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Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871].

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Im Boudoir, wo die Herzogin nach dem Diner gern eine Patience auslegte, hingen ein paar gute Familienbildnisse; eine Wand mit Büchern bot eine Auswahl der besten Werke der französischen schönen Litteratur. Durch die Güte der Besitzerin war es mir vergönnt, mich mit den neusten Produkten bekannt zu machen. Die Herzogin empfahl mir unter andern dringend die Corinne der Frau von Stael. Die vollendete Schönheit der Darstellung mußte ich anerkennen, doch hatte ich mancherlei an der Schilderung der Karaktere auszusetzen. So schien es mir geradezu unnatürlich, daß die feurige poetische Italiänerin Corinna sich in einen steifen Engländer verliebt, der nicht eine Spur von Liebenswürdigkeit besitzt. Diese und ähnliche Ausstellungen, die ich an dem Buche zu machen fand, wurden oft bei der friedlichen Patience besprochen, und so weit die Meinungen auch aus einander gingen, so vergaß ich doch nie den dritten Erziehungsgrundsatz von Madame Clause.

Die berühmten Briefe der Frau von Sevigne kamen nun auch an die Reihe. In des Grosvaters Bibliothek hatten mich die acht Bände etwas abgeschreckt; hier in Paris ging ich frisch darauf los, kam aber doch nicht sehr weit. Die Darstellung einer edlen Frau in ihren eignen intimsten Aeußerungen gegen ihre Tochter hat ohne Zweifel eine große Süßigkeit; man kann jedoch nicht immer Süßigkeiten zu sich nehmen. Der Inhalt der Briefe ist zu gering, als daß man durch die mustergültige Form auf die Dauer gefesselt würde. Es verhält sich damit gerade so wie mit Ciceros Episteln.

In der herzoglichen Bibliothek wurden die feinen Einbände meines Pathen Göckingk bei weitem übertroffen.

Im Boudoir, wo die Herzogin nach dem Diner gern eine Patience auslegte, hingen ein paar gute Familienbildnisse; eine Wand mit Büchern bot eine Auswahl der besten Werke der französischen schönen Litteratur. Durch die Güte der Besitzerin war es mir vergönnt, mich mit den neusten Produkten bekannt zu machen. Die Herzogin empfahl mir unter andern dringend die Corinne der Frau von Stael. Die vollendete Schönheit der Darstellung mußte ich anerkennen, doch hatte ich mancherlei an der Schilderung der Karaktere auszusetzen. So schien es mir geradezu unnatürlich, daß die feurige poetische Italiänerin Corinna sich in einen steifen Engländer verliebt, der nicht eine Spur von Liebenswürdigkeit besitzt. Diese und ähnliche Ausstellungen, die ich an dem Buche zu machen fand, wurden oft bei der friedlichen Patience besprochen, und so weit die Meinungen auch aus einander gingen, so vergaß ich doch nie den dritten Erziehungsgrundsatz von Madame Clause.

Die berühmten Briefe der Frau von Sévigné kamen nun auch an die Reihe. In des Grosvaters Bibliothek hatten mich die acht Bände etwas abgeschreckt; hier in Paris ging ich frisch darauf los, kam aber doch nicht sehr weit. Die Darstellung einer edlen Frau in ihren eignen intimsten Aeußerungen gegen ihre Tochter hat ohne Zweifel eine große Süßigkeit; man kann jedoch nicht immer Süßigkeiten zu sich nehmen. Der Inhalt der Briefe ist zu gering, als daß man durch die mustergültige Form auf die Dauer gefesselt würde. Es verhält sich damit gerade so wie mit Ciceros Episteln.

In der herzoglichen Bibliothek wurden die feinen Einbände meines Pathen Göckingk bei weitem übertroffen.

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[425/0433] Im Boudoir, wo die Herzogin nach dem Diner gern eine Patience auslegte, hingen ein paar gute Familienbildnisse; eine Wand mit Büchern bot eine Auswahl der besten Werke der französischen schönen Litteratur. Durch die Güte der Besitzerin war es mir vergönnt, mich mit den neusten Produkten bekannt zu machen. Die Herzogin empfahl mir unter andern dringend die Corinne der Frau von Stael. Die vollendete Schönheit der Darstellung mußte ich anerkennen, doch hatte ich mancherlei an der Schilderung der Karaktere auszusetzen. So schien es mir geradezu unnatürlich, daß die feurige poetische Italiänerin Corinna sich in einen steifen Engländer verliebt, der nicht eine Spur von Liebenswürdigkeit besitzt. Diese und ähnliche Ausstellungen, die ich an dem Buche zu machen fand, wurden oft bei der friedlichen Patience besprochen, und so weit die Meinungen auch aus einander gingen, so vergaß ich doch nie den dritten Erziehungsgrundsatz von Madame Clause. Die berühmten Briefe der Frau von Sévigné kamen nun auch an die Reihe. In des Grosvaters Bibliothek hatten mich die acht Bände etwas abgeschreckt; hier in Paris ging ich frisch darauf los, kam aber doch nicht sehr weit. Die Darstellung einer edlen Frau in ihren eignen intimsten Aeußerungen gegen ihre Tochter hat ohne Zweifel eine große Süßigkeit; man kann jedoch nicht immer Süßigkeiten zu sich nehmen. Der Inhalt der Briefe ist zu gering, als daß man durch die mustergültige Form auf die Dauer gefesselt würde. Es verhält sich damit gerade so wie mit Ciceros Episteln. In der herzoglichen Bibliothek wurden die feinen Einbände meines Pathen Göckingk bei weitem übertroffen.

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Zitationshilfe: Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871], S. 425. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen02_1871/433>, abgerufen am 24.11.2024.