Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871].vollen Vorgang kenne, und daß ihm, so oft er daran denke, der tiefste Schmerz durch die Seele schneide; dies sei auch die Gesinnung aller ehrliebenden Sachsen. Mit Ueberraschung, ja fast mit Beschämung, eine so empfindliche Saite berührt zu haben, ließ ich das Gespräch fallen. Allgemeine Theilnahme erregte das Schicksal des polnischen Fürsten Poniatowski nach der Leipziger Schlacht. Er hatte lange Zeit unter Napoleon gedient, und konnte sich wohl mit der Hoffnung schmeicheln, durch die Vorzüge seiner Geburt und durch seine persönlichen Verdienste zum Könige von Polen ausersehn zu sein, wenn es überhaupt in Napoleons Plänen lag, ein Polenreich wieder aufzurichten. Daß dies nicht seine Absicht sei, hatte er eben sowohl im Jahre 1807 bei seinem Aufenthalte in Tilsit, als auch im Jahre 1812 bei seinem Hinzuge nach Rußland gezeigt. Im Tilsiter Frieden übergab er das Herzogthum Warschau seinem treuen Verbündeten, dem Könige von Sachsen, und als er im Jahre 1812 in Warschau verweilte, war keine Rede von der Wiederherstellung Polens. Vielleicht hatte Napoleon aus dem Studium der polnischen Geschichte die Ueberzeugung gewonnen, daß die Polen nicht vom Schicksal bestimmt seien, ein neues selbständiges Reich zu bilden, und da er sich ja immer für den Vollstrecker der Beschlüsse des Schicksals hielt, so war er nicht geneigt, den vielen von ihm gestifteten Reichen noch ein polnisches hinzuzufügen. Poniatowski kämpfte mit solcher Auszeichnung bei Leipzig, daß Napoleon ihn auf dem Schlachtfelde zum Marschall von Frankreich ernannte; damit war denn die letzte Aussicht auf den polnischen Thron verschwunden. Nachdem bei dem Rückzuge der Franzosen die Ranstädter Brücke zerstört war, suchte vollen Vorgang kenne, und daß ihm, so oft er daran denke, der tiefste Schmerz durch die Seele schneide; dies sei auch die Gesinnung aller ehrliebenden Sachsen. Mit Ueberraschung, ja fast mit Beschämung, eine so empfindliche Saite berührt zu haben, ließ ich das Gespräch fallen. Allgemeine Theilnahme erregte das Schicksal des polnischen Fürsten Poniatowski nach der Leipziger Schlacht. Er hatte lange Zeit unter Napoléon gedient, und konnte sich wohl mit der Hoffnung schmeicheln, durch die Vorzüge seiner Geburt und durch seine persönlichen Verdienste zum Könige von Polen ausersehn zu sein, wenn es überhaupt in Napoléons Plänen lag, ein Polenreich wieder aufzurichten. Daß dies nicht seine Absicht sei, hatte er eben sowohl im Jahre 1807 bei seinem Aufenthalte in Tilsit, als auch im Jahre 1812 bei seinem Hinzuge nach Rußland gezeigt. Im Tilsiter Frieden übergab er das Herzogthum Warschau seinem treuen Verbündeten, dem Könige von Sachsen, und als er im Jahre 1812 in Warschau verweilte, war keine Rede von der Wiederherstellung Polens. Vielleicht hatte Napoléon aus dem Studium der polnischen Geschichte die Ueberzeugung gewonnen, daß die Polen nicht vom Schicksal bestimmt seien, ein neues selbständiges Reich zu bilden, und da er sich ja immer für den Vollstrecker der Beschlüsse des Schicksals hielt, so war er nicht geneigt, den vielen von ihm gestifteten Reichen noch ein polnisches hinzuzufügen. Poniatowski kämpfte mit solcher Auszeichnung bei Leipzig, daß Napoléon ihn auf dem Schlachtfelde zum Marschall von Frankreich ernannte; damit war denn die letzte Aussicht auf den polnischen Thron verschwunden. 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Daß dies nicht seine Absicht sei, hatte er eben sowohl im Jahre 1807 bei seinem Aufenthalte in Tilsit, als auch im Jahre 1812 bei seinem Hinzuge nach Rußland gezeigt. Im Tilsiter Frieden übergab er das Herzogthum Warschau seinem treuen Verbündeten, dem Könige von Sachsen, und als er im Jahre 1812 in Warschau verweilte, war keine Rede von der Wiederherstellung Polens. Vielleicht hatte Napoléon aus dem Studium der polnischen Geschichte die Ueberzeugung gewonnen, daß die Polen nicht vom Schicksal bestimmt seien, ein neues selbständiges Reich zu bilden, und da er sich ja immer für den Vollstrecker der Beschlüsse des Schicksals hielt, so war er nicht geneigt, den vielen von ihm gestifteten Reichen noch ein polnisches hinzuzufügen. Poniatowski kämpfte mit solcher Auszeichnung bei Leipzig, daß Napoléon ihn auf dem Schlachtfelde zum Marschall von Frankreich ernannte; damit war denn die letzte Aussicht auf den polnischen Thron verschwunden. Nachdem bei dem Rückzuge der Franzosen die Ranstädter Brücke zerstört war, suchte </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [407/0419]
vollen Vorgang kenne, und daß ihm, so oft er daran denke, der tiefste Schmerz durch die Seele schneide; dies sei auch die Gesinnung aller ehrliebenden Sachsen. Mit Ueberraschung, ja fast mit Beschämung, eine so empfindliche Saite berührt zu haben, ließ ich das Gespräch fallen.
Allgemeine Theilnahme erregte das Schicksal des polnischen Fürsten Poniatowski nach der Leipziger Schlacht. Er hatte lange Zeit unter Napoléon gedient, und konnte sich wohl mit der Hoffnung schmeicheln, durch die Vorzüge seiner Geburt und durch seine persönlichen Verdienste zum Könige von Polen ausersehn zu sein, wenn es überhaupt in Napoléons Plänen lag, ein Polenreich wieder aufzurichten. Daß dies nicht seine Absicht sei, hatte er eben sowohl im Jahre 1807 bei seinem Aufenthalte in Tilsit, als auch im Jahre 1812 bei seinem Hinzuge nach Rußland gezeigt. Im Tilsiter Frieden übergab er das Herzogthum Warschau seinem treuen Verbündeten, dem Könige von Sachsen, und als er im Jahre 1812 in Warschau verweilte, war keine Rede von der Wiederherstellung Polens. Vielleicht hatte Napoléon aus dem Studium der polnischen Geschichte die Ueberzeugung gewonnen, daß die Polen nicht vom Schicksal bestimmt seien, ein neues selbständiges Reich zu bilden, und da er sich ja immer für den Vollstrecker der Beschlüsse des Schicksals hielt, so war er nicht geneigt, den vielen von ihm gestifteten Reichen noch ein polnisches hinzuzufügen. Poniatowski kämpfte mit solcher Auszeichnung bei Leipzig, daß Napoléon ihn auf dem Schlachtfelde zum Marschall von Frankreich ernannte; damit war denn die letzte Aussicht auf den polnischen Thron verschwunden. Nachdem bei dem Rückzuge der Franzosen die Ranstädter Brücke zerstört war, suchte
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