Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871].unser verehrter Turnvater Jahn im Felde benommen, wollte er anfangs nicht recht mit der Sprache heraus, mußte mir indessen bald gestehn, daß Jahn den hohen, von ihm gehegten Erwartungen nicht entsprochen habe. Daß ihm weder taktisches noch strategisches Talent beiwohne, mochte man ihm gern zu Gute halten: denn dergleichen Fähigkeiten sind angeboren; sie lassen sich nicht erlernen. Weit bedenklicher schien die Bemerkung, daß er, wenn es galt, frisch in's Feuer zu marschiren, nicht immer gleich bei der Hand war. Seinen polternden Ton kannten seine freiwilligen Jäger schon vom Turnplatze her, aber sein übermäßiges Raisonniren und Schimpfen auf alles, was ihm nicht recht war, mußte unausbleiblich dahin führen, die moralische Achtung vor ihm zu verringern. Zu den willkommenen Gästen im großen Garten gehörten auch die beiden Söhne des Onkels Kaiser, Eduard und Julius. Der erste hatte bei den Dragonern gestanden, und nahm nun seine frühere Beschäftigung als Landwirth wieder auf. Wir liebten den kleinen untersetzten Vetter zärtlich wegen seines freundlich-gemüthlichen Wesens. Er gehörte zu denen, die langsam und ohne Enthusiasmus, aber mit einem gewissen Humor und mit stehenden Redensarten erzählen. In der Schlacht bei Dennewitz wurde ihm das Pferd unter dem Leibe erschossen; "da hatte ich das Vergnügen", sagte er ganz ruhig, "meinen Mantelsack und das schwere Sattelzeug eine ganze Strecke zurückzuschleppen!" Ein ander Mal wurde er als Ordonnanz quer über das Schlachtfeld geschickt. "Die blauen Bohnen pfiffen ganz artig um mich herum, aber ich kam durch; zuletzt machten noch drei französische Chasseurs Jagd auf mich, aber mein Pferd war frischer, und bald mußten unser verehrter Turnvater Jahn im Felde benommen, wollte er anfangs nicht recht mit der Sprache heraus, mußte mir indessen bald gestehn, daß Jahn den hohen, von ihm gehegten Erwartungen nicht entsprochen habe. Daß ihm weder taktisches noch strategisches Talent beiwohne, mochte man ihm gern zu Gute halten: denn dergleichen Fähigkeiten sind angeboren; sie lassen sich nicht erlernen. Weit bedenklicher schien die Bemerkung, daß er, wenn es galt, frisch in’s Feuer zu marschiren, nicht immer gleich bei der Hand war. Seinen polternden Ton kannten seine freiwilligen Jäger schon vom Turnplatze her, aber sein übermäßiges Raisonniren und Schimpfen auf alles, was ihm nicht recht war, mußte unausbleiblich dahin führen, die moralische Achtung vor ihm zu verringern. Zu den willkommenen Gästen im großen Garten gehörten auch die beiden Söhne des Onkels Kaiser, Eduard und Julius. Der erste hatte bei den Dragonern gestanden, und nahm nun seine frühere Beschäftigung als Landwirth wieder auf. Wir liebten den kleinen untersetzten Vetter zärtlich wegen seines freundlich-gemüthlichen Wesens. Er gehörte zu denen, die langsam und ohne Enthusiasmus, aber mit einem gewissen Humor und mit stehenden Redensarten erzählen. In der Schlacht bei Dennewitz wurde ihm das Pferd unter dem Leibe erschossen; „da hatte ich das Vergnügen“, sagte er ganz ruhig, „meinen Mantelsack und das schwere Sattelzeug eine ganze Strecke zurückzuschleppen!“ Ein ander Mal wurde er als Ordonnanz quer über das Schlachtfeld geschickt. „Die blauen Bohnen pfiffen ganz artig um mich herum, aber ich kam durch; zuletzt machten noch drei französische Chasseurs Jagd auf mich, aber mein Pferd war frischer, und bald mußten <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div> <p><pb facs="#f0449" n="437"/> unser verehrter Turnvater Jahn im Felde benommen, wollte er anfangs nicht recht mit der Sprache heraus, mußte mir indessen bald gestehn, daß Jahn den hohen, von ihm gehegten Erwartungen nicht entsprochen habe. Daß ihm weder taktisches noch strategisches Talent beiwohne, mochte man ihm gern zu Gute halten: denn dergleichen Fähigkeiten sind angeboren; sie lassen sich nicht erlernen. Weit bedenklicher schien die Bemerkung, daß er, wenn es galt, frisch in’s Feuer zu marschiren, nicht immer gleich bei der Hand war. Seinen polternden Ton kannten seine freiwilligen Jäger schon vom Turnplatze her, aber sein übermäßiges Raisonniren und Schimpfen auf alles, was ihm nicht recht war, mußte unausbleiblich dahin führen, die moralische Achtung vor ihm zu verringern.</p><lb/> <p>Zu den willkommenen Gästen im großen Garten gehörten auch die beiden Söhne des Onkels Kaiser, Eduard und Julius. Der erste hatte bei den Dragonern gestanden, und nahm nun seine frühere Beschäftigung als Landwirth wieder auf. Wir liebten den kleinen untersetzten Vetter zärtlich wegen seines freundlich-gemüthlichen Wesens. Er gehörte zu denen, die langsam und ohne Enthusiasmus, aber mit einem gewissen Humor und mit stehenden Redensarten erzählen. In der Schlacht bei Dennewitz wurde ihm das Pferd unter dem Leibe erschossen; „da hatte ich das Vergnügen“, sagte er ganz ruhig, „meinen Mantelsack und das schwere Sattelzeug eine ganze Strecke zurückzuschleppen!“ Ein ander Mal wurde er als Ordonnanz quer über das Schlachtfeld geschickt. „Die blauen Bohnen pfiffen ganz artig um mich herum, aber ich kam durch; zuletzt machten noch drei französische Chasseurs Jagd auf mich, aber mein Pferd war frischer, und bald mußten </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [437/0449]
unser verehrter Turnvater Jahn im Felde benommen, wollte er anfangs nicht recht mit der Sprache heraus, mußte mir indessen bald gestehn, daß Jahn den hohen, von ihm gehegten Erwartungen nicht entsprochen habe. Daß ihm weder taktisches noch strategisches Talent beiwohne, mochte man ihm gern zu Gute halten: denn dergleichen Fähigkeiten sind angeboren; sie lassen sich nicht erlernen. Weit bedenklicher schien die Bemerkung, daß er, wenn es galt, frisch in’s Feuer zu marschiren, nicht immer gleich bei der Hand war. Seinen polternden Ton kannten seine freiwilligen Jäger schon vom Turnplatze her, aber sein übermäßiges Raisonniren und Schimpfen auf alles, was ihm nicht recht war, mußte unausbleiblich dahin führen, die moralische Achtung vor ihm zu verringern.
Zu den willkommenen Gästen im großen Garten gehörten auch die beiden Söhne des Onkels Kaiser, Eduard und Julius. Der erste hatte bei den Dragonern gestanden, und nahm nun seine frühere Beschäftigung als Landwirth wieder auf. Wir liebten den kleinen untersetzten Vetter zärtlich wegen seines freundlich-gemüthlichen Wesens. Er gehörte zu denen, die langsam und ohne Enthusiasmus, aber mit einem gewissen Humor und mit stehenden Redensarten erzählen. In der Schlacht bei Dennewitz wurde ihm das Pferd unter dem Leibe erschossen; „da hatte ich das Vergnügen“, sagte er ganz ruhig, „meinen Mantelsack und das schwere Sattelzeug eine ganze Strecke zurückzuschleppen!“ Ein ander Mal wurde er als Ordonnanz quer über das Schlachtfeld geschickt. „Die blauen Bohnen pfiffen ganz artig um mich herum, aber ich kam durch; zuletzt machten noch drei französische Chasseurs Jagd auf mich, aber mein Pferd war frischer, und bald mußten
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Zitationshilfe: | Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871], S. 437. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen01_1871/449>, abgerufen am 16.07.2024. |