Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871].wo er (damals Graf von Perigord) in Berlin als Gefangner sich aufhielt. Nach Tische deklamirten seine beiden Söhne eine Scene aus der Iphigenie von Racine, für Knaben von 7 und 9 Jahren fast zu gut. Ihr Hauslehrer Monsieur Martin brachte die Kinder manchmal zur Grosmutter, und machte dort einige Versuche, mit mir deutsch zu reden, auf die Gefahr hin sich die Zunge zu zerbrechen. Mit dem Herzogthume Dino hatte es folgende Bewandniß. Talleyrand bemühte sich bei den Friedenschlüssen von 1815 sehr kräftig für die Wiederherstellung der weltlichen Herrschaft des Papstes Pius VII. Dafür schenkte ihm dieser das im Süden des Kirchenstaates gelegene Titularherzogthum Dino. Talleyrand übertrug es auf seinen Neffen, den Grafen von Perigord, und so wurde Prinzeßchen Dorothea zur Herzogin von Dino. Der Fürst hatte früher das Palais du Luxembourg inne gehabt, und erhielt darauf ein immenses Hotel an der Ecke der Rue Saint Florentin, wo er im Jahre 1814 den Kaiser Alexander I. von Rußland als Gast bei sich sah. Talleyrand bewohnte den ganzen ersten Stock, im zweiten weilte seine Nichte die Herzogin von Dino mit ihrer Familie. Da sie in allen seinen Gesellschaften die Honneurs machte, so war sie der Mühe überhoben, ein eignes Haus zu halten. Im vierten Stocke unter dem Dache und gänzlich unsichtbar hauste Madame Grant, eine Engländerin, mit welcher der Fürst früher zusammen gelebt. Man beschrieb sie mir als eine femme entre deux ages, die keineswegs durch Geist ausgezeichnet sei. Sie sollte es, wie man behauptete, halb in Güte und halb mit Gewalt dahin gebracht haben, daß der Fürst dieses illegitime Verhältniß durch ein Breve Pius VII. legalisiren ließ. wo er (damals Graf von Périgord) in Berlin als Gefangner sich aufhielt. Nach Tische deklamirten seine beiden Söhne eine Scene aus der Iphigénie von Racine, für Knaben von 7 und 9 Jahren fast zu gut. Ihr Hauslehrer Monsieur Martin brachte die Kinder manchmal zur Grosmutter, und machte dort einige Versuche, mit mir deutsch zu reden, auf die Gefahr hin sich die Zunge zu zerbrechen. Mit dem Herzogthume Dino hatte es folgende Bewandniß. Talleyrand bemühte sich bei den Friedenschlüssen von 1815 sehr kräftig für die Wiederherstellung der weltlichen Herrschaft des Papstes Pius VII. Dafür schenkte ihm dieser das im Süden des Kirchenstaates gelegene Titularherzogthum Dino. Talleyrand übertrug es auf seinen Neffen, den Grafen von Périgord, und so wurde Prinzeßchen Dorothea zur Herzogin von Dino. Der Fürst hatte früher das Palais du Luxembourg inne gehabt, und erhielt darauf ein immenses Hôtel an der Ecke der Rue Saint Florentin, wo er im Jahre 1814 den Kaiser Alexander I. von Rußland als Gast bei sich sah. Talleyrand bewohnte den ganzen ersten Stock, im zweiten weilte seine Nichte die Herzogin von Dino mit ihrer Familie. Da sie in allen seinen Gesellschaften die Honneurs machte, so war sie der Mühe überhoben, ein eignes Haus zu halten. Im vierten Stocke unter dem Dache und gänzlich unsichtbar hauste Madame Grant, eine Engländerin, mit welcher der Fürst früher zusammen gelebt. Man beschrieb sie mir als eine femme entre deux âges, die keineswegs durch Geist ausgezeichnet sei. Sie sollte es, wie man behauptete, halb in Güte und halb mit Gewalt dahin gebracht haben, daß der Fürst dieses illegitime Verhältniß durch ein Breve Pius VII. legalisiren ließ. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0435" n="427"/> wo er (damals Graf von Périgord) in Berlin als Gefangner sich aufhielt. Nach Tische deklamirten seine beiden Söhne eine Scene aus der Iphigénie von Racine, für Knaben von 7 und 9 Jahren fast zu gut. 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Da sie in allen seinen Gesellschaften die Honneurs machte, so war sie der Mühe überhoben, ein eignes Haus zu halten. Im vierten Stocke unter dem Dache und gänzlich unsichtbar hauste Madame Grant, eine Engländerin, mit welcher der Fürst früher zusammen gelebt. Man beschrieb sie mir als eine femme entre deux âges, die keineswegs durch Geist ausgezeichnet sei. Sie sollte es, wie man behauptete, halb in Güte und halb mit Gewalt dahin gebracht haben, daß der Fürst dieses illegitime Verhältniß durch ein Breve Pius VII. legalisiren ließ. </p> </div> </body> </text> </TEI> [427/0435]
wo er (damals Graf von Périgord) in Berlin als Gefangner sich aufhielt. Nach Tische deklamirten seine beiden Söhne eine Scene aus der Iphigénie von Racine, für Knaben von 7 und 9 Jahren fast zu gut. Ihr Hauslehrer Monsieur Martin brachte die Kinder manchmal zur Grosmutter, und machte dort einige Versuche, mit mir deutsch zu reden, auf die Gefahr hin sich die Zunge zu zerbrechen.
Mit dem Herzogthume Dino hatte es folgende Bewandniß. Talleyrand bemühte sich bei den Friedenschlüssen von 1815 sehr kräftig für die Wiederherstellung der weltlichen Herrschaft des Papstes Pius VII. Dafür schenkte ihm dieser das im Süden des Kirchenstaates gelegene Titularherzogthum Dino. Talleyrand übertrug es auf seinen Neffen, den Grafen von Périgord, und so wurde Prinzeßchen Dorothea zur Herzogin von Dino.
Der Fürst hatte früher das Palais du Luxembourg inne gehabt, und erhielt darauf ein immenses Hôtel an der Ecke der Rue Saint Florentin, wo er im Jahre 1814 den Kaiser Alexander I. von Rußland als Gast bei sich sah. Talleyrand bewohnte den ganzen ersten Stock, im zweiten weilte seine Nichte die Herzogin von Dino mit ihrer Familie. Da sie in allen seinen Gesellschaften die Honneurs machte, so war sie der Mühe überhoben, ein eignes Haus zu halten. Im vierten Stocke unter dem Dache und gänzlich unsichtbar hauste Madame Grant, eine Engländerin, mit welcher der Fürst früher zusammen gelebt. Man beschrieb sie mir als eine femme entre deux âges, die keineswegs durch Geist ausgezeichnet sei. Sie sollte es, wie man behauptete, halb in Güte und halb mit Gewalt dahin gebracht haben, daß der Fürst dieses illegitime Verhältniß durch ein Breve Pius VII. legalisiren ließ.
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