Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871].sehend, wenngleich von schwächlicher Leibesbeschaffenheit; aber in Meklenburg erzieht dieselbe Nahrung einen überaus kräftigen Menschenschlag. Beim Bau der Brücke war der Hauptmann Snethlage immer auf dem Platze. Durch sein humanes, doch entschiedenes Benehmen wußte er den guten Willen der Leute zu gewinnen, und die Arbeiten gingen durch ein trefliches Ineinandergreifen wie am Schnürchen vorwärts. Seine große Kurzsichtigkeit hätte ihm bald einmal Schaden bereitet. Beim Hinübersteigen von Balken zu Balken that er einen Fehltritt, und fiel mit einem Fuße ins Wasser. Ich stand mit einigen anderen dicht dabei; wir griffen rasch zu, um ihn vor weiterem Versinken zu retten. Er dankte uns mit wahrer Herzlichkeit und sagte dann lachend: Es ist nur gut, daß mir das nicht in Gegenwart des Kaisers Alexander passirt ist! Nach Herstellung der Brücken und nach Ausbesserung der Wege bezogen wir ein Zeltlager auf der Insel Pichelswerder, die fast ganz mit hohen Kiefern und Unterholz bewachsen an manchen Stellen der steil abfallenden Ufer einen melancholischen Hinblick über die ruhige Spiegelfläche der dunkeln Havel gewährt. Es wurden einige Posten bei der Brücke ausgestellt, aber sonst hatten wir nicht viel zu thun, und konnten die Insel nach allen Seiten durchstreifen. Die Zelte waren für vier Mann eingerichtet; ich kam wieder mit Dechen zusammen. Hier fehlte es an einer Streu; wir holten uns Moos aus dem Walde und bekamen ein gutes Lager. In der ersten Nacht froren wir nicht wenig, weil der Wind unter den Zeltwänden eindrang; am folgenden Tage belegten wir die unteren Bänder der Leinwand mit Rasenstücken, und sehend, wenngleich von schwächlicher Leibesbeschaffenheit; aber in Meklenburg erzieht dieselbe Nahrung einen überaus kräftigen Menschenschlag. Beim Bau der Brücke war der Hauptmann Snethlage immer auf dem Platze. Durch sein humanes, doch entschiedenes Benehmen wußte er den guten Willen der Leute zu gewinnen, und die Arbeiten gingen durch ein trefliches Ineinandergreifen wie am Schnürchen vorwärts. Seine große Kurzsichtigkeit hätte ihm bald einmal Schaden bereitet. Beim Hinübersteigen von Balken zu Balken that er einen Fehltritt, und fiel mit einem Fuße ins Wasser. Ich stand mit einigen anderen dicht dabei; wir griffen rasch zu, um ihn vor weiterem Versinken zu retten. Er dankte uns mit wahrer Herzlichkeit und sagte dann lachend: Es ist nur gut, daß mir das nicht in Gegenwart des Kaisers Alexander passirt ist! Nach Herstellung der Brücken und nach Ausbesserung der Wege bezogen wir ein Zeltlager auf der Insel Pichelswerder, die fast ganz mit hohen Kiefern und Unterholz bewachsen an manchen Stellen der steil abfallenden Ufer einen melancholischen Hinblick über die ruhige Spiegelfläche der dunkeln Havel gewährt. Es wurden einige Posten bei der Brücke ausgestellt, aber sonst hatten wir nicht viel zu thun, und konnten die Insel nach allen Seiten durchstreifen. Die Zelte waren für vier Mann eingerichtet; ich kam wieder mit Dechen zusammen. Hier fehlte es an einer Streu; wir holten uns Moos aus dem Walde und bekamen ein gutes Lager. In der ersten Nacht froren wir nicht wenig, weil der Wind unter den Zeltwänden eindrang; am folgenden Tage belegten wir die unteren Bänder der Leinwand mit Rasenstücken, und <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0268" n="260"/> sehend, wenngleich von schwächlicher Leibesbeschaffenheit; aber in Meklenburg erzieht dieselbe Nahrung einen überaus kräftigen Menschenschlag. </p><lb/> <p>Beim Bau der Brücke war der Hauptmann Snethlage immer auf dem Platze. Durch sein humanes, doch entschiedenes Benehmen wußte er den guten Willen der Leute zu gewinnen, und die Arbeiten gingen durch ein trefliches Ineinandergreifen wie am Schnürchen vorwärts. Seine große Kurzsichtigkeit hätte ihm bald einmal Schaden bereitet. Beim Hinübersteigen von Balken zu Balken that er einen Fehltritt, und fiel mit einem Fuße ins Wasser. Ich stand mit einigen anderen dicht dabei; wir griffen rasch zu, um ihn vor weiterem Versinken zu retten. Er dankte uns mit wahrer Herzlichkeit und sagte dann lachend: Es ist nur gut, daß mir das nicht in Gegenwart des Kaisers Alexander passirt ist! </p><lb/> <p>Nach Herstellung der Brücken und nach Ausbesserung der Wege bezogen wir ein Zeltlager auf der Insel Pichelswerder, die fast ganz mit hohen Kiefern und Unterholz bewachsen an manchen Stellen der steil abfallenden Ufer einen melancholischen Hinblick über die ruhige Spiegelfläche der dunkeln Havel gewährt. Es wurden einige Posten bei der Brücke ausgestellt, aber sonst hatten wir nicht viel zu thun, und konnten die Insel nach allen Seiten durchstreifen. Die Zelte waren für vier Mann eingerichtet; ich kam wieder mit Dechen zusammen. Hier fehlte es an einer Streu; wir holten uns Moos aus dem Walde und bekamen ein gutes Lager. In der ersten Nacht froren wir nicht wenig, weil der Wind unter den Zeltwänden eindrang; am folgenden Tage belegten wir die unteren Bänder der Leinwand mit Rasenstücken, und </p> </div> </body> </text> </TEI> [260/0268]
sehend, wenngleich von schwächlicher Leibesbeschaffenheit; aber in Meklenburg erzieht dieselbe Nahrung einen überaus kräftigen Menschenschlag.
Beim Bau der Brücke war der Hauptmann Snethlage immer auf dem Platze. Durch sein humanes, doch entschiedenes Benehmen wußte er den guten Willen der Leute zu gewinnen, und die Arbeiten gingen durch ein trefliches Ineinandergreifen wie am Schnürchen vorwärts. Seine große Kurzsichtigkeit hätte ihm bald einmal Schaden bereitet. Beim Hinübersteigen von Balken zu Balken that er einen Fehltritt, und fiel mit einem Fuße ins Wasser. Ich stand mit einigen anderen dicht dabei; wir griffen rasch zu, um ihn vor weiterem Versinken zu retten. Er dankte uns mit wahrer Herzlichkeit und sagte dann lachend: Es ist nur gut, daß mir das nicht in Gegenwart des Kaisers Alexander passirt ist!
Nach Herstellung der Brücken und nach Ausbesserung der Wege bezogen wir ein Zeltlager auf der Insel Pichelswerder, die fast ganz mit hohen Kiefern und Unterholz bewachsen an manchen Stellen der steil abfallenden Ufer einen melancholischen Hinblick über die ruhige Spiegelfläche der dunkeln Havel gewährt. Es wurden einige Posten bei der Brücke ausgestellt, aber sonst hatten wir nicht viel zu thun, und konnten die Insel nach allen Seiten durchstreifen. Die Zelte waren für vier Mann eingerichtet; ich kam wieder mit Dechen zusammen. Hier fehlte es an einer Streu; wir holten uns Moos aus dem Walde und bekamen ein gutes Lager. In der ersten Nacht froren wir nicht wenig, weil der Wind unter den Zeltwänden eindrang; am folgenden Tage belegten wir die unteren Bänder der Leinwand mit Rasenstücken, und
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