Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871].sam wettlaufend, vergeblich angesetzt hatten, die Urania ganz durchzulesen. Göthe sagt darüber: er halte es für überflüssig, das Dasein Gottes und die Unsterblichkeit zu beweisen, da man so viel anderes nothwendigeres auf der Welt zu thun habe. Der große Erfolg, den die Urania am Ende des 18. Jahrhunderts in Deutschland erlangte, beruht hauptsächlich auf der Harmonie der Klänge, der nicht leicht ein empfängliches Ohr sich verschließen kann, auf dem Wohllaute des rhythmischen Ganges und dem durchweg musikalischen Baue der Verse. Dies fühlte der Musiker Zelter deutlich genug, als er an Göthe schrieb: Wie eine solche Gedankenarmuth manchmal zu einem schönen Verse kömmt! Frau von der Recke hatte Tiedgen in Halle kennen gelernt, als sie im Jahre 1804 ihrer Gesundheit wegen nach den Bädern von Ischia gehn wollte. Tiedge schloß sich dieser Reise an, und seitdem lebten die beiden Seelenverwandten in unzertrennlicher Freundschaft, ohne daß jemals der leiseste Verdacht einer unlauteren Verbindung an Elisas sittliche Höhe hinanreichen konnte. Tiedges Urania hatte gleich bei ihrem ersten Erscheinen an Frau von der Recke die unbedingteste Verehrerin gefunden. Sie hielt dies Gedicht für die vollkommenste Schöpfung der deutschen Poesie, sie besaß es in verschiedenen Ausgaben und in mehreren Exemplaren. Sie ward nicht müde, dasselbe mit immer neuem Genusse durchzulesen. So wie andre fromme Seelen zur Erbauung in der Bibel oder im Gesangbuche lesen, so begann sie morgens ihr Tagewerk mit einem Gesange aus der Urania. Ich sah später in Heidelberg bei ihrem Neffen, dem Grafen Paul von Medem sam wettlaufend, vergeblich angesetzt hatten, die Urania ganz durchzulesen. Göthe sagt darüber: er halte es für überflüssig, das Dasein Gottes und die Unsterblichkeit zu beweisen, da man so viel anderes nothwendigeres auf der Welt zu thun habe. Der große Erfolg, den die Urania am Ende des 18. Jahrhunderts in Deutschland erlangte, beruht hauptsächlich auf der Harmonie der Klänge, der nicht leicht ein empfängliches Ohr sich verschließen kann, auf dem Wohllaute des rhythmischen Ganges und dem durchweg musikalischen Baue der Verse. Dies fühlte der Musiker Zelter deutlich genug, als er an Göthe schrieb: Wie eine solche Gedankenarmuth manchmal zu einem schönen Verse kömmt! Frau von der Recke hatte Tiedgen in Halle kennen gelernt, als sie im Jahre 1804 ihrer Gesundheit wegen nach den Bädern von Ischia gehn wollte. Tiedge schloß sich dieser Reise an, und seitdem lebten die beiden Seelenverwandten in unzertrennlicher Freundschaft, ohne daß jemals der leiseste Verdacht einer unlauteren Verbindung an Elisas sittliche Höhe hinanreichen konnte. Tiedges Urania hatte gleich bei ihrem ersten Erscheinen an Frau von der Recke die unbedingteste Verehrerin gefunden. Sie hielt dies Gedicht für die vollkommenste Schöpfung der deutschen Poesie, sie besaß es in verschiedenen Ausgaben und in mehreren Exemplaren. Sie ward nicht müde, dasselbe mit immer neuem Genusse durchzulesen. So wie andre fromme Seelen zur Erbauung in der Bibel oder im Gesangbuche lesen, so begann sie morgens ihr Tagewerk mit einem Gesange aus der Urania. Ich sah später in Heidelberg bei ihrem Neffen, dem Grafen Paul von Medem <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0010" n="2"/> sam wettlaufend, vergeblich angesetzt hatten, die Urania ganz durchzulesen. Göthe sagt darüber: er halte es für überflüssig, das Dasein Gottes und die Unsterblichkeit zu beweisen, da man so viel anderes nothwendigeres auf der Welt zu thun habe. </p><lb/> <p>Der große Erfolg, den die Urania am Ende des 18. Jahrhunderts in Deutschland erlangte, beruht hauptsächlich auf der Harmonie der Klänge, der nicht leicht ein empfängliches Ohr sich verschließen kann, auf dem Wohllaute des rhythmischen Ganges und dem durchweg musikalischen Baue der Verse. Dies fühlte der Musiker Zelter deutlich genug, als er an Göthe schrieb: Wie eine solche Gedankenarmuth manchmal zu einem schönen Verse kömmt! </p><lb/> <p>Frau von der Recke hatte Tiedgen in Halle kennen gelernt, als sie im Jahre 1804 ihrer Gesundheit wegen nach den Bädern von Ischia gehn wollte. Tiedge schloß sich dieser Reise an, und seitdem lebten die beiden Seelenverwandten in unzertrennlicher Freundschaft, ohne daß jemals der leiseste Verdacht einer unlauteren Verbindung an Elisas sittliche Höhe hinanreichen konnte. Tiedges Urania hatte gleich bei ihrem ersten Erscheinen an Frau von der Recke die unbedingteste Verehrerin gefunden. Sie hielt dies Gedicht für die vollkommenste Schöpfung der deutschen Poesie, sie besaß es in verschiedenen Ausgaben und in mehreren Exemplaren. Sie ward nicht müde, dasselbe mit immer neuem Genusse durchzulesen. So wie andre fromme Seelen zur Erbauung in der Bibel oder im Gesangbuche lesen, so begann sie morgens ihr Tagewerk mit einem Gesange aus der Urania. Ich sah später in Heidelberg bei ihrem Neffen, dem Grafen Paul von Medem </p> </div> </body> </text> </TEI> [2/0010]
sam wettlaufend, vergeblich angesetzt hatten, die Urania ganz durchzulesen. Göthe sagt darüber: er halte es für überflüssig, das Dasein Gottes und die Unsterblichkeit zu beweisen, da man so viel anderes nothwendigeres auf der Welt zu thun habe.
Der große Erfolg, den die Urania am Ende des 18. Jahrhunderts in Deutschland erlangte, beruht hauptsächlich auf der Harmonie der Klänge, der nicht leicht ein empfängliches Ohr sich verschließen kann, auf dem Wohllaute des rhythmischen Ganges und dem durchweg musikalischen Baue der Verse. Dies fühlte der Musiker Zelter deutlich genug, als er an Göthe schrieb: Wie eine solche Gedankenarmuth manchmal zu einem schönen Verse kömmt!
Frau von der Recke hatte Tiedgen in Halle kennen gelernt, als sie im Jahre 1804 ihrer Gesundheit wegen nach den Bädern von Ischia gehn wollte. Tiedge schloß sich dieser Reise an, und seitdem lebten die beiden Seelenverwandten in unzertrennlicher Freundschaft, ohne daß jemals der leiseste Verdacht einer unlauteren Verbindung an Elisas sittliche Höhe hinanreichen konnte. Tiedges Urania hatte gleich bei ihrem ersten Erscheinen an Frau von der Recke die unbedingteste Verehrerin gefunden. Sie hielt dies Gedicht für die vollkommenste Schöpfung der deutschen Poesie, sie besaß es in verschiedenen Ausgaben und in mehreren Exemplaren. Sie ward nicht müde, dasselbe mit immer neuem Genusse durchzulesen. So wie andre fromme Seelen zur Erbauung in der Bibel oder im Gesangbuche lesen, so begann sie morgens ihr Tagewerk mit einem Gesange aus der Urania. Ich sah später in Heidelberg bei ihrem Neffen, dem Grafen Paul von Medem
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