Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871].rer in der französischen Stunde befragt, und so prägten sich die Redensarten dem Gedächtnisse ein. In der Schule lernte ich alle die Leiden und Schmerzen kennen, die durch die moderne Civilisation von dem Jugendunterrichte unzertrennlich geworden sind, und von einem blöden, schwächlichen Knaben doppelt empfunden wurden. Doch da ich leicht lernte und mich gut aufführte, so rückte ich rasch vorwärts. Unter den Lehrern stand der Vorsteher, Professor August Hartung, eine würdevoll-freundliche Erscheinung, oben an. Er wurde von den heranwachsenden Knaben wie ein Wesen höherer Art verehrt: denn sie sahen in ihm nicht nur den Inbegriff aller menschlichen Gelehrsamkeit, sondern auch das Ideal der höchsten sittlichen Vollkommenheit. Seine tönende Baßstimme dringt mir noch bis ans Herz; er konnte sie zu den sanftesten Modulationen mäßigen, aber auch, wenn es nöthig war, wie Donner erschallen lassen. Da er ein geübter Sänger war, so gehörte seine Schule zu den ersten, wo der Gesangunterricht eingeführt ward. Wir lernten aber nicht die Noten kennen, sondern der Lehrer spielte auf einer Geige die Melodie, welche bald von der ganzen Klasse unisono wiederholt wurde. Mit sichtbarem Behagen erzählte der Professor Hartung, daß Fasch, der Director der Singakademie, in einem hochberühmten Tonstücke, einer 16stimmigen Messe, ein kleines Baß-Solo eigens für ihn gesetzt habe. Seine Stimme hatte das eigenthümliche, daß sie, ohne besonders schön oder ausdrucksvoll zu sein, alle andern Stimmen übertönte. Bei den Aufführungen in der Singakademie wußten wir ganz genau, ob er mitsinge oder nicht. Sein Organ hatte die specifische Kraft, rer in der französischen Stunde befragt, und so prägten sich die Redensarten dem Gedächtnisse ein. In der Schule lernte ich alle die Leiden und Schmerzen kennen, die durch die moderne Civilisation von dem Jugendunterrichte unzertrennlich geworden sind, und von einem blöden, schwächlichen Knaben doppelt empfunden wurden. Doch da ich leicht lernte und mich gut aufführte, so rückte ich rasch vorwärts. Unter den Lehrern stand der Vorsteher, Professor August Hartung, eine würdevoll-freundliche Erscheinung, oben an. Er wurde von den heranwachsenden Knaben wie ein Wesen höherer Art verehrt: denn sie sahen in ihm nicht nur den Inbegriff aller menschlichen Gelehrsamkeit, sondern auch das Ideal der höchsten sittlichen Vollkommenheit. Seine tönende Baßstimme dringt mir noch bis ans Herz; er konnte sie zu den sanftesten Modulationen mäßigen, aber auch, wenn es nöthig war, wie Donner erschallen lassen. Da er ein geübter Sänger war, so gehörte seine Schule zu den ersten, wo der Gesangunterricht eingeführt ward. Wir lernten aber nicht die Noten kennen, sondern der Lehrer spielte auf einer Geige die Melodie, welche bald von der ganzen Klasse unisono wiederholt wurde. Mit sichtbarem Behagen erzählte der Professor Hartung, daß Fasch, der Director der Singakademie, in einem hochberühmten Tonstücke, einer 16stimmigen Messe, ein kleines Baß-Solo eigens für ihn gesetzt habe. Seine Stimme hatte das eigenthümliche, daß sie, ohne besonders schön oder ausdrucksvoll zu sein, alle andern Stimmen übertönte. Bei den Aufführungen in der Singakademie wußten wir ganz genau, ob er mitsinge oder nicht. 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Seine tönende Baßstimme dringt mir noch bis ans Herz; er konnte sie zu den sanftesten Modulationen mäßigen, aber auch, wenn es nöthig war, wie Donner erschallen lassen. Da er ein geübter Sänger war, so gehörte seine Schule zu den ersten, wo der Gesangunterricht eingeführt ward. Wir lernten aber nicht die Noten kennen, sondern der Lehrer spielte auf einer Geige die Melodie, welche bald von der ganzen Klasse unisono wiederholt wurde. Mit sichtbarem Behagen erzählte der Professor Hartung, daß Fasch, der Director der Singakademie, in einem hochberühmten Tonstücke, einer 16stimmigen Messe, ein kleines Baß-Solo eigens für ihn gesetzt habe. Seine Stimme hatte das eigenthümliche, daß sie, ohne besonders schön oder ausdrucksvoll zu sein, alle andern Stimmen übertönte. Bei den Aufführungen in der Singakademie wußten wir ganz genau, ob er mitsinge oder nicht. Sein Organ hatte die specifische Kraft, </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [83/0095]
rer in der französischen Stunde befragt, und so prägten sich die Redensarten dem Gedächtnisse ein.
In der Schule lernte ich alle die Leiden und Schmerzen kennen, die durch die moderne Civilisation von dem Jugendunterrichte unzertrennlich geworden sind, und von einem blöden, schwächlichen Knaben doppelt empfunden wurden. Doch da ich leicht lernte und mich gut aufführte, so rückte ich rasch vorwärts.
Unter den Lehrern stand der Vorsteher, Professor August Hartung, eine würdevoll-freundliche Erscheinung, oben an. Er wurde von den heranwachsenden Knaben wie ein Wesen höherer Art verehrt: denn sie sahen in ihm nicht nur den Inbegriff aller menschlichen Gelehrsamkeit, sondern auch das Ideal der höchsten sittlichen Vollkommenheit. Seine tönende Baßstimme dringt mir noch bis ans Herz; er konnte sie zu den sanftesten Modulationen mäßigen, aber auch, wenn es nöthig war, wie Donner erschallen lassen. Da er ein geübter Sänger war, so gehörte seine Schule zu den ersten, wo der Gesangunterricht eingeführt ward. Wir lernten aber nicht die Noten kennen, sondern der Lehrer spielte auf einer Geige die Melodie, welche bald von der ganzen Klasse unisono wiederholt wurde. Mit sichtbarem Behagen erzählte der Professor Hartung, daß Fasch, der Director der Singakademie, in einem hochberühmten Tonstücke, einer 16stimmigen Messe, ein kleines Baß-Solo eigens für ihn gesetzt habe. Seine Stimme hatte das eigenthümliche, daß sie, ohne besonders schön oder ausdrucksvoll zu sein, alle andern Stimmen übertönte. Bei den Aufführungen in der Singakademie wußten wir ganz genau, ob er mitsinge oder nicht. Sein Organ hatte die specifische Kraft,
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