Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871].werden. Der Dienst ward so lässig als möglich betrieben, und jener Vetter, der anfangs vielen Eifer zeigte, war endlich sehr froh, durch irgend eine Fürsprache daraus zurücktreten zu können. Napoleon hatte sich im K. Schlosse eingerichtet, und bald erfuhr man, daß ein kaiserlicher Kommissarius, Namens Denon angekommen sei, um die besten Bilder der K. Sammlung auszusuchen und fortzuschaffen; auch die schönsten geschnittenen Steine und antiken Münzen, welche eben so wie die Bilder bis dahin als ein Privateigenthum des Fürsten betrachtet wurden, mußten nach Paris wandern. Aus Potsdam nahm man den Degen Friedrichs II. von seinem Sarge in der Garnisonkirche. Dies niedrige Raubsystem, das von den Franzosen in allen besiegten Ländern geübt ward, erregte in Berlin den grösten Unwillen. Noch mehr steigerte sich die Erbitterung, als auf des Kaisers Befehl die Victoria vom Brandenburger Thor abgenommen wurde, um irgendwo in der feindlichen Hauptstadt aufgestellt zu werden. Mit innerem Grimme sahen die Bürger der schwierigen Arbeit des Abnehmens zu. Der Grosvater Eichmann stand gerade dabei, als eines der vier Pferde herabgelassen ward, und hörte ein Hökerweib im Weggehen sagen: da hat der Schinder wieder ein Pferd geholt! Während seines Aufenthaltes in Berlin hielt Napoleon sehr oft Musterung über die kaiserlichen Garden vor dem Schlosse. Er selbst stand in der Ecke des Platzes bei der Schloßapotheke und ließ einzelne Abtheilungen vorbeimarschiren oder ging durch die Reihen. Die beiden Seiten des Platzes gegen die Schloßfreiheit und den Lustgarten hin, wo die Zuschauer stehn konnten, waren durch werden. Der Dienst ward so lässig als möglich betrieben, und jener Vetter, der anfangs vielen Eifer zeigte, war endlich sehr froh, durch irgend eine Fürsprache daraus zurücktreten zu können. Napoléon hatte sich im K. Schlosse eingerichtet, und bald erfuhr man, daß ein kaiserlicher Kommissarius, Namens Denon angekommen sei, um die besten Bilder der K. Sammlung auszusuchen und fortzuschaffen; auch die schönsten geschnittenen Steine und antiken Münzen, welche eben so wie die Bilder bis dahin als ein Privateigenthum des Fürsten betrachtet wurden, mußten nach Paris wandern. Aus Potsdam nahm man den Degen Friedrichs II. von seinem Sarge in der Garnisonkirche. Dies niedrige Raubsystem, das von den Franzosen in allen besiegten Ländern geübt ward, erregte in Berlin den grösten Unwillen. Noch mehr steigerte sich die Erbitterung, als auf des Kaisers Befehl die Victoria vom Brandenburger Thor abgenommen wurde, um irgendwo in der feindlichen Hauptstadt aufgestellt zu werden. Mit innerem Grimme sahen die Bürger der schwierigen Arbeit des Abnehmens zu. Der Grosvater Eichmann stand gerade dabei, als eines der vier Pferde herabgelassen ward, und hörte ein Hökerweib im Weggehen sagen: da hat der Schinder wieder ein Pferd geholt! Während seines Aufenthaltes in Berlin hielt Napoléon sehr oft Musterung über die kaiserlichen Garden vor dem Schlosse. Er selbst stand in der Ecke des Platzes bei der Schloßapotheke und ließ einzelne Abtheilungen vorbeimarschiren oder ging durch die Reihen. Die beiden Seiten des Platzes gegen die Schloßfreiheit und den Lustgarten hin, wo die Zuschauer stehn konnten, waren durch <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="1"> <p><pb facs="#f0088" n="76"/> werden. Der Dienst ward so lässig als möglich betrieben, und jener Vetter, der anfangs vielen Eifer zeigte, war endlich sehr froh, durch irgend eine Fürsprache daraus zurücktreten zu können. </p><lb/> <p>Napoléon hatte sich im K. 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Der Grosvater Eichmann stand gerade dabei, als eines der vier Pferde herabgelassen ward, und hörte ein Hökerweib im Weggehen sagen: da hat der Schinder wieder ein Pferd geholt! </p><lb/> <p>Während seines Aufenthaltes in Berlin hielt Napoléon sehr oft Musterung über die kaiserlichen Garden vor dem Schlosse. Er selbst stand in der Ecke des Platzes bei der Schloßapotheke und ließ einzelne Abtheilungen vorbeimarschiren oder ging durch die Reihen. Die beiden Seiten des Platzes gegen die Schloßfreiheit und den Lustgarten hin, wo die Zuschauer stehn konnten, waren durch </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [76/0088]
werden. Der Dienst ward so lässig als möglich betrieben, und jener Vetter, der anfangs vielen Eifer zeigte, war endlich sehr froh, durch irgend eine Fürsprache daraus zurücktreten zu können.
Napoléon hatte sich im K. Schlosse eingerichtet, und bald erfuhr man, daß ein kaiserlicher Kommissarius, Namens Denon angekommen sei, um die besten Bilder der K. Sammlung auszusuchen und fortzuschaffen; auch die schönsten geschnittenen Steine und antiken Münzen, welche eben so wie die Bilder bis dahin als ein Privateigenthum des Fürsten betrachtet wurden, mußten nach Paris wandern. Aus Potsdam nahm man den Degen Friedrichs II. von seinem Sarge in der Garnisonkirche.
Dies niedrige Raubsystem, das von den Franzosen in allen besiegten Ländern geübt ward, erregte in Berlin den grösten Unwillen. Noch mehr steigerte sich die Erbitterung, als auf des Kaisers Befehl die Victoria vom Brandenburger Thor abgenommen wurde, um irgendwo in der feindlichen Hauptstadt aufgestellt zu werden. Mit innerem Grimme sahen die Bürger der schwierigen Arbeit des Abnehmens zu. Der Grosvater Eichmann stand gerade dabei, als eines der vier Pferde herabgelassen ward, und hörte ein Hökerweib im Weggehen sagen: da hat der Schinder wieder ein Pferd geholt!
Während seines Aufenthaltes in Berlin hielt Napoléon sehr oft Musterung über die kaiserlichen Garden vor dem Schlosse. Er selbst stand in der Ecke des Platzes bei der Schloßapotheke und ließ einzelne Abtheilungen vorbeimarschiren oder ging durch die Reihen. Die beiden Seiten des Platzes gegen die Schloßfreiheit und den Lustgarten hin, wo die Zuschauer stehn konnten, waren durch
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Zitationshilfe: | Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871], S. 76. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen01_1871/88>, abgerufen am 16.02.2025. |