Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871].

Bild:
<< vorherige Seite

merkungen. Karl Maria von Webers glänzendes Talent war damals erst im Freischützen kund geworden; Klein tadelte daran die kurzen harten Rhythmen, die zerhackten Melodien, er behauptete, Weber mache seine Haupteffekte durch die None und Terzdecime. Zelters Mahadöh war bis dahin von uns mit wahrer Lust gesungen und gespielt worden; ich weiß, daß ich ganz entrüstet war, als Klein ihn mit einem Musketirmarsche verglich. Bald darauf sang uns Klein seinen eignen Mahadöh vor, dem wir ohne Frage die Palme vor dem Zelterschen zuerkannten. Eben so ging es mit Reichardts vielbewundertem Erlkönig. Klein war der Ansicht, die Worte des Geistes müßten nicht wie aus einem hohlen Topfe im Baß gebrummt werden, sondern wie ein feines Tönen und Klingen in der Luft schweben. Dies hatte Klein in seiner Komposition zu erreichen gesucht, und von ihm vorgetragen war sie von der grösten Wirkung. Dabei wurde indessen von den Vertheidigern der alten Schule nicht unerwähnt gelassen, daß Zelter und Reichardt nur je einen Vers komponirt, daß dagegen ein Durchkomponiren des ganzen Gedichtes, was Klein gethan, dem Musiker einen weit größeren Spielraum gestatte. Der Fischer von Klein hatte es gleich uns allen angethan, er mußte sehr oft wiederholt werden. Im Vortrage dieses schönsten aller Götheschen Lieder war Klein unübertrefflich; trotzdem daß er wenig oder gar keine Stimme besaß, so wußte er in die zauberischen Worte und in die malerische Begleitung einen eigenthümlichen Beiz zu legen. "Er singt nicht mit der Kehle, sondern mit der Seele!" sagte sehr richtig der Prediger Ritschl.

Mit meinem Vater setzte sich Klein alsbald in das

merkungen. Karl Maria von Webers glänzendes Talent war damals erst im Freischützen kund geworden; Klein tadelte daran die kurzen harten Rhythmen, die zerhackten Melodien, er behauptete, Weber mache seine Haupteffekte durch die None und Terzdecime. Zelters Mahadöh war bis dahin von uns mit wahrer Lust gesungen und gespielt worden; ich weiß, daß ich ganz entrüstet war, als Klein ihn mit einem Musketirmarsche verglich. Bald darauf sang uns Klein seinen eignen Mahadöh vor, dem wir ohne Frage die Palme vor dem Zelterschen zuerkannten. Eben so ging es mit Reichardts vielbewundertem Erlkönig. Klein war der Ansicht, die Worte des Geistes müßten nicht wie aus einem hohlen Topfe im Baß gebrummt werden, sondern wie ein feines Tönen und Klingen in der Luft schweben. Dies hatte Klein in seiner Komposition zu erreichen gesucht, und von ihm vorgetragen war sie von der grösten Wirkung. Dabei wurde indessen von den Vertheidigern der alten Schule nicht unerwähnt gelassen, daß Zelter und Reichardt nur je einen Vers komponirt, daß dagegen ein Durchkomponiren des ganzen Gedichtes, was Klein gethan, dem Musiker einen weit größeren Spielraum gestatte. Der Fischer von Klein hatte es gleich uns allen angethan, er mußte sehr oft wiederholt werden. Im Vortrage dieses schönsten aller Götheschen Lieder war Klein unübertrefflich; trotzdem daß er wenig oder gar keine Stimme besaß, so wußte er in die zauberischen Worte und in die malerische Begleitung einen eigenthümlichen Beiz zu legen. „Er singt nicht mit der Kehle, sondern mit der Seele!“ sagte sehr richtig der Prediger Ritschl.

Mit meinem Vater setzte sich Klein alsbald in das

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0201" n="193"/>
merkungen. Karl Maria von Webers glänzendes Talent war damals erst im Freischützen kund geworden; Klein tadelte daran die kurzen harten Rhythmen, die zerhackten Melodien, er behauptete, Weber mache seine Haupteffekte durch die None und Terzdecime. Zelters Mahadöh war bis dahin von uns mit wahrer Lust gesungen und gespielt worden; ich weiß, daß ich ganz entrüstet war, als Klein ihn mit einem Musketirmarsche verglich. Bald darauf sang uns Klein seinen eignen Mahadöh vor, dem wir ohne Frage die Palme vor dem Zelterschen zuerkannten. Eben so ging es mit Reichardts vielbewundertem Erlkönig. Klein war der Ansicht, die Worte des Geistes müßten nicht wie aus einem hohlen Topfe im Baß gebrummt werden, sondern wie ein feines Tönen und Klingen in der Luft schweben. Dies hatte Klein in seiner Komposition zu erreichen gesucht, und von ihm vorgetragen war sie von der grösten Wirkung. Dabei wurde indessen von den Vertheidigern der alten Schule nicht unerwähnt gelassen, daß Zelter und Reichardt nur je einen Vers komponirt, daß dagegen ein Durchkomponiren des ganzen Gedichtes, was Klein gethan, dem Musiker einen weit größeren Spielraum gestatte. Der Fischer von Klein hatte es gleich uns allen angethan, er mußte sehr oft wiederholt werden. Im Vortrage dieses schönsten aller Götheschen Lieder war Klein unübertrefflich; trotzdem daß er wenig oder gar keine Stimme besaß, so wußte er in die zauberischen Worte und in die malerische Begleitung einen eigenthümlichen Beiz zu legen. &#x201E;Er singt nicht mit der Kehle, sondern mit der Seele!&#x201C; sagte sehr richtig der Prediger Ritschl. </p><lb/>
        <p>Mit meinem Vater setzte sich Klein alsbald in das
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[193/0201] merkungen. Karl Maria von Webers glänzendes Talent war damals erst im Freischützen kund geworden; Klein tadelte daran die kurzen harten Rhythmen, die zerhackten Melodien, er behauptete, Weber mache seine Haupteffekte durch die None und Terzdecime. Zelters Mahadöh war bis dahin von uns mit wahrer Lust gesungen und gespielt worden; ich weiß, daß ich ganz entrüstet war, als Klein ihn mit einem Musketirmarsche verglich. Bald darauf sang uns Klein seinen eignen Mahadöh vor, dem wir ohne Frage die Palme vor dem Zelterschen zuerkannten. Eben so ging es mit Reichardts vielbewundertem Erlkönig. Klein war der Ansicht, die Worte des Geistes müßten nicht wie aus einem hohlen Topfe im Baß gebrummt werden, sondern wie ein feines Tönen und Klingen in der Luft schweben. Dies hatte Klein in seiner Komposition zu erreichen gesucht, und von ihm vorgetragen war sie von der grösten Wirkung. Dabei wurde indessen von den Vertheidigern der alten Schule nicht unerwähnt gelassen, daß Zelter und Reichardt nur je einen Vers komponirt, daß dagegen ein Durchkomponiren des ganzen Gedichtes, was Klein gethan, dem Musiker einen weit größeren Spielraum gestatte. Der Fischer von Klein hatte es gleich uns allen angethan, er mußte sehr oft wiederholt werden. Im Vortrage dieses schönsten aller Götheschen Lieder war Klein unübertrefflich; trotzdem daß er wenig oder gar keine Stimme besaß, so wußte er in die zauberischen Worte und in die malerische Begleitung einen eigenthümlichen Beiz zu legen. „Er singt nicht mit der Kehle, sondern mit der Seele!“ sagte sehr richtig der Prediger Ritschl. Mit meinem Vater setzte sich Klein alsbald in das

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wolfgang Virmond: Bereitstellung der Texttranskription. (2014-01-07T13:04:32Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition. (2014-01-07T13:04:32Z)
Staatsbibliothek zu Berlin – Stiftung Preußischer Kulturbesitz: Bereitstellung der Bilddigitalisate (Sign. Av 4887-1) (2014-01-07T13:04:32Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Bogensignaturen: nicht übernommen
  • Kolumnentitel: nicht übernommen
  • Kustoden: nicht übernommen
  • langes s (ſ): als s transkribiert
  • Silbentrennung: aufgelöst
  • Zeilenumbrüche markiert: nein



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen02_1871
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen02_1871/201
Zitationshilfe: Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871], S. 193. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen02_1871/201>, abgerufen am 22.11.2024.