Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871].des Grosvaters Bibliothek zur Hand genommen und durchgeblättert, fand es aber langweilig und ohne rechten Inhalt; es strotzt von griechischen Ausdrücken, die hinten im Index erklärt werden. Der Herzog hatte schon früh sein röthliches Haar verloren und trug eine Perrücke. Aber der Friseur konnte niemals die richtige Farbe der künstlichen Kopfbedeckung treffen. Es wurden immer neue Versuche gemacht, und man behauptete, in der Garderobe des Herzogs habe sich nach und nach ein ganzer Schrank voll rother Perrücken angesammelt. Da die Herzogin ihn nur im engeren Kreise ihrer Töchter empfangen wollte, so wurden die jungen Herren alle für diesen Tag nach Altenburg weggeschickt, wo wir noch einmal die Merkwürdigkeiten des Schlosses betrachteten, und erst spät nach Löbichau heimkehrten, als der Herzog bereits abgereist war. Unter den jungen Leuten befanden sich einige musikalisch recht gebildete und mehrere schöne Stimmen, aber es fehlte an einem tüchtigen Klavierspieler und Dirigenten. Die Fürstin von Hohenzollern besaß ein eminentes musikalisches Talent, das sie leider gar nicht kultivirte. Sie spielte und sang alles vom Blatte, was man ihr vorlegte, aber zur Leitung eines mehrstimmigen Gesanges war sie viel zu lebhaft und ungeduldig. Mein Vater hätte wohl einen guten Dirigenten abgegeben, aber Frau von der Recke und die Prinzessinnen protestirten dagegen, daß er so lange ihrer Gesellschaft entzogen werden solle, da die Proben immer viel Zeit wegnahmen. Die Herzogin-Mutter, welche sich die Unterhaltung ihrer Gäste stets angelegen sein ließ, vermochte daher den Organisten Bartel aus Altenburg auf einige Zeit nach Löbichau herüberzukommen. Nun wurden die musikalischen Uebungen mit allem Ernste des Grosvaters Bibliothek zur Hand genommen und durchgeblättert, fand es aber langweilig und ohne rechten Inhalt; es strotzt von griechischen Ausdrücken, die hinten im Index erklärt werden. Der Herzog hatte schon früh sein röthliches Haar verloren und trug eine Perrücke. Aber der Friseur konnte niemals die richtige Farbe der künstlichen Kopfbedeckung treffen. Es wurden immer neue Versuche gemacht, und man behauptete, in der Garderobe des Herzogs habe sich nach und nach ein ganzer Schrank voll rother Perrücken angesammelt. Da die Herzogin ihn nur im engeren Kreise ihrer Töchter empfangen wollte, so wurden die jungen Herren alle für diesen Tag nach Altenburg weggeschickt, wo wir noch einmal die Merkwürdigkeiten des Schlosses betrachteten, und erst spät nach Löbichau heimkehrten, als der Herzog bereits abgereist war. Unter den jungen Leuten befanden sich einige musikalisch recht gebildete und mehrere schöne Stimmen, aber es fehlte an einem tüchtigen Klavierspieler und Dirigenten. Die Fürstin von Hohenzollern besaß ein eminentes musikalisches Talent, das sie leider gar nicht kultivirte. Sie spielte und sang alles vom Blatte, was man ihr vorlegte, aber zur Leitung eines mehrstimmigen Gesanges war sie viel zu lebhaft und ungeduldig. Mein Vater hätte wohl einen guten Dirigenten abgegeben, aber Frau von der Recke und die Prinzessinnen protestirten dagegen, daß er so lange ihrer Gesellschaft entzogen werden solle, da die Proben immer viel Zeit wegnahmen. Die Herzogin-Mutter, welche sich die Unterhaltung ihrer Gäste stets angelegen sein ließ, vermochte daher den Organisten Bartel aus Altenburg auf einige Zeit nach Löbichau herüberzukommen. 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Da die Herzogin ihn nur im engeren Kreise ihrer Töchter empfangen wollte, so wurden die jungen Herren alle für diesen Tag nach Altenburg weggeschickt, wo wir noch einmal die Merkwürdigkeiten des Schlosses betrachteten, und erst spät nach Löbichau heimkehrten, als der Herzog bereits abgereist war. </p><lb/> <p>Unter den jungen Leuten befanden sich einige musikalisch recht gebildete und mehrere schöne Stimmen, aber es fehlte an einem tüchtigen Klavierspieler und Dirigenten. Die Fürstin von Hohenzollern besaß ein eminentes musikalisches Talent, das sie leider gar nicht kultivirte. Sie spielte und sang alles vom Blatte, was man ihr vorlegte, aber zur Leitung eines mehrstimmigen Gesanges war sie viel zu lebhaft und ungeduldig. Mein Vater hätte wohl einen guten Dirigenten abgegeben, aber Frau von der Recke und die Prinzessinnen protestirten dagegen, daß er so lange ihrer Gesellschaft entzogen werden solle, da die Proben immer viel Zeit wegnahmen. 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des Grosvaters Bibliothek zur Hand genommen und durchgeblättert, fand es aber langweilig und ohne rechten Inhalt; es strotzt von griechischen Ausdrücken, die hinten im Index erklärt werden. Der Herzog hatte schon früh sein röthliches Haar verloren und trug eine Perrücke. Aber der Friseur konnte niemals die richtige Farbe der künstlichen Kopfbedeckung treffen. Es wurden immer neue Versuche gemacht, und man behauptete, in der Garderobe des Herzogs habe sich nach und nach ein ganzer Schrank voll rother Perrücken angesammelt. Da die Herzogin ihn nur im engeren Kreise ihrer Töchter empfangen wollte, so wurden die jungen Herren alle für diesen Tag nach Altenburg weggeschickt, wo wir noch einmal die Merkwürdigkeiten des Schlosses betrachteten, und erst spät nach Löbichau heimkehrten, als der Herzog bereits abgereist war.
Unter den jungen Leuten befanden sich einige musikalisch recht gebildete und mehrere schöne Stimmen, aber es fehlte an einem tüchtigen Klavierspieler und Dirigenten. Die Fürstin von Hohenzollern besaß ein eminentes musikalisches Talent, das sie leider gar nicht kultivirte. Sie spielte und sang alles vom Blatte, was man ihr vorlegte, aber zur Leitung eines mehrstimmigen Gesanges war sie viel zu lebhaft und ungeduldig. Mein Vater hätte wohl einen guten Dirigenten abgegeben, aber Frau von der Recke und die Prinzessinnen protestirten dagegen, daß er so lange ihrer Gesellschaft entzogen werden solle, da die Proben immer viel Zeit wegnahmen. Die Herzogin-Mutter, welche sich die Unterhaltung ihrer Gäste stets angelegen sein ließ, vermochte daher den Organisten Bartel aus Altenburg auf einige Zeit nach Löbichau herüberzukommen. Nun wurden die musikalischen Uebungen mit allem Ernste
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Zitationshilfe: | Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871], S. 389. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen02_1871/397>, abgerufen am 16.07.2024. |