Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871].schriften abgeläugnet, von denen er positiv wußte, daß sie von Paris zurückgeliefert waren. Er getraute sich zu behaupten, daß, wenn man aufs Gerathewohl 100 pariser Handschriften auswähle und 10 vatikanische, man in diesen zehn mehr neues finden werde als in den hundert parisern. Mit großem Nutzen besuchte ich die Kunstsamlungen im Louvre, die weit entfernt von ihrer jetzigen Ausdehnung, nur das Antikenkabinet und die Bildergallerie umfaßten. Doch auch in diesen beiden Abtheilungen gab es genug zu sehn und zu lernen. Im Antikenkabinet kam mir die Kenntniß des Millin sehr zu Statten; unter den Statuen und Basreliefs fand ich manche alte Bekannte. Ein großer Theil der Antiken stammte aus dem Palazzo Borghese in Rom. Der Fürst Camillo Borghese hatte Napoleons I. Schwester Pauline geheirathet, und seine Kunstschätze für acht Millionen Franken seinem Schwager verkauft. Zu meiner Zeit fehlte noch das jetzige Hauptkleinod der Samlung, die Venus von Melos, doch konnten der borghesische Fechter, die Diana von Versailles, die ächte Schwester des belvederischen Apollo, die Flora von Versailles, die Pallas von Velletri und die Melpomene für Statuen ersten Ranges gelten. Damals gab es in Paris noch keine assyrischen, ägyptischen und kleinasiatischen Alterthümer, eben so wenig wie ein algierisches und amerikanisches Museum. Das treffliche Werk von Clarac existirte auch noch nicht; man mußte sich mit einem sehr ungenügenden Kataloge behelfen, der mit französischer Leichtfertigkeit gemacht, die Forschung oft im Stiche ließ. schriften abgeläugnet, von denen er positiv wußte, daß sie von Paris zurückgeliefert waren. Er getraute sich zu behaupten, daß, wenn man aufs Gerathewohl 100 pariser Handschriften auswähle und 10 vatikanische, man in diesen zehn mehr neues finden werde als in den hundert parisern. Mit großem Nutzen besuchte ich die Kunstsamlungen im Louvre, die weit entfernt von ihrer jetzigen Ausdehnung, nur das Antikenkabinet und die Bildergallerie umfaßten. Doch auch in diesen beiden Abtheilungen gab es genug zu sehn und zu lernen. Im Antikenkabinet kam mir die Kenntniß des Millin sehr zu Statten; unter den Statuen und Basreliefs fand ich manche alte Bekannte. Ein großer Theil der Antiken stammte aus dem Palazzo Borghese in Rom. Der Fürst Camillo Borghese hatte Napoléons I. Schwester Pauline geheirathet, und seine Kunstschätze für acht Millionen Franken seinem Schwager verkauft. Zu meiner Zeit fehlte noch das jetzige Hauptkleinod der Samlung, die Venus von Melos, doch konnten der borghesische Fechter, die Diana von Versailles, die ächte Schwester des belvederischen Apollo, die Flora von Versailles, die Pallas von Velletri und die Melpomene für Statuen ersten Ranges gelten. Damals gab es in Paris noch keine assyrischen, ägyptischen und kleinasiatischen Alterthümer, eben so wenig wie ein algierisches und amerikanisches Museum. Das treffliche Werk von Clarac existirte auch noch nicht; man mußte sich mit einem sehr ungenügenden Kataloge behelfen, der mit französischer Leichtfertigkeit gemacht, die Forschung oft im Stiche ließ. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0475" n="467"/> schriften abgeläugnet, von denen er positiv wußte, daß sie von Paris zurückgeliefert waren. Er getraute sich zu behaupten, daß, wenn man aufs Gerathewohl 100 pariser Handschriften auswähle und 10 vatikanische, man in diesen zehn mehr neues finden werde als in den hundert parisern. </p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p>Mit großem Nutzen besuchte ich die Kunstsamlungen im Louvre, die weit entfernt von ihrer jetzigen Ausdehnung, nur das Antikenkabinet und die Bildergallerie umfaßten. Doch auch in diesen beiden Abtheilungen gab es genug zu sehn und zu lernen. Im Antikenkabinet kam mir die Kenntniß des Millin sehr zu Statten; unter den Statuen und Basreliefs fand ich manche alte Bekannte. Ein großer Theil der Antiken stammte aus dem Palazzo Borghese in Rom. Der Fürst Camillo Borghese hatte Napoléons I. Schwester Pauline geheirathet, und seine Kunstschätze für acht Millionen Franken seinem Schwager verkauft. Zu meiner Zeit fehlte noch das jetzige Hauptkleinod der Samlung, die Venus von Melos, doch konnten der borghesische Fechter, die Diana von Versailles, die ächte Schwester des belvederischen Apollo, die Flora von Versailles, die Pallas von Velletri und die Melpomene für Statuen ersten Ranges gelten. </p><lb/> <p>Damals gab es in Paris noch keine assyrischen, ägyptischen und kleinasiatischen Alterthümer, eben so wenig wie ein algierisches und amerikanisches Museum. </p><lb/> <p>Das treffliche Werk von Clarac existirte auch noch nicht; man mußte sich mit einem sehr ungenügenden Kataloge behelfen, der mit französischer Leichtfertigkeit gemacht, die Forschung oft im Stiche ließ. </p> </div> </body> </text> </TEI> [467/0475]
schriften abgeläugnet, von denen er positiv wußte, daß sie von Paris zurückgeliefert waren. Er getraute sich zu behaupten, daß, wenn man aufs Gerathewohl 100 pariser Handschriften auswähle und 10 vatikanische, man in diesen zehn mehr neues finden werde als in den hundert parisern.
Mit großem Nutzen besuchte ich die Kunstsamlungen im Louvre, die weit entfernt von ihrer jetzigen Ausdehnung, nur das Antikenkabinet und die Bildergallerie umfaßten. Doch auch in diesen beiden Abtheilungen gab es genug zu sehn und zu lernen. Im Antikenkabinet kam mir die Kenntniß des Millin sehr zu Statten; unter den Statuen und Basreliefs fand ich manche alte Bekannte. Ein großer Theil der Antiken stammte aus dem Palazzo Borghese in Rom. Der Fürst Camillo Borghese hatte Napoléons I. Schwester Pauline geheirathet, und seine Kunstschätze für acht Millionen Franken seinem Schwager verkauft. Zu meiner Zeit fehlte noch das jetzige Hauptkleinod der Samlung, die Venus von Melos, doch konnten der borghesische Fechter, die Diana von Versailles, die ächte Schwester des belvederischen Apollo, die Flora von Versailles, die Pallas von Velletri und die Melpomene für Statuen ersten Ranges gelten.
Damals gab es in Paris noch keine assyrischen, ägyptischen und kleinasiatischen Alterthümer, eben so wenig wie ein algierisches und amerikanisches Museum.
Das treffliche Werk von Clarac existirte auch noch nicht; man mußte sich mit einem sehr ungenügenden Kataloge behelfen, der mit französischer Leichtfertigkeit gemacht, die Forschung oft im Stiche ließ.
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