Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871].anderen Freunden ähnliche Maskennamen erfunden, und mir einmal den Zettel gezeigt hatte. In Erinnerung an die Löbichauer Bibliothek wählte ich mir den Beinamen Vult oder Quoddensvult, der mir noch jetzt bei den wenigen Mitgliedern jenes frohen Jugendkreises geblieben ist. Fritz, der mittlerweile als Kürassier in das östreichische Heer eingetreten war, jubelte über unsre Geheimschrift, und verfehlte nicht, jeden seiner Briefe mit so vielen Necknamen als möglich zu würzen. In Ganzels Kreise sah ich einen jungen sehr geschickten Baumeister Arnold aus Strasburg, mit dem gar bald ein gemeinsames Kunstinteresse mich näher verband. Es handelte sich dabei um eine genauere Einsicht in das Wesen und den Werth der gothischen Baukunst. Diese war in der damaligen Zeit weder gekannt noch geachtet. Goethes begeistertes Erstlingswort über Erwin von Steinbach verhallte ohne Nachklang; sein unbegreiflich verkehrtes Urtheil über den mailänder Dom habe ich schon oben (2. p. 68) angeführt. Es ist bekannt, daß Göthe anfangs mit bedeutender Grobheit die Gebrüder Boissere zurückwies, als diese ihre Studien über den Kölner Dom ihm vorlegen wollten. Zuletzt ward Göthe mehr durch die Ueberzeugung seiner Freunde als durch seine eigne umgestimmt: denn so wie in der Malerei und Skulptur, so fehlte ihm auch in der Baukunst ein selbständiges Kunsturtheil. Dies kann indessen der geistigen Größe des Mannes keinen Eintrag thun: denn wer möchte verkennen, daß Göthe sein ganzes Leben hindurch mit dem redlichsten Willen bemüht war, die Kunst nach allen seinen Kräften zu fördern? An guten architektonischen Werken über die Gothik anderen Freunden ähnliche Maskennamen erfunden, und mir einmal den Zettel gezeigt hatte. In Erinnerung an die Löbichauer Bibliothek wählte ich mir den Beinamen Vult oder Quoddensvult, der mir noch jetzt bei den wenigen Mitgliedern jenes frohen Jugendkreises geblieben ist. Fritz, der mittlerweile als Kürassier in das östreichische Heer eingetreten war, jubelte über unsre Geheimschrift, und verfehlte nicht, jeden seiner Briefe mit so vielen Necknamen als möglich zu würzen. In Ganzels Kreise sah ich einen jungen sehr geschickten Baumeister Arnold aus Strasburg, mit dem gar bald ein gemeinsames Kunstinteresse mich näher verband. Es handelte sich dabei um eine genauere Einsicht in das Wesen und den Werth der gothischen Baukunst. Diese war in der damaligen Zeit weder gekannt noch geachtet. Goethes begeistertes Erstlingswort über Erwin von Steinbach verhallte ohne Nachklang; sein unbegreiflich verkehrtes Urtheil über den mailänder Dom habe ich schon oben (2. p. 68) angeführt. Es ist bekannt, daß Göthe anfangs mit bedeutender Grobheit die Gebrüder Boissere zurückwies, als diese ihre Studien über den Kölner Dom ihm vorlegen wollten. Zuletzt ward Göthe mehr durch die Ueberzeugung seiner Freunde als durch seine eigne umgestimmt: denn so wie in der Malerei und Skulptur, so fehlte ihm auch in der Baukunst ein selbständiges Kunsturtheil. Dies kann indessen der geistigen Größe des Mannes keinen Eintrag thun: denn wer möchte verkennen, daß Göthe sein ganzes Leben hindurch mit dem redlichsten Willen bemüht war, die Kunst nach allen seinen Kräften zu fördern? An guten architektonischen Werken über die Gothik <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0448" n="440"/> anderen Freunden ähnliche Maskennamen erfunden, und mir einmal den Zettel gezeigt hatte. In Erinnerung an die Löbichauer Bibliothek wählte ich mir den Beinamen Vult oder Quoddensvult, der mir noch jetzt bei den wenigen Mitgliedern jenes frohen Jugendkreises geblieben ist. 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Zuletzt ward Göthe mehr durch die Ueberzeugung seiner Freunde als durch seine eigne umgestimmt: denn so wie in der Malerei und Skulptur, so fehlte ihm auch in der Baukunst ein selbständiges Kunsturtheil. Dies kann indessen der geistigen Größe des Mannes keinen Eintrag thun: denn wer möchte verkennen, daß Göthe sein ganzes Leben hindurch mit dem redlichsten Willen bemüht war, die Kunst nach allen seinen Kräften zu fördern? </p><lb/> <p>An guten architektonischen Werken über die Gothik </p> </div> </body> </text> </TEI> [440/0448]
anderen Freunden ähnliche Maskennamen erfunden, und mir einmal den Zettel gezeigt hatte. In Erinnerung an die Löbichauer Bibliothek wählte ich mir den Beinamen Vult oder Quoddensvult, der mir noch jetzt bei den wenigen Mitgliedern jenes frohen Jugendkreises geblieben ist. Fritz, der mittlerweile als Kürassier in das östreichische Heer eingetreten war, jubelte über unsre Geheimschrift, und verfehlte nicht, jeden seiner Briefe mit so vielen Necknamen als möglich zu würzen.
In Ganzels Kreise sah ich einen jungen sehr geschickten Baumeister Arnold aus Strasburg, mit dem gar bald ein gemeinsames Kunstinteresse mich näher verband. Es handelte sich dabei um eine genauere Einsicht in das Wesen und den Werth der gothischen Baukunst. Diese war in der damaligen Zeit weder gekannt noch geachtet. Goethes begeistertes Erstlingswort über Erwin von Steinbach verhallte ohne Nachklang; sein unbegreiflich verkehrtes Urtheil über den mailänder Dom habe ich schon oben (2. p. 68) angeführt. Es ist bekannt, daß Göthe anfangs mit bedeutender Grobheit die Gebrüder Boissere zurückwies, als diese ihre Studien über den Kölner Dom ihm vorlegen wollten. Zuletzt ward Göthe mehr durch die Ueberzeugung seiner Freunde als durch seine eigne umgestimmt: denn so wie in der Malerei und Skulptur, so fehlte ihm auch in der Baukunst ein selbständiges Kunsturtheil. Dies kann indessen der geistigen Größe des Mannes keinen Eintrag thun: denn wer möchte verkennen, daß Göthe sein ganzes Leben hindurch mit dem redlichsten Willen bemüht war, die Kunst nach allen seinen Kräften zu fördern?
An guten architektonischen Werken über die Gothik
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