Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871].geboren und erzogen war, so verwunderte uns anfangs die in Hannover und den Hansestädten übliche Aussprache des st und sp; sie gab seiner Rede etwas gespanntes, aber sehr bald gewöhnte man sich daran; wir erfuhren, daß er sich diese richtige Aussprache erst, als er schon ganz erwachsen war, angeeignet. Schleiermachers kleine Schriften, die Monologe und die Weihnachtsfeier las ich damals mit großem Eifer. Einzelnes davon hat sich mir unvergeßlich eingeprägt. Der Schluß des geisteskräftigen Monologes: Jugend und Alter lautet: Frisch bleibt der Puls des inneren Lebens bis an den Tod. Dies kühne Wort hielt ich für eine allzustarke Ueberhebung. Wenn ihm nun, dachte ich mir, vom Schicksale beschieden ist, im langsamen Siechthume dahinzuschwinden? Kann er den unabänderlichen Gesetzen der Natur vorschreiben, wie bei seinem Ende mit ihm verfahren werden wird? Und doch hat jene stolze Zuversicht der Jugend ihn nicht getäuscht. Die unverwüstliche Kraft seines reichen Geistes ist ihm bis zum letzten Augenblicke treu geblieben, und hat ihn mit vollem Bewußtsein bis zum Tode begleitet. Es ist mir als eine kleinliche Bosheit des pietätlosen Gutzkow erschienen, daß er später Schleiermachers Briefe über Fr. Schlegels Lucinde von neuem hat abdrucken lassen. Sie waren als eine Jugendverirrung Schleiermachers längst der Vergessenheit anheim gefallen. Die Freundschaft zwischen dem edlen, hochherzigen, freisinnigen Schleiermacher und dem servilen, geistesbeschränkten Friedrich Schlegel konnte nicht lange dauern. Als Schlegel, um eine einträgliche Stelle in Wien zu erhalten, katholisch wurde, und von da an das Metternichsche System der geboren und erzogen war, so verwunderte uns anfangs die in Hannover und den Hansestädten übliche Aussprache des st und sp; sie gab seiner Rede etwas gespanntes, aber sehr bald gewöhnte man sich daran; wir erfuhren, daß er sich diese richtige Aussprache erst, als er schon ganz erwachsen war, angeeignet. Schleiermachers kleine Schriften, die Monologe und die Weihnachtsfeier las ich damals mit großem Eifer. Einzelnes davon hat sich mir unvergeßlich eingeprägt. Der Schluß des geisteskräftigen Monologes: Jugend und Alter lautet: Frisch bleibt der Puls des inneren Lebens bis an den Tod. Dies kühne Wort hielt ich für eine allzustarke Ueberhebung. Wenn ihm nun, dachte ich mir, vom Schicksale beschieden ist, im langsamen Siechthume dahinzuschwinden? Kann er den unabänderlichen Gesetzen der Natur vorschreiben, wie bei seinem Ende mit ihm verfahren werden wird? Und doch hat jene stolze Zuversicht der Jugend ihn nicht getäuscht. Die unverwüstliche Kraft seines reichen Geistes ist ihm bis zum letzten Augenblicke treu geblieben, und hat ihn mit vollem Bewußtsein bis zum Tode begleitet. Es ist mir als eine kleinliche Bosheit des pietätlosen Gutzkow erschienen, daß er später Schleiermachers Briefe über Fr. Schlegels Lucinde von neuem hat abdrucken lassen. Sie waren als eine Jugendverirrung Schleiermachers längst der Vergessenheit anheim gefallen. Die Freundschaft zwischen dem edlen, hochherzigen, freisinnigen Schleiermacher und dem servilen, geistesbeschränkten Friedrich Schlegel konnte nicht lange dauern. 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Kann er den unabänderlichen Gesetzen der Natur vorschreiben, wie bei seinem Ende mit ihm verfahren werden wird? Und doch hat jene stolze Zuversicht der Jugend ihn nicht getäuscht. Die unverwüstliche Kraft seines reichen Geistes ist ihm bis zum letzten Augenblicke treu geblieben, und hat ihn mit vollem Bewußtsein bis zum Tode begleitet. </p><lb/> <p>Es ist mir als eine kleinliche Bosheit des pietätlosen Gutzkow erschienen, daß er später Schleiermachers Briefe über Fr. Schlegels Lucinde von neuem hat abdrucken lassen. Sie waren als eine Jugendverirrung Schleiermachers längst der Vergessenheit anheim gefallen. Die Freundschaft zwischen dem edlen, hochherzigen, freisinnigen Schleiermacher und dem servilen, geistesbeschränkten Friedrich Schlegel konnte nicht lange dauern. Als Schlegel, um eine einträgliche Stelle in Wien zu erhalten, katholisch wurde, und von da an das Metternichsche System der </p> </div> </body> </text> </TEI> [229/0237]
geboren und erzogen war, so verwunderte uns anfangs die in Hannover und den Hansestädten übliche Aussprache des st und sp; sie gab seiner Rede etwas gespanntes, aber sehr bald gewöhnte man sich daran; wir erfuhren, daß er sich diese richtige Aussprache erst, als er schon ganz erwachsen war, angeeignet.
Schleiermachers kleine Schriften, die Monologe und die Weihnachtsfeier las ich damals mit großem Eifer. Einzelnes davon hat sich mir unvergeßlich eingeprägt. Der Schluß des geisteskräftigen Monologes: Jugend und Alter lautet: Frisch bleibt der Puls des inneren Lebens bis an den Tod. Dies kühne Wort hielt ich für eine allzustarke Ueberhebung. Wenn ihm nun, dachte ich mir, vom Schicksale beschieden ist, im langsamen Siechthume dahinzuschwinden? Kann er den unabänderlichen Gesetzen der Natur vorschreiben, wie bei seinem Ende mit ihm verfahren werden wird? Und doch hat jene stolze Zuversicht der Jugend ihn nicht getäuscht. Die unverwüstliche Kraft seines reichen Geistes ist ihm bis zum letzten Augenblicke treu geblieben, und hat ihn mit vollem Bewußtsein bis zum Tode begleitet.
Es ist mir als eine kleinliche Bosheit des pietätlosen Gutzkow erschienen, daß er später Schleiermachers Briefe über Fr. Schlegels Lucinde von neuem hat abdrucken lassen. Sie waren als eine Jugendverirrung Schleiermachers längst der Vergessenheit anheim gefallen. Die Freundschaft zwischen dem edlen, hochherzigen, freisinnigen Schleiermacher und dem servilen, geistesbeschränkten Friedrich Schlegel konnte nicht lange dauern. Als Schlegel, um eine einträgliche Stelle in Wien zu erhalten, katholisch wurde, und von da an das Metternichsche System der
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Zitationshilfe: | Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871], S. 229. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen02_1871/237>, abgerufen am 16.07.2024. |