Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871].befindlichen Knopf, so öffnete sich ein Pförtchen, und man trat in einen weiten, manchmal mit Bäumen bepflanzten Hof, der für mehrere Equipagen Raum gewährte. Im Hintergrunde des Hofes stand das meist einstöckige Wohnhaus mit allem wirtschaftlichen Zubehör an Stallung und Remisen. Hinter dem Hause lag ein schattiger wohlgepflegter Garten. So lebten die Bewohner in gänzlicher Abgeschiedenheit, und genossen inmitten der geräuschvollen Hauptstadt einer vollkomnen Ruhe. Meine Wohnung lag in der Rue de Bourgogne, an der Ecke der Rue de l'Universite, im Petit hotel de Rome. Zwei Zimmerchen im ersten Stocke gewährten die Aussicht auf den großen Platz am Palais Bourbon, wo damals die Abgeordneten-Kammer tagte. Es war mir tröstlich, nicht in einer engen, schmutzigen Gasse mit himmelhohen Häusern vor der Nase untergekommen zu sein. Für die leiblichen Genüsse durfte ich unbesorgt sein: mein Hauswirt war ein Weinhändler und vor der Thür saß eine Austernfrau. Auch in Paris bewahrte ich die mir von Nägele angerathene, recht philiströse Mäßigkeit im Weintrinken und befand mich wohl dabei. Gleich am ersten Tage gab die Herzogin ein kleines Diner von acht Personen, wo ich den Fürsten von Talleyrand zum ersten Male sah. Zwar kannte ich Kupferstiche von ihm und wußte, daß er einen lahmen Fuß habe, doch erschien er ganz anders, als ich ihn mir gedacht. Er schleppte seinen unförmlichen, seitwärts etwas verschobenen Oberkörper auf zwei lahmen Füßen in den Salon; in seinem zusammengeschrumpften erdfarbenen Gesichte lagen zwei kleine nichtssagende Augen; überaus ekelhaft zeigte sich der zahnlose breitgeschlitzte Mund, befindlichen Knopf, so öffnete sich ein Pförtchen, und man trat in einen weiten, manchmal mit Bäumen bepflanzten Hof, der für mehrere Equipagen Raum gewährte. Im Hintergrunde des Hofes stand das meist einstöckige Wohnhaus mit allem wirtschaftlichen Zubehör an Stallung und Remisen. Hinter dem Hause lag ein schattiger wohlgepflegter Garten. So lebten die Bewohner in gänzlicher Abgeschiedenheit, und genossen inmitten der geräuschvollen Hauptstadt einer vollkomnen Ruhe. Meine Wohnung lag in der Rue de Bourgogne, an der Ecke der Rue de l’Université, im Petit hôtel de Rome. Zwei Zimmerchen im ersten Stocke gewährten die Aussicht auf den großen Platz am Palais Bourbon, wo damals die Abgeordneten-Kammer tagte. Es war mir tröstlich, nicht in einer engen, schmutzigen Gasse mit himmelhohen Häusern vor der Nase untergekommen zu sein. Für die leiblichen Genüsse durfte ich unbesorgt sein: mein Hauswirt war ein Weinhändler und vor der Thür saß eine Austernfrau. Auch in Paris bewahrte ich die mir von Nägele angerathene, recht philiströse Mäßigkeit im Weintrinken und befand mich wohl dabei. Gleich am ersten Tage gab die Herzogin ein kleines Diner von acht Personen, wo ich den Fürsten von Talleyrand zum ersten Male sah. Zwar kannte ich Kupferstiche von ihm und wußte, daß er einen lahmen Fuß habe, doch erschien er ganz anders, als ich ihn mir gedacht. Er schleppte seinen unförmlichen, seitwärts etwas verschobenen Oberkörper auf zwei lahmen Füßen in den Salon; in seinem zusammengeschrumpften erdfarbenen Gesichte lagen zwei kleine nichtssagende Augen; überaus ekelhaft zeigte sich der zahnlose breitgeschlitzte Mund, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0422" n="414"/> befindlichen Knopf, so öffnete sich ein Pförtchen, und man trat in einen weiten, manchmal mit Bäumen bepflanzten Hof, der für mehrere Equipagen Raum gewährte. Im Hintergrunde des Hofes stand das meist einstöckige Wohnhaus mit allem wirtschaftlichen Zubehör an Stallung und Remisen. Hinter dem Hause lag ein schattiger wohlgepflegter Garten. 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Zwar kannte ich Kupferstiche von ihm und wußte, daß er einen lahmen Fuß habe, doch erschien er ganz anders, als ich ihn mir gedacht. Er schleppte seinen unförmlichen, seitwärts etwas verschobenen Oberkörper auf zwei lahmen Füßen in den Salon; in seinem zusammengeschrumpften erdfarbenen Gesichte lagen zwei kleine nichtssagende Augen; überaus ekelhaft zeigte sich der zahnlose breitgeschlitzte Mund, </p> </div> </body> </text> </TEI> [414/0422]
befindlichen Knopf, so öffnete sich ein Pförtchen, und man trat in einen weiten, manchmal mit Bäumen bepflanzten Hof, der für mehrere Equipagen Raum gewährte. Im Hintergrunde des Hofes stand das meist einstöckige Wohnhaus mit allem wirtschaftlichen Zubehör an Stallung und Remisen. Hinter dem Hause lag ein schattiger wohlgepflegter Garten. So lebten die Bewohner in gänzlicher Abgeschiedenheit, und genossen inmitten der geräuschvollen Hauptstadt einer vollkomnen Ruhe.
Meine Wohnung lag in der Rue de Bourgogne, an der Ecke der Rue de l’Université, im Petit hôtel de Rome. Zwei Zimmerchen im ersten Stocke gewährten die Aussicht auf den großen Platz am Palais Bourbon, wo damals die Abgeordneten-Kammer tagte. Es war mir tröstlich, nicht in einer engen, schmutzigen Gasse mit himmelhohen Häusern vor der Nase untergekommen zu sein. Für die leiblichen Genüsse durfte ich unbesorgt sein: mein Hauswirt war ein Weinhändler und vor der Thür saß eine Austernfrau. Auch in Paris bewahrte ich die mir von Nägele angerathene, recht philiströse Mäßigkeit im Weintrinken und befand mich wohl dabei.
Gleich am ersten Tage gab die Herzogin ein kleines Diner von acht Personen, wo ich den Fürsten von Talleyrand zum ersten Male sah. Zwar kannte ich Kupferstiche von ihm und wußte, daß er einen lahmen Fuß habe, doch erschien er ganz anders, als ich ihn mir gedacht. Er schleppte seinen unförmlichen, seitwärts etwas verschobenen Oberkörper auf zwei lahmen Füßen in den Salon; in seinem zusammengeschrumpften erdfarbenen Gesichte lagen zwei kleine nichtssagende Augen; überaus ekelhaft zeigte sich der zahnlose breitgeschlitzte Mund,
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