Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871].ruhe ein; am 18. begann der Streit von neuem. Da wurden die Franzosen auf allen Punkten zurückgedrängt, und kämpften nur noch für einen gesicherten Rückzug. Um die Mittagszeit verließ Napoleon die Stadt Leipzig, und hinter ihm flog die steinerne Pleißebrücke am Ranstädter Thore in die Luft, über welche der Rückzug seines Heeres gehn sollte. Dadurch wurde der Verlust der Franzosen an Todten und Gefangenen auf das empfindlichste gesteigert. Von den verbündeten Generalen hatte diesmal der alte Blücher bei Markranstädt und Wachau den schwersten Stand gehabt. Fast alle seine Offiziere waren todt oder verwundet. Am Nachmittage des 18. Oktobers stürmte der Hauptmann Friccius mit der ostpreußischen Landwehr das Grimmaische Thor, und drang zuerst in die Stadt ein. Am folgenden Tage hielten die drei verbündeten Monarchen, Alexander, Franz und Friedrich Wilhelm ihren feierlichen Einzug. Napoleon machte mit seinen Garden einen geordneten Rückzug gegen den Rhein, sein übriges Heer löste sich in wilde Flucht auf. Die Befreiung Deutschlands war eine vollendete Thatsache. Vergebens würde ich versuchen, den Eindruck dieser welthistorischen Ereignisse zu schildern. Was wir jetzt als eine große That der Nation in einem wohlgeordneten, übersichtlichen Bilde in der Ferne von mehr als einem halben Jahrhundert überschauen, das lag damals in unendlich viele kleine Ereignisse zerstückelt vor uns, und konnte erst nach und nach zu einem Ganzen vereinigt werden. Desto größer aber war die Freude des Augenblicks, desto erhebender das Gefühl der endlichen Siegesgewißheit. Von der Leipziger Schlacht sang Rückert im Volkston: ruhe ein; am 18. begann der Streit von neuem. Da wurden die Franzosen auf allen Punkten zurückgedrängt, und kämpften nur noch für einen gesicherten Rückzug. Um die Mittagszeit verließ Napoléon die Stadt Leipzig, und hinter ihm flog die steinerne Pleißebrücke am Ranstädter Thore in die Luft, über welche der Rückzug seines Heeres gehn sollte. Dadurch wurde der Verlust der Franzosen an Todten und Gefangenen auf das empfindlichste gesteigert. Von den verbündeten Generalen hatte diesmal der alte Blücher bei Markranstädt und Wachau den schwersten Stand gehabt. Fast alle seine Offiziere waren todt oder verwundet. Am Nachmittage des 18. Oktobers stürmte der Hauptmann Friccius mit der ostpreußischen Landwehr das Grimmaische Thor, und drang zuerst in die Stadt ein. Am folgenden Tage hielten die drei verbündeten Monarchen, Alexander, Franz und Friedrich Wilhelm ihren feierlichen Einzug. Napoléon machte mit seinen Garden einen geordneten Rückzug gegen den Rhein, sein übriges Heer löste sich in wilde Flucht auf. Die Befreiung Deutschlands war eine vollendete Thatsache. Vergebens würde ich versuchen, den Eindruck dieser welthistorischen Ereignisse zu schildern. Was wir jetzt als eine große That der Nation in einem wohlgeordneten, übersichtlichen Bilde in der Ferne von mehr als einem halben Jahrhundert überschauen, das lag damals in unendlich viele kleine Ereignisse zerstückelt vor uns, und konnte erst nach und nach zu einem Ganzen vereinigt werden. Desto größer aber war die Freude des Augenblicks, desto erhebender das Gefühl der endlichen Siegesgewißheit. Von der Leipziger Schlacht sang Rückert im Volkston: <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="1"> <p><pb facs="#f0414" n="402"/> ruhe ein; am 18. begann der Streit von neuem. Da wurden die Franzosen auf allen Punkten zurückgedrängt, und kämpften nur noch für einen gesicherten Rückzug. Um die Mittagszeit verließ Napoléon die Stadt Leipzig, und hinter ihm flog die steinerne Pleißebrücke am Ranstädter Thore in die Luft, über welche der Rückzug seines Heeres gehn sollte. Dadurch wurde der Verlust der Franzosen an Todten und Gefangenen auf das empfindlichste gesteigert. Von den verbündeten Generalen hatte diesmal der alte Blücher bei Markranstädt und Wachau den schwersten Stand gehabt. Fast alle seine Offiziere waren todt oder verwundet. </p><lb/> <p>Am Nachmittage des 18. Oktobers stürmte der Hauptmann Friccius mit der ostpreußischen Landwehr das Grimmaische Thor, und drang zuerst in die Stadt ein. Am folgenden Tage hielten die drei verbündeten Monarchen, Alexander, Franz und Friedrich Wilhelm ihren feierlichen Einzug. Napoléon machte mit seinen Garden einen geordneten Rückzug gegen den Rhein, sein übriges Heer löste sich in wilde Flucht auf. Die Befreiung Deutschlands war eine vollendete Thatsache. </p><lb/> <p>Vergebens würde ich versuchen, den Eindruck dieser welthistorischen Ereignisse zu schildern. Was wir jetzt als eine große That der Nation in einem wohlgeordneten, übersichtlichen Bilde in der Ferne von mehr als einem halben Jahrhundert überschauen, das lag damals in unendlich viele kleine Ereignisse zerstückelt vor uns, und konnte erst nach und nach zu einem Ganzen vereinigt werden. Desto größer aber war die Freude des Augenblicks, desto erhebender das Gefühl der endlichen Siegesgewißheit. Von der Leipziger Schlacht sang Rückert im Volkston: </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [402/0414]
ruhe ein; am 18. begann der Streit von neuem. Da wurden die Franzosen auf allen Punkten zurückgedrängt, und kämpften nur noch für einen gesicherten Rückzug. Um die Mittagszeit verließ Napoléon die Stadt Leipzig, und hinter ihm flog die steinerne Pleißebrücke am Ranstädter Thore in die Luft, über welche der Rückzug seines Heeres gehn sollte. Dadurch wurde der Verlust der Franzosen an Todten und Gefangenen auf das empfindlichste gesteigert. Von den verbündeten Generalen hatte diesmal der alte Blücher bei Markranstädt und Wachau den schwersten Stand gehabt. Fast alle seine Offiziere waren todt oder verwundet.
Am Nachmittage des 18. Oktobers stürmte der Hauptmann Friccius mit der ostpreußischen Landwehr das Grimmaische Thor, und drang zuerst in die Stadt ein. Am folgenden Tage hielten die drei verbündeten Monarchen, Alexander, Franz und Friedrich Wilhelm ihren feierlichen Einzug. Napoléon machte mit seinen Garden einen geordneten Rückzug gegen den Rhein, sein übriges Heer löste sich in wilde Flucht auf. Die Befreiung Deutschlands war eine vollendete Thatsache.
Vergebens würde ich versuchen, den Eindruck dieser welthistorischen Ereignisse zu schildern. Was wir jetzt als eine große That der Nation in einem wohlgeordneten, übersichtlichen Bilde in der Ferne von mehr als einem halben Jahrhundert überschauen, das lag damals in unendlich viele kleine Ereignisse zerstückelt vor uns, und konnte erst nach und nach zu einem Ganzen vereinigt werden. Desto größer aber war die Freude des Augenblicks, desto erhebender das Gefühl der endlichen Siegesgewißheit. Von der Leipziger Schlacht sang Rückert im Volkston:
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