Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871].liegen, die meine Neugier auf's höchste reizten. Sie waren in gepreßtes Leder gebunden, und mit einer feinen goldnen Borte oder Schnur eingefaßt, die oben am Rücken eine Oese bildete. Ich erfuhr, dies seien die sogenannten Brelockenkalender, die man neben den Petschaften an der Uhrkette getragen. Nicolai hatte sie in der Zeit des siebenjährigen Krieges anfertigen lassen, und damit einen ganz unglaublichen Erfolg erzielt. Der Ertrag des Geschäftes soll sich auf mehr als 6000 Thaler belaufen haben. Die Büchlein enthielten neben kleinen Kupfern einige Verse auf den König, auf die Generale Ziethen, Seydlitz, Winterfeldt etc. Jeder patriotische Preuße mußte einen solchen Brelockenkalender besitzen; der Absatz ging in die Tausende. Die feinen Goldborten konnten damals nur in Nürnberg angefertigt werden. Nicolai verschrieb sie in großen Quantitäten, und vertheilte sie zu Hunderten von Ellen an die Buchbinder. Da geschah es nun, daß ein Buchbinder in der Spreegasse den Grosvater zu Gevatter bat. Als dieser während der heiligen Handlung auf den Täufling in seinen Armen niederblickte, bemerkte er, wie das Festmützchen des Kleinen mit der goldnen Kalenderborte eingefaßt war. Zwei Exemplare dieses Nicolaischen Verlagswerkes, das jetzt wohl zu den allergrösten bibliographischen Seltenheiten gehören mag, haben sich in meinem Besitze erhalten, beide aus dem Friedensjahre 1763. Das eine beginnt Es blühe unser Vaterland Durch Friedrich, Heinrich, Ferdinand! Das andere Vergnügt euch, das ist genug. Wir leben kurze Zeit, Und sind noch kürzer jung. liegen, die meine Neugier auf’s höchste reizten. Sie waren in gepreßtes Leder gebunden, und mit einer feinen goldnen Borte oder Schnur eingefaßt, die oben am Rücken eine Oese bildete. Ich erfuhr, dies seien die sogenannten Brelockenkalender, die man neben den Petschaften an der Uhrkette getragen. Nicolai hatte sie in der Zeit des siebenjährigen Krieges anfertigen lassen, und damit einen ganz unglaublichen Erfolg erzielt. Der Ertrag des Geschäftes soll sich auf mehr als 6000 Thaler belaufen haben. Die Büchlein enthielten neben kleinen Kupfern einige Verse auf den König, auf die Generale Ziethen, Seydlitz, Winterfeldt etc. Jeder patriotische Preuße mußte einen solchen Brelockenkalender besitzen; der Absatz ging in die Tausende. Die feinen Goldborten konnten damals nur in Nürnberg angefertigt werden. Nicolai verschrieb sie in großen Quantitäten, und vertheilte sie zu Hunderten von Ellen an die Buchbinder. Da geschah es nun, daß ein Buchbinder in der Spreegasse den Grosvater zu Gevatter bat. Als dieser während der heiligen Handlung auf den Täufling in seinen Armen niederblickte, bemerkte er, wie das Festmützchen des Kleinen mit der goldnen Kalenderborte eingefaßt war. Zwei Exemplare dieses Nicolaischen Verlagswerkes, das jetzt wohl zu den allergrösten bibliographischen Seltenheiten gehören mag, haben sich in meinem Besitze erhalten, beide aus dem Friedensjahre 1763. Das eine beginnt Es blühe unser Vaterland Durch Friedrich, Heinrich, Ferdinand! Das andere Vergnügt euch, das ist genug. Wir leben kurze Zeit, Und sind noch kürzer jung. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="1"> <p><pb facs="#f0066" n="54"/> liegen, die meine Neugier auf’s höchste reizten. Sie waren in gepreßtes Leder gebunden, und mit einer feinen goldnen Borte oder Schnur eingefaßt, die oben am Rücken eine Oese bildete. Ich erfuhr, dies seien die sogenannten Brelockenkalender, die man neben den Petschaften an der Uhrkette getragen. Nicolai hatte sie in der Zeit des siebenjährigen Krieges anfertigen lassen, und damit einen ganz unglaublichen Erfolg erzielt. Der Ertrag des Geschäftes soll sich auf mehr als 6000 Thaler belaufen haben. Die Büchlein enthielten neben kleinen Kupfern einige Verse auf den König, auf die Generale Ziethen, Seydlitz, Winterfeldt etc. Jeder patriotische Preuße mußte einen solchen Brelockenkalender besitzen; der Absatz ging in die Tausende. Die feinen Goldborten konnten damals nur in Nürnberg angefertigt werden. Nicolai verschrieb sie in großen Quantitäten, und vertheilte sie zu Hunderten von Ellen an die Buchbinder. Da geschah es nun, daß ein Buchbinder in der Spreegasse den Grosvater zu Gevatter bat. Als dieser während der heiligen Handlung auf den Täufling in seinen Armen niederblickte, bemerkte er, wie das Festmützchen des Kleinen mit der goldnen Kalenderborte eingefaßt war. Zwei Exemplare dieses Nicolaischen Verlagswerkes, das jetzt wohl zu den allergrösten bibliographischen Seltenheiten gehören mag, haben sich in meinem Besitze erhalten, beide aus dem Friedensjahre 1763. 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liegen, die meine Neugier auf’s höchste reizten. Sie waren in gepreßtes Leder gebunden, und mit einer feinen goldnen Borte oder Schnur eingefaßt, die oben am Rücken eine Oese bildete. Ich erfuhr, dies seien die sogenannten Brelockenkalender, die man neben den Petschaften an der Uhrkette getragen. Nicolai hatte sie in der Zeit des siebenjährigen Krieges anfertigen lassen, und damit einen ganz unglaublichen Erfolg erzielt. Der Ertrag des Geschäftes soll sich auf mehr als 6000 Thaler belaufen haben. Die Büchlein enthielten neben kleinen Kupfern einige Verse auf den König, auf die Generale Ziethen, Seydlitz, Winterfeldt etc. Jeder patriotische Preuße mußte einen solchen Brelockenkalender besitzen; der Absatz ging in die Tausende. Die feinen Goldborten konnten damals nur in Nürnberg angefertigt werden. Nicolai verschrieb sie in großen Quantitäten, und vertheilte sie zu Hunderten von Ellen an die Buchbinder. Da geschah es nun, daß ein Buchbinder in der Spreegasse den Grosvater zu Gevatter bat. Als dieser während der heiligen Handlung auf den Täufling in seinen Armen niederblickte, bemerkte er, wie das Festmützchen des Kleinen mit der goldnen Kalenderborte eingefaßt war. Zwei Exemplare dieses Nicolaischen Verlagswerkes, das jetzt wohl zu den allergrösten bibliographischen Seltenheiten gehören mag, haben sich in meinem Besitze erhalten, beide aus dem Friedensjahre 1763. Das eine beginnt
Es blühe unser Vaterland
Durch Friedrich, Heinrich, Ferdinand!
Das andere
Vergnügt euch, das ist genug.
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