andre in der Westentasche bei mir trug! Dies Geschenk schien mir geradezu unschätzbar, um so mehr, da es als Andenken von einem so schwärmerisch verehrten Freunde herrührte. Aber leider sollte die Freude daran nicht lange dauern. Nach dem Schlusse der Ferien nahm ich es in die Klasse, um es von den Mitschülern bewundern zu lassen, und da war es nach einigen Tagen verschwunden, sei es, daß ich es aus der Tasche verloren, was sonst gar nicht mein Fehler war, sei es, daß ein gewissenloser Secundaner der Versuchung nicht widerstehn konnte, ein solches Kleinod sich anzueignen.
Am Morgen des 9. Aug. kam Körner nach der Blumenstraße, wo sein Pferd, ein tüchtiger Schimmel, eingestallt war, packte seinen Mantelsack, und nahm von meinen Aeltern und uns einen kurzen, herzlichen Abschied. Er schwang sich in den Sattel, und ritt die lange Straße hinunter. Wir sahen ihm betrübt nach. Ehe er um die Ecke bog, zog er sein Taschentuch heraus, und wehete, sich umsehend, uns einen Gruß zu. Sehr wehmüthig schlichen wir in das Haus zurück. Als wenige Wochen darauf, am 3. Sept. die Nachricht von seinem Tode nach Berlin kam, erinnerten wir uns mit Schmerzen dieses Abschiedes, und beschlossen, nie wieder einem wegreisenden Freunde nachzusehn.
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