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Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871].

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einen sehr schwachen englischen Accent, für einen Deutschen halten konnte. Nach seinem Vaterlande zurückgekehrt, wirkte er mit großem Erfolge als Docent und als Geschichtschreiber. Jetzt sehn wir ihn mit Freuden wieder in Berlin als den Gesandten der amerikanischen Freistaaten beim deutschen Kaiserreiche.

Dr. Lappenberg aus Hamburg schloß sich besonders an Klein an, der ihn in unser Haus eingeführt. Er galt schon damals für einen gründlichen Historiker, und bewährte diesen Ruf durch seine Geschichte von England und andre Werke. Als ich ihn zuletzt in Hamburg besuchte, vertraute er mir lachend, daß er daselbst das ganze Departement der auswärtigen Angelegenheiten zu vertreten habe.

Ein freudiges Wiedersehn fand Statt, als die schöne Laura, jetzt an den Hauptmann von Becherer verheirathet, uns im großen Garten besuchte, der bereits seinen herbstlichen Schmuck von gelben und rothen Blättern angelegt. Während des Lustwandelns kam ich mit Becherer in ein höchst anziehendes Gespräch: man erkannte sofort in ihm den gebildeten Geist, den ungetrübten Blick, die strenge Grundlage solider Kenntnisse eines preußischen Ingenieuroffiziers. Daß er die Freiheitskriege mit durchgemacht, gab ihm in meinen Augen einen erhöhten Werth; wir fühlten bald eine gegenseitige Sympathie. Vor einiger Zeit hatte er eine Geschäftsreise nach Ungarn gemacht, und zeichnete mir mit wenigen Strichen ein abschreckendes Bild der dortigen Zustände. Seine Familie stammte aus Ungarn, und er hatte dort von einem verstorbenen Erbonkel oder Grosonkel ein sehr bedeutendes Vermögen an Kapitalien und an Grundbesitz einzuziehn. Alle in bester Ord-

einen sehr schwachen englischen Accent, für einen Deutschen halten konnte. Nach seinem Vaterlande zurückgekehrt, wirkte er mit großem Erfolge als Docent und als Geschichtschreiber. Jetzt sehn wir ihn mit Freuden wieder in Berlin als den Gesandten der amerikanischen Freistaaten beim deutschen Kaiserreiche.

Dr. Lappenberg aus Hamburg schloß sich besonders an Klein an, der ihn in unser Haus eingeführt. Er galt schon damals für einen gründlichen Historiker, und bewährte diesen Ruf durch seine Geschichte von England und andre Werke. Als ich ihn zuletzt in Hamburg besuchte, vertraute er mir lachend, daß er daselbst das ganze Departement der auswärtigen Angelegenheiten zu vertreten habe.

Ein freudiges Wiedersehn fand Statt, als die schöne Laura, jetzt an den Hauptmann von Becherer verheirathet, uns im großen Garten besuchte, der bereits seinen herbstlichen Schmuck von gelben und rothen Blättern angelegt. Während des Lustwandelns kam ich mit Becherer in ein höchst anziehendes Gespräch: man erkannte sofort in ihm den gebildeten Geist, den ungetrübten Blick, die strenge Grundlage solider Kenntnisse eines preußischen Ingenieuroffiziers. Daß er die Freiheitskriege mit durchgemacht, gab ihm in meinen Augen einen erhöhten Werth; wir fühlten bald eine gegenseitige Sympathie. Vor einiger Zeit hatte er eine Geschäftsreise nach Ungarn gemacht, und zeichnete mir mit wenigen Strichen ein abschreckendes Bild der dortigen Zustände. Seine Familie stammte aus Ungarn, und er hatte dort von einem verstorbenen Erbonkel oder Grosonkel ein sehr bedeutendes Vermögen an Kapitalien und an Grundbesitz einzuziehn. Alle in bester Ord-

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[403/0411] einen sehr schwachen englischen Accent, für einen Deutschen halten konnte. Nach seinem Vaterlande zurückgekehrt, wirkte er mit großem Erfolge als Docent und als Geschichtschreiber. Jetzt sehn wir ihn mit Freuden wieder in Berlin als den Gesandten der amerikanischen Freistaaten beim deutschen Kaiserreiche. Dr. Lappenberg aus Hamburg schloß sich besonders an Klein an, der ihn in unser Haus eingeführt. Er galt schon damals für einen gründlichen Historiker, und bewährte diesen Ruf durch seine Geschichte von England und andre Werke. Als ich ihn zuletzt in Hamburg besuchte, vertraute er mir lachend, daß er daselbst das ganze Departement der auswärtigen Angelegenheiten zu vertreten habe. Ein freudiges Wiedersehn fand Statt, als die schöne Laura, jetzt an den Hauptmann von Becherer verheirathet, uns im großen Garten besuchte, der bereits seinen herbstlichen Schmuck von gelben und rothen Blättern angelegt. Während des Lustwandelns kam ich mit Becherer in ein höchst anziehendes Gespräch: man erkannte sofort in ihm den gebildeten Geist, den ungetrübten Blick, die strenge Grundlage solider Kenntnisse eines preußischen Ingenieuroffiziers. Daß er die Freiheitskriege mit durchgemacht, gab ihm in meinen Augen einen erhöhten Werth; wir fühlten bald eine gegenseitige Sympathie. Vor einiger Zeit hatte er eine Geschäftsreise nach Ungarn gemacht, und zeichnete mir mit wenigen Strichen ein abschreckendes Bild der dortigen Zustände. Seine Familie stammte aus Ungarn, und er hatte dort von einem verstorbenen Erbonkel oder Grosonkel ein sehr bedeutendes Vermögen an Kapitalien und an Grundbesitz einzuziehn. Alle in bester Ord-

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Zitationshilfe: Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871], S. 403. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen02_1871/411>, abgerufen am 24.11.2024.