Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871].der das französische sehr geläufig und mit geringem Accente sprach. Er besaß die natürliche Anlage, das Tischgespräch ohne Zwang, Anstrengung oder vorlautes Wesen immer im Flusse zu erhalten. Solche Persönlichkeiten sind in großen Häusern von unschätzbarem Werthe: denn es kann vorkommen, daß die geistreichsten Personen mit einander zu Tische sitzen, und daß trotzdem, sei es durch üble Laune oder Trägheit oder irgend ein widerhaariges Wort veranlaßt, plötzlich ein allgemeines Stillstehn der Unterhaltung erfolgt. Giamboni schien an den trivialsten, von ihm erzählten Tagesneuigkeiten ein solches Interesse zu nehmen, daß man unwillkührlich mit in das Interesse hineingezogen wurde. Durch sanft herausfordernde Fragen wußte er einen wirksamen Widerspruch hervorzurufen, der niemals ermangelte, die Unterhaltung anzuregen; die Geschicklichkeit, mit der er solche Kontroversen zu leiten und nöthigen Falles abzuschneiden verstand, verhinderte jede allzulange Ausdehnung derselben, die oft eben so schlimm ist, als eine tumultuarische Debatte. Welche sociale Stellung Giamboni in Paris einnehme, wovon er lebe, was sein eigentlicher Stand und Beruf sei, welche Gründe ihn zur Uebersiedlung von Italien nach Frankreich vermocht, darüber konnte ich nie genaue Auskunft erhalten. Er mußte schon sehr lange in Paris sein: denn er hatte die Herzogin von Sagan gekannt, als sie im Anfange dieses Jahrhunderts Paris zum ersten Male besuchte. Fast täglich kam Giamboni auf einen Moment zur Herzogin heran, streute seine Neuigkeiten aus und sammelte andere, ohne je über sich selbst irgend eine Aeußerung zu machen. Er war eine selbstlose wandernde Chronik. Man sagte, der Fürst Talleyrand benutze ihn, der das französische sehr geläufig und mit geringem Accente sprach. Er besaß die natürliche Anlage, das Tischgespräch ohne Zwang, Anstrengung oder vorlautes Wesen immer im Flusse zu erhalten. Solche Persönlichkeiten sind in großen Häusern von unschätzbarem Werthe: denn es kann vorkommen, daß die geistreichsten Personen mit einander zu Tische sitzen, und daß trotzdem, sei es durch üble Laune oder Trägheit oder irgend ein widerhaariges Wort veranlaßt, plötzlich ein allgemeines Stillstehn der Unterhaltung erfolgt. Giamboni schien an den trivialsten, von ihm erzählten Tagesneuigkeiten ein solches Interesse zu nehmen, daß man unwillkührlich mit in das Interesse hineingezogen wurde. Durch sanft herausfordernde Fragen wußte er einen wirksamen Widerspruch hervorzurufen, der niemals ermangelte, die Unterhaltung anzuregen; die Geschicklichkeit, mit der er solche Kontroversen zu leiten und nöthigen Falles abzuschneiden verstand, verhinderte jede allzulange Ausdehnung derselben, die oft eben so schlimm ist, als eine tumultuarische Debatte. Welche sociale Stellung Giamboni in Paris einnehme, wovon er lebe, was sein eigentlicher Stand und Beruf sei, welche Gründe ihn zur Uebersiedlung von Italien nach Frankreich vermocht, darüber konnte ich nie genaue Auskunft erhalten. Er mußte schon sehr lange in Paris sein: denn er hatte die Herzogin von Sagan gekannt, als sie im Anfange dieses Jahrhunderts Paris zum ersten Male besuchte. Fast täglich kam Giamboni auf einen Moment zur Herzogin heran, streute seine Neuigkeiten aus und sammelte andere, ohne je über sich selbst irgend eine Aeußerung zu machen. Er war eine selbstlose wandernde Chronik. 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Durch sanft herausfordernde Fragen wußte er einen wirksamen Widerspruch hervorzurufen, der niemals ermangelte, die Unterhaltung anzuregen; die Geschicklichkeit, mit der er solche Kontroversen zu leiten und nöthigen Falles abzuschneiden verstand, verhinderte jede allzulange Ausdehnung derselben, die oft eben so schlimm ist, als eine tumultuarische Debatte. </p><lb/> <p>Welche sociale Stellung Giamboni in Paris einnehme, wovon er lebe, was sein eigentlicher Stand und Beruf sei, welche Gründe ihn zur Uebersiedlung von Italien nach Frankreich vermocht, darüber konnte ich nie genaue Auskunft erhalten. Er mußte schon sehr lange in Paris sein: denn er hatte die Herzogin von Sagan gekannt, als sie im Anfange dieses Jahrhunderts Paris zum ersten Male besuchte. Fast täglich kam Giamboni auf einen Moment zur Herzogin heran, streute seine Neuigkeiten aus und sammelte andere, ohne je über sich selbst irgend eine Aeußerung zu machen. Er war eine selbstlose wandernde Chronik. 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der das französische sehr geläufig und mit geringem Accente sprach. Er besaß die natürliche Anlage, das Tischgespräch ohne Zwang, Anstrengung oder vorlautes Wesen immer im Flusse zu erhalten. Solche Persönlichkeiten sind in großen Häusern von unschätzbarem Werthe: denn es kann vorkommen, daß die geistreichsten Personen mit einander zu Tische sitzen, und daß trotzdem, sei es durch üble Laune oder Trägheit oder irgend ein widerhaariges Wort veranlaßt, plötzlich ein allgemeines Stillstehn der Unterhaltung erfolgt. Giamboni schien an den trivialsten, von ihm erzählten Tagesneuigkeiten ein solches Interesse zu nehmen, daß man unwillkührlich mit in das Interesse hineingezogen wurde. Durch sanft herausfordernde Fragen wußte er einen wirksamen Widerspruch hervorzurufen, der niemals ermangelte, die Unterhaltung anzuregen; die Geschicklichkeit, mit der er solche Kontroversen zu leiten und nöthigen Falles abzuschneiden verstand, verhinderte jede allzulange Ausdehnung derselben, die oft eben so schlimm ist, als eine tumultuarische Debatte.
Welche sociale Stellung Giamboni in Paris einnehme, wovon er lebe, was sein eigentlicher Stand und Beruf sei, welche Gründe ihn zur Uebersiedlung von Italien nach Frankreich vermocht, darüber konnte ich nie genaue Auskunft erhalten. Er mußte schon sehr lange in Paris sein: denn er hatte die Herzogin von Sagan gekannt, als sie im Anfange dieses Jahrhunderts Paris zum ersten Male besuchte. Fast täglich kam Giamboni auf einen Moment zur Herzogin heran, streute seine Neuigkeiten aus und sammelte andere, ohne je über sich selbst irgend eine Aeußerung zu machen. Er war eine selbstlose wandernde Chronik. Man sagte, der Fürst Talleyrand benutze ihn,
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Zitationshilfe: | Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871], S. 417. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen02_1871/425>, abgerufen am 16.07.2024. |