Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871].der mehr Unglück über die Welt gebracht, als irgend ein anderer Herrscher vor ihm. Clapier blickte während dieser Tiraden zuweilen von seinen Cinq codes auf, schien aber des italiänischen zu wenig kundig, um folgen zu können. Ueber Napoleon hatte Clapier mir schon vorher mit vieler Ruhe und mit vollkomner Ueberzeugung gesagt: son role en France est joue! Beim Hinabfahren von der montagne de Tarare ward uns eine seltene Ueberraschung zu Theil. Neben dem Wagen erschien plötzlich auf einem weißen schäumenden Araber ein glänzender türkischer Reiter in scharlachrother Jacke, blauen goldgestickten Beinkleidern, mit weißem Turban und sichelförmigem Säbel geschmückt. Antonio, der weit herumgekommen war, rief ihm aus seinem Fenster ein lautes Salam aleikum! zu, aber er hörte nicht darauf und trabte weiter. Clapier sah zum andern Fenster hinaus und rief: ils en viennent encore! und bald sahen wir eine Reihe von 30 bis 40 prächtigen Pferden herankommen, jedes von einem bunten türkischen Reitknechte am Zügel geführt. Es waren arabische Thiere, die der Herzog von Angouleme aus Algier nach Paris kommen ließ, um die französische Zucht zu verbessern. Auf der Reise von Paris her regnete es jede Nacht, in Lyon empfing uns am 1. März heller Sonnenschein und laues Frühlingswehn. Die Bäume waren zwar noch nicht grün, doch von den letzten Höhen des Weges blickte man in eine weite, grünlich angelaufene Ebne hinab. Im Hotel de Milan, wo ich gute Unterkunft erhielt, war der Graf von Medem noch nicht angekommen. Nach Hilscher fragte ich zuerst bei dem sehr artigen Hauswirte, dann bei dem Banquier Audiffret. An beiden Orten erhielt ich der mehr Unglück über die Welt gebracht, als irgend ein anderer Herrscher vor ihm. Clapier blickte während dieser Tiraden zuweilen von seinen Cinq codes auf, schien aber des italiänischen zu wenig kundig, um folgen zu können. Ueber Napoléon hatte Clapier mir schon vorher mit vieler Ruhe und mit vollkomner Ueberzeugung gesagt: son rôle en France est joué! Beim Hinabfahren von der montagne de Tarare ward uns eine seltene Ueberraschung zu Theil. Neben dem Wagen erschien plötzlich auf einem weißen schäumenden Araber ein glänzender türkischer Reiter in scharlachrother Jacke, blauen goldgestickten Beinkleidern, mit weißem Turban und sichelförmigem Säbel geschmückt. Antonio, der weit herumgekommen war, rief ihm aus seinem Fenster ein lautes Salam aleikum! zu, aber er hörte nicht darauf und trabte weiter. Clapier sah zum andern Fenster hinaus und rief: ils en viennent encore! und bald sahen wir eine Reihe von 30 bis 40 prächtigen Pferden herankommen, jedes von einem bunten türkischen Reitknechte am Zügel geführt. Es waren arabische Thiere, die der Herzog von Angoulême aus Algier nach Paris kommen ließ, um die französische Zucht zu verbessern. Auf der Reise von Paris her regnete es jede Nacht, in Lyon empfing uns am 1. März heller Sonnenschein und laues Frühlingswehn. Die Bäume waren zwar noch nicht grün, doch von den letzten Höhen des Weges blickte man in eine weite, grünlich angelaufene Ebne hinab. Im Hotel de Milan, wo ich gute Unterkunft erhielt, war der Graf von Medem noch nicht angekommen. Nach Hilscher fragte ich zuerst bei dem sehr artigen Hauswirte, dann bei dem Banquier Audiffret. An beiden Orten erhielt ich <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0486" n="478"/> der mehr Unglück über die Welt gebracht, als irgend ein anderer Herrscher vor ihm. Clapier blickte während dieser Tiraden zuweilen von seinen Cinq codes auf, schien aber des italiänischen zu wenig kundig, um folgen zu können. 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der mehr Unglück über die Welt gebracht, als irgend ein anderer Herrscher vor ihm. Clapier blickte während dieser Tiraden zuweilen von seinen Cinq codes auf, schien aber des italiänischen zu wenig kundig, um folgen zu können. Ueber Napoléon hatte Clapier mir schon vorher mit vieler Ruhe und mit vollkomner Ueberzeugung gesagt: son rôle en France est joué!
Beim Hinabfahren von der montagne de Tarare ward uns eine seltene Ueberraschung zu Theil. Neben dem Wagen erschien plötzlich auf einem weißen schäumenden Araber ein glänzender türkischer Reiter in scharlachrother Jacke, blauen goldgestickten Beinkleidern, mit weißem Turban und sichelförmigem Säbel geschmückt. Antonio, der weit herumgekommen war, rief ihm aus seinem Fenster ein lautes Salam aleikum! zu, aber er hörte nicht darauf und trabte weiter. Clapier sah zum andern Fenster hinaus und rief: ils en viennent encore! und bald sahen wir eine Reihe von 30 bis 40 prächtigen Pferden herankommen, jedes von einem bunten türkischen Reitknechte am Zügel geführt. Es waren arabische Thiere, die der Herzog von Angoulême aus Algier nach Paris kommen ließ, um die französische Zucht zu verbessern.
Auf der Reise von Paris her regnete es jede Nacht, in Lyon empfing uns am 1. März heller Sonnenschein und laues Frühlingswehn. Die Bäume waren zwar noch nicht grün, doch von den letzten Höhen des Weges blickte man in eine weite, grünlich angelaufene Ebne hinab. Im Hotel de Milan, wo ich gute Unterkunft erhielt, war der Graf von Medem noch nicht angekommen. Nach Hilscher fragte ich zuerst bei dem sehr artigen Hauswirte, dann bei dem Banquier Audiffret. An beiden Orten erhielt ich
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