Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871].den Neckar hineintritt. Die innern Räume des Hauses zeigten englischen Comfort; sie wurden von einer Menge muntrer Kinder belebt und waren der Wohnsitz uneingeschränkter Gastfreiheit. Von unserem Disponenten Johannes Ritter brachte ich auch einen Brief an seinen Jugendfreund und Kollegen, den Buchdrucker und Buchhändler Engelmann. Dieser zeigte sich hocherfreut über das Lebenszeichen seines früheren Genossen, und nahm uns mit wahrer Freundschaft auf. Seine junge Frau, ein Bild blühender Gesundheit, aus Frohsinn und Schalkheit zusammengesetzt, schien es sich besonders vorgenommen zu haben, Pauls pedantische Ungelenkigkeit in etwas zu lösen. Er wußte allen ihren Scherzen zu begegnen, nannte sie seine Engelfrau, und es entspann sich ein Wettkampf gegenseitiger Neckerei, der zu den heitersten Vorkomnissen Gelegenheit gab. Die Universität Heidelberg gebot in jener Zeit über einen Kreis sehr bedeutender Lehrkräfte, die wir nach und nach im lebendigen Verkehr mit unseren Studiengenossen kennen lernten. In der theologischen Fakultät ragte Paulus als Orientalist und als das Haupt der Rationalisten, als Kämpfer für Freiheit des Geistes und der Lehre hervor. Neben ihm stand Daub, der durch Gedankentiefe und anregenden Vortrag die Zuhörer fesselte. Er suchte den Inhalt der Theologie durch die Philosophie zu vergeistigen. Man machte ihm zwar den Vorwurf, daß er in seinen philosophischen Anschauungen mit Kant begonnen habe, dann zu Schelling fortgeschritten sei, und jetzt mit Hegel gehe, mußte jedoch trotzdem die Selbständigkeit seiner Forschungen anerkennen. den Neckar hineintritt. Die innern Räume des Hauses zeigten englischen Comfort; sie wurden von einer Menge muntrer Kinder belebt und waren der Wohnsitz uneingeschränkter Gastfreiheit. Von unserem Disponenten Johannes Ritter brachte ich auch einen Brief an seinen Jugendfreund und Kollegen, den Buchdrucker und Buchhändler Engelmann. Dieser zeigte sich hocherfreut über das Lebenszeichen seines früheren Genossen, und nahm uns mit wahrer Freundschaft auf. Seine junge Frau, ein Bild blühender Gesundheit, aus Frohsinn und Schalkheit zusammengesetzt, schien es sich besonders vorgenommen zu haben, Pauls pedantische Ungelenkigkeit in etwas zu lösen. Er wußte allen ihren Scherzen zu begegnen, nannte sie seine Engelfrau, und es entspann sich ein Wettkampf gegenseitiger Neckerei, der zu den heitersten Vorkomnissen Gelegenheit gab. Die Universität Heidelberg gebot in jener Zeit über einen Kreis sehr bedeutender Lehrkräfte, die wir nach und nach im lebendigen Verkehr mit unseren Studiengenossen kennen lernten. In der theologischen Fakultät ragte Paulus als Orientalist und als das Haupt der Rationalisten, als Kämpfer für Freiheit des Geistes und der Lehre hervor. Neben ihm stand Daub, der durch Gedankentiefe und anregenden Vortrag die Zuhörer fesselte. Er suchte den Inhalt der Theologie durch die Philosophie zu vergeistigen. Man machte ihm zwar den Vorwurf, daß er in seinen philosophischen Anschauungen mit Kant begonnen habe, dann zu Schelling fortgeschritten sei, und jetzt mit Hegel gehe, mußte jedoch trotzdem die Selbständigkeit seiner Forschungen anerkennen. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0319" n="311"/> den Neckar hineintritt. Die innern Räume des Hauses zeigten englischen Comfort; sie wurden von einer Menge muntrer Kinder belebt und waren der Wohnsitz uneingeschränkter Gastfreiheit. </p><lb/> <p>Von unserem Disponenten Johannes Ritter brachte ich auch einen Brief an seinen Jugendfreund und Kollegen, den Buchdrucker und Buchhändler Engelmann. Dieser zeigte sich hocherfreut über das Lebenszeichen seines früheren Genossen, und nahm uns mit wahrer Freundschaft auf. Seine junge Frau, ein Bild blühender Gesundheit, aus Frohsinn und Schalkheit zusammengesetzt, schien es sich besonders vorgenommen zu haben, Pauls pedantische Ungelenkigkeit in etwas zu lösen. Er wußte allen ihren Scherzen zu begegnen, nannte sie seine Engelfrau, und es entspann sich ein Wettkampf gegenseitiger Neckerei, der zu den heitersten Vorkomnissen Gelegenheit gab. </p><lb/> <p>Die Universität Heidelberg gebot in jener Zeit über einen Kreis sehr bedeutender Lehrkräfte, die wir nach und nach im lebendigen Verkehr mit unseren Studiengenossen kennen lernten. </p><lb/> <p>In der theologischen Fakultät ragte Paulus als Orientalist und als das Haupt der Rationalisten, als Kämpfer für Freiheit des Geistes und der Lehre hervor. Neben ihm stand Daub, der durch Gedankentiefe und anregenden Vortrag die Zuhörer fesselte. Er suchte den Inhalt der Theologie durch die Philosophie zu vergeistigen. Man machte ihm zwar den Vorwurf, daß er in seinen philosophischen Anschauungen mit Kant begonnen habe, dann zu Schelling fortgeschritten sei, und jetzt mit Hegel gehe, mußte jedoch trotzdem die Selbständigkeit seiner Forschungen anerkennen. </p> </div> </body> </text> </TEI> [311/0319]
den Neckar hineintritt. Die innern Räume des Hauses zeigten englischen Comfort; sie wurden von einer Menge muntrer Kinder belebt und waren der Wohnsitz uneingeschränkter Gastfreiheit.
Von unserem Disponenten Johannes Ritter brachte ich auch einen Brief an seinen Jugendfreund und Kollegen, den Buchdrucker und Buchhändler Engelmann. Dieser zeigte sich hocherfreut über das Lebenszeichen seines früheren Genossen, und nahm uns mit wahrer Freundschaft auf. Seine junge Frau, ein Bild blühender Gesundheit, aus Frohsinn und Schalkheit zusammengesetzt, schien es sich besonders vorgenommen zu haben, Pauls pedantische Ungelenkigkeit in etwas zu lösen. Er wußte allen ihren Scherzen zu begegnen, nannte sie seine Engelfrau, und es entspann sich ein Wettkampf gegenseitiger Neckerei, der zu den heitersten Vorkomnissen Gelegenheit gab.
Die Universität Heidelberg gebot in jener Zeit über einen Kreis sehr bedeutender Lehrkräfte, die wir nach und nach im lebendigen Verkehr mit unseren Studiengenossen kennen lernten.
In der theologischen Fakultät ragte Paulus als Orientalist und als das Haupt der Rationalisten, als Kämpfer für Freiheit des Geistes und der Lehre hervor. Neben ihm stand Daub, der durch Gedankentiefe und anregenden Vortrag die Zuhörer fesselte. Er suchte den Inhalt der Theologie durch die Philosophie zu vergeistigen. Man machte ihm zwar den Vorwurf, daß er in seinen philosophischen Anschauungen mit Kant begonnen habe, dann zu Schelling fortgeschritten sei, und jetzt mit Hegel gehe, mußte jedoch trotzdem die Selbständigkeit seiner Forschungen anerkennen.
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