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Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871].

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Zöllner entfernte sich mit einem guten Trinkgelde und sehr vielen: Kuß d'Hand, Ihr Gnaden!

Neben dieser milden Praxis bestand aber ein ganz willkührliches strenges Visitationsverfahren, nach welchem Frau von der Recke bei ihren Spazierfahrten innerhalb der Gränze von einem beliebigen, bewaffneten Zollwächter angehalten ward, der wie ein Strauchdieb seinen rothbärtigen Kopf zum Wagenfenster hineinsteckte, und auf das brutalste in böhmischer Sprache oder in unverständlichem Deutsch nach "verbottenen Objekten" fragte. Dies geschah aber nur im Anfange; nach einer Beschwerde bei der "Haupt-Maut-Kommission auf der nächsten Einbruchstation" ließ man den Wagen der fremden Gräfin überall ungehindert passiren.

Von den historischen Merkwürdigkeiten des Schlosses erfuhren wir manches interessante. Es hatte früher dem Fürsten Piccolomini gehört, der durch den Verrath an Wallenstein eine traurige Berühmtheit erlangte. Mancherlei Erinnerungen aus dem dreißigjährigen Eriege belebten die alterthümlichen Mauern. Die Gallerie enthielt mehrere gleichzeitige historische Bildnisse, die Rüstkammer zeigte die Harnische mancher bekannten Persönlichkeiten. Eine Bibliothek und ein verstaubtes Naturalienkabinet fehlten nicht. Wenn das schlechte Wetter das Ausgehn verhinderte, so konnte man sich in den langen gewölbten Korridoren Bewegung genug machen.

Alles dies und noch vieles andere, was meinem Gedächtnisse entschwunden ist, fanden wir in den anziehenden Briefen der Tante. Als im Frühjahre die Wege durch Böhmen nur irgend gangbar wurden, verließ Frau von der Recke ihre Winterresidenz Nachod, um auf die Güter

Zöllner entfernte sich mit einem guten Trinkgelde und sehr vielen: Kuß d’Hand, Ihr Gnaden!

Neben dieser milden Praxis bestand aber ein ganz willkührliches strenges Visitationsverfahren, nach welchem Frau von der Recke bei ihren Spazierfahrten innerhalb der Gränze von einem beliebigen, bewaffneten Zollwächter angehalten ward, der wie ein Strauchdieb seinen rothbärtigen Kopf zum Wagenfenster hineinsteckte, und auf das brutalste in böhmischer Sprache oder in unverständlichem Deutsch nach „verbottenen Objekten“ fragte. Dies geschah aber nur im Anfange; nach einer Beschwerde bei der „Haupt-Maut-Kommission auf der nächsten Einbruchstation“ ließ man den Wagen der fremden Gräfin überall ungehindert passiren.

Von den historischen Merkwürdigkeiten des Schlosses erfuhren wir manches interessante. Es hatte früher dem Fürsten Piccolomini gehört, der durch den Verrath an Wallenstein eine traurige Berühmtheit erlangte. Mancherlei Erinnerungen aus dem dreißigjährigen Eriege belebten die alterthümlichen Mauern. Die Gallerie enthielt mehrere gleichzeitige historische Bildnisse, die Rüstkammer zeigte die Harnische mancher bekannten Persönlichkeiten. Eine Bibliothek und ein verstaubtes Naturalienkabinet fehlten nicht. Wenn das schlechte Wetter das Ausgehn verhinderte, so konnte man sich in den langen gewölbten Korridoren Bewegung genug machen.

Alles dies und noch vieles andere, was meinem Gedächtnisse entschwunden ist, fanden wir in den anziehenden Briefen der Tante. Als im Frühjahre die Wege durch Böhmen nur irgend gangbar wurden, verließ Frau von der Recke ihre Winterresidenz Nachod, um auf die Güter

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[428/0440] Zöllner entfernte sich mit einem guten Trinkgelde und sehr vielen: Kuß d’Hand, Ihr Gnaden! Neben dieser milden Praxis bestand aber ein ganz willkührliches strenges Visitationsverfahren, nach welchem Frau von der Recke bei ihren Spazierfahrten innerhalb der Gränze von einem beliebigen, bewaffneten Zollwächter angehalten ward, der wie ein Strauchdieb seinen rothbärtigen Kopf zum Wagenfenster hineinsteckte, und auf das brutalste in böhmischer Sprache oder in unverständlichem Deutsch nach „verbottenen Objekten“ fragte. Dies geschah aber nur im Anfange; nach einer Beschwerde bei der „Haupt-Maut-Kommission auf der nächsten Einbruchstation“ ließ man den Wagen der fremden Gräfin überall ungehindert passiren. Von den historischen Merkwürdigkeiten des Schlosses erfuhren wir manches interessante. Es hatte früher dem Fürsten Piccolomini gehört, der durch den Verrath an Wallenstein eine traurige Berühmtheit erlangte. Mancherlei Erinnerungen aus dem dreißigjährigen Eriege belebten die alterthümlichen Mauern. Die Gallerie enthielt mehrere gleichzeitige historische Bildnisse, die Rüstkammer zeigte die Harnische mancher bekannten Persönlichkeiten. Eine Bibliothek und ein verstaubtes Naturalienkabinet fehlten nicht. Wenn das schlechte Wetter das Ausgehn verhinderte, so konnte man sich in den langen gewölbten Korridoren Bewegung genug machen. Alles dies und noch vieles andere, was meinem Gedächtnisse entschwunden ist, fanden wir in den anziehenden Briefen der Tante. Als im Frühjahre die Wege durch Böhmen nur irgend gangbar wurden, verließ Frau von der Recke ihre Winterresidenz Nachod, um auf die Güter

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Zitationshilfe: Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871], S. 428. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen01_1871/440>, abgerufen am 22.11.2024.