Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871].u. s. w. Hierüber bemerkte Sicard, daß auch eine wörtliche Schreibung erfolgt sein würde, wenn er (Sicard) die ganze Frage hätte vorbuchstabiren wollen. Die Antwort war etwas lang, aber ganz korrekt: die Lilie sei das uralte Wappenzeichen der jetzt regierenden bourbonischen Dynastie, der Adler gehöre dem vorigen Regime, das Frankreich durch so viele Siege verherrlicht habe. Dagegen konnte der bebänderte Herr nichts einwenden. Die königliche Bibliothek in der Rue de Richelieu besuchte ich gleich in den ersten Tagen meines Aufenthaltes, und ward vom Professor Hase, an den Humboldt mich empfohlen, auf das freundlichste empfangen. Er kam schon im Anfange dieses Jahrhunderts nach Paris, stand jetzt als Conservator der klassischen Handschriften an der Bibliothek, und versah zugleich eine Professur des neugriechischen an der orientalischen Sprachschule. Seine gediegene Gelehrsamkeit in den alten Sprachen machte ihn zum Orakel für alle pariser Professoren, die sich im altgriechischen nicht ganz sattelfest fühlten. Dies war bei den meisten jüngeren Leuten der Fall: denn Napoleon I. hatte, sobald er zur Gewalt gelangte, das Studium des griechischen fast gänzlich unterdrückt, damit die Jugend keine Freiheitsideen aus den hellenischen Autoren einsauge. Hase sagte mir, als er erfuhr, daß ich zum ersten Male in Paris sei, er werde nun vorerst die Honneurs seines Hauses machen, und führte mich durch alle Räume des großen, früher von Mazarin bewohnten Gebäudes. Die Menge der Handschriften, von denen einige der werthvollsten vorgezeigt wurden, erregte meine ganze Bewunde- u. s. w. Hierüber bemerkte Sicard, daß auch eine wörtliche Schreibung erfolgt sein würde, wenn er (Sicard) die ganze Frage hätte vorbuchstabiren wollen. Die Antwort war etwas lang, aber ganz korrekt: die Lilie sei das uralte Wappenzeichen der jetzt regierenden bourbonischen Dynastie, der Adler gehöre dem vorigen Regime, das Frankreich durch so viele Siege verherrlicht habe. Dagegen konnte der bebänderte Herr nichts einwenden. Die königliche Bibliothek in der Rue de Richelieu besuchte ich gleich in den ersten Tagen meines Aufenthaltes, und ward vom Professor Hase, an den Humboldt mich empfohlen, auf das freundlichste empfangen. Er kam schon im Anfange dieses Jahrhunderts nach Paris, stand jetzt als Conservator der klassischen Handschriften an der Bibliothek, und versah zugleich eine Professur des neugriechischen an der orientalischen Sprachschule. Seine gediegene Gelehrsamkeit in den alten Sprachen machte ihn zum Orakel für alle pariser Professoren, die sich im altgriechischen nicht ganz sattelfest fühlten. Dies war bei den meisten jüngeren Leuten der Fall: denn Napoléon I. hatte, sobald er zur Gewalt gelangte, das Studium des griechischen fast gänzlich unterdrückt, damit die Jugend keine Freiheitsideen aus den hellenischen Autoren einsauge. Hase sagte mir, als er erfuhr, daß ich zum ersten Male in Paris sei, er werde nun vorerst die Honneurs seines Hauses machen, und führte mich durch alle Räume des großen, früher von Mazarin bewohnten Gebäudes. Die Menge der Handschriften, von denen einige der werthvollsten vorgezeigt wurden, erregte meine ganze Bewunde- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0473" n="465"/> u. s. w. Hierüber bemerkte Sicard, daß auch eine wörtliche Schreibung erfolgt sein würde, wenn er (Sicard) die ganze Frage hätte vorbuchstabiren wollen. Die Antwort war etwas lang, aber ganz korrekt: die Lilie sei das uralte Wappenzeichen der jetzt regierenden bourbonischen Dynastie, der Adler gehöre dem vorigen Regime, das Frankreich durch so viele Siege verherrlicht habe. Dagegen konnte der bebänderte Herr nichts einwenden. </p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p>Die königliche Bibliothek in der Rue de Richelieu besuchte ich gleich in den ersten Tagen meines Aufenthaltes, und ward vom Professor Hase, an den Humboldt mich empfohlen, auf das freundlichste empfangen. Er kam schon im Anfange dieses Jahrhunderts nach Paris, stand jetzt als Conservator der klassischen Handschriften an der Bibliothek, und versah zugleich eine Professur des neugriechischen an der orientalischen Sprachschule. Seine gediegene Gelehrsamkeit in den alten Sprachen machte ihn zum Orakel für alle pariser Professoren, die sich im altgriechischen nicht ganz sattelfest fühlten. Dies war bei den meisten jüngeren Leuten der Fall: denn Napoléon I. hatte, sobald er zur Gewalt gelangte, das Studium des griechischen fast gänzlich unterdrückt, damit die Jugend keine Freiheitsideen aus den hellenischen Autoren einsauge. </p><lb/> <p>Hase sagte mir, als er erfuhr, daß ich zum ersten Male in Paris sei, er werde nun vorerst die Honneurs seines Hauses machen, und führte mich durch alle Räume des großen, früher von Mazarin bewohnten Gebäudes. Die Menge der Handschriften, von denen einige der werthvollsten vorgezeigt wurden, erregte meine ganze Bewunde- </p> </div> </body> </text> </TEI> [465/0473]
u. s. w. Hierüber bemerkte Sicard, daß auch eine wörtliche Schreibung erfolgt sein würde, wenn er (Sicard) die ganze Frage hätte vorbuchstabiren wollen. Die Antwort war etwas lang, aber ganz korrekt: die Lilie sei das uralte Wappenzeichen der jetzt regierenden bourbonischen Dynastie, der Adler gehöre dem vorigen Regime, das Frankreich durch so viele Siege verherrlicht habe. Dagegen konnte der bebänderte Herr nichts einwenden.
Die königliche Bibliothek in der Rue de Richelieu besuchte ich gleich in den ersten Tagen meines Aufenthaltes, und ward vom Professor Hase, an den Humboldt mich empfohlen, auf das freundlichste empfangen. Er kam schon im Anfange dieses Jahrhunderts nach Paris, stand jetzt als Conservator der klassischen Handschriften an der Bibliothek, und versah zugleich eine Professur des neugriechischen an der orientalischen Sprachschule. Seine gediegene Gelehrsamkeit in den alten Sprachen machte ihn zum Orakel für alle pariser Professoren, die sich im altgriechischen nicht ganz sattelfest fühlten. Dies war bei den meisten jüngeren Leuten der Fall: denn Napoléon I. hatte, sobald er zur Gewalt gelangte, das Studium des griechischen fast gänzlich unterdrückt, damit die Jugend keine Freiheitsideen aus den hellenischen Autoren einsauge.
Hase sagte mir, als er erfuhr, daß ich zum ersten Male in Paris sei, er werde nun vorerst die Honneurs seines Hauses machen, und führte mich durch alle Räume des großen, früher von Mazarin bewohnten Gebäudes. Die Menge der Handschriften, von denen einige der werthvollsten vorgezeigt wurden, erregte meine ganze Bewunde-
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