Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871].

Bild:
<< vorherige Seite

nur zu sehr geneigt, alle und jede Zerstörung der athenischen Alterthümer auf Lord Elgins Rechnung zu setzen. Zu diesen gehört auch Lord Byron, der im Childe Harold und im Course of Minerva die heftigsten Diatriben losläßt. Ihm wird auch ein beißendes Epigramm auf Elgin zugeschrieben, dem durch Krankheit die Nase eingefallen war:

Noseless himself he brings home noseless blocks,

To shew what time can do, and what the pox.

Allein alle wahren Kunstfreunde mußten mit hoher Begeisterung das Factum begrüßen, daß diese Erwerbungen uns die Möglichkeit gaben, völlig authentische Skulpturen des Phidias kennen zu lernen, dem das ganze Alterthum den ersten Preis in der Bildnerei zuerkannte. Ja man mußte es Lord Elgin danken, daß er jene unschätzbaren Werke den Händen der Türken entzogen, bei denen sie doch früher oder später zu Grunde gegangen wären. Man erinnerte an das Jahr 1687, wo die Venezianer unter dem Dogen Morosini und dem General von Königsmarck Athen belagerten. Die Türken hatten in ihrer stupiden Weise den Parthenon zum Pulvermagazin gemacht, eine venezianische Bombe fiel hinein, und zerstörte die ganze südliche Langseite des herrlichen Pallastempels. Wer konnte dafür stehn, daß nicht bei dem nächsten Aufstande der Hellenen ähnliche Vernichtungen der köstlichsten alten Kunstwerke eintreten würden?

Diese und andre Rücksichten überwogen alle Einwendungen, als die Regierung den Ankauf der Samlung vorschlug, und das Parlament dieselbe im Jahre 1816 für 35,000 Pfund Sterling (240,000 Thaler) als Nationaleigenthum erwarb.

nur zu sehr geneigt, alle und jede Zerstörung der athenischen Alterthümer auf Lord Elgins Rechnung zu setzen. Zu diesen gehört auch Lord Byron, der im Childe Harold und im Course of Minerva die heftigsten Diatriben losläßt. Ihm wird auch ein beißendes Epigramm auf Elgin zugeschrieben, dem durch Krankheit die Nase eingefallen war:

Noseless himself he brings home noseless blocks,

To shew what time can do, and what the pox.

Allein alle wahren Kunstfreunde mußten mit hoher Begeisterung das Factum begrüßen, daß diese Erwerbungen uns die Möglichkeit gaben, völlig authentische Skulpturen des Phidias kennen zu lernen, dem das ganze Alterthum den ersten Preis in der Bildnerei zuerkannte. Ja man mußte es Lord Elgin danken, daß er jene unschätzbaren Werke den Händen der Türken entzogen, bei denen sie doch früher oder später zu Grunde gegangen wären. Man erinnerte an das Jahr 1687, wo die Venezianer unter dem Dogen Morosini und dem General von Königsmarck Athen belagerten. Die Türken hatten in ihrer stupiden Weise den Parthenon zum Pulvermagazin gemacht, eine venezianische Bombe fiel hinein, und zerstörte die ganze südliche Langseite des herrlichen Pallastempels. Wer konnte dafür stehn, daß nicht bei dem nächsten Aufstande der Hellenen ähnliche Vernichtungen der köstlichsten alten Kunstwerke eintreten würden?

Diese und andre Rücksichten überwogen alle Einwendungen, als die Regierung den Ankauf der Samlung vorschlug, und das Parlament dieselbe im Jahre 1816 für 35,000 Pfund Sterling (240,000 Thaler) als Nationaleigenthum erwarb.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0498" n="490"/>
nur zu sehr geneigt, alle und jede Zerstörung der athenischen Alterthümer auf Lord Elgins Rechnung zu setzen. Zu diesen gehört auch Lord Byron, der im Childe Harold und im Course of Minerva die heftigsten Diatriben losläßt. Ihm wird auch ein beißendes Epigramm auf Elgin zugeschrieben, dem durch Krankheit die Nase eingefallen war: </p><lb/>
        <p>Noseless himself he brings home noseless blocks, </p><lb/>
        <p>To shew what time can do, and what the pox. </p><lb/>
        <p>Allein alle wahren Kunstfreunde mußten mit hoher Begeisterung das Factum begrüßen, daß diese Erwerbungen uns die Möglichkeit gaben, völlig authentische Skulpturen des Phidias kennen zu lernen, dem das ganze Alterthum den ersten Preis in der Bildnerei zuerkannte. Ja man mußte es Lord Elgin danken, daß er jene unschätzbaren Werke den Händen der Türken entzogen, bei denen sie doch früher oder später zu Grunde gegangen wären. Man erinnerte an das Jahr 1687, wo die Venezianer unter dem Dogen Morosini und dem General von Königsmarck Athen belagerten. Die Türken hatten in ihrer stupiden Weise den Parthenon zum Pulvermagazin gemacht, eine venezianische Bombe fiel hinein, und zerstörte die ganze südliche Langseite des herrlichen Pallastempels. Wer konnte dafür stehn, daß nicht bei dem nächsten Aufstande der Hellenen ähnliche Vernichtungen der köstlichsten alten Kunstwerke eintreten würden? </p><lb/>
        <p>Diese und andre Rücksichten überwogen alle Einwendungen, als die Regierung den Ankauf der Samlung vorschlug, und das Parlament dieselbe im Jahre 1816 für 35,000 Pfund Sterling (240,000 Thaler) als Nationaleigenthum erwarb.
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[490/0498] nur zu sehr geneigt, alle und jede Zerstörung der athenischen Alterthümer auf Lord Elgins Rechnung zu setzen. Zu diesen gehört auch Lord Byron, der im Childe Harold und im Course of Minerva die heftigsten Diatriben losläßt. Ihm wird auch ein beißendes Epigramm auf Elgin zugeschrieben, dem durch Krankheit die Nase eingefallen war: Noseless himself he brings home noseless blocks, To shew what time can do, and what the pox. Allein alle wahren Kunstfreunde mußten mit hoher Begeisterung das Factum begrüßen, daß diese Erwerbungen uns die Möglichkeit gaben, völlig authentische Skulpturen des Phidias kennen zu lernen, dem das ganze Alterthum den ersten Preis in der Bildnerei zuerkannte. Ja man mußte es Lord Elgin danken, daß er jene unschätzbaren Werke den Händen der Türken entzogen, bei denen sie doch früher oder später zu Grunde gegangen wären. Man erinnerte an das Jahr 1687, wo die Venezianer unter dem Dogen Morosini und dem General von Königsmarck Athen belagerten. Die Türken hatten in ihrer stupiden Weise den Parthenon zum Pulvermagazin gemacht, eine venezianische Bombe fiel hinein, und zerstörte die ganze südliche Langseite des herrlichen Pallastempels. Wer konnte dafür stehn, daß nicht bei dem nächsten Aufstande der Hellenen ähnliche Vernichtungen der köstlichsten alten Kunstwerke eintreten würden? Diese und andre Rücksichten überwogen alle Einwendungen, als die Regierung den Ankauf der Samlung vorschlug, und das Parlament dieselbe im Jahre 1816 für 35,000 Pfund Sterling (240,000 Thaler) als Nationaleigenthum erwarb.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wolfgang Virmond: Bereitstellung der Texttranskription. (2014-01-07T13:04:32Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition. (2014-01-07T13:04:32Z)
Staatsbibliothek zu Berlin – Stiftung Preußischer Kulturbesitz: Bereitstellung der Bilddigitalisate (Sign. Av 4887-1) (2014-01-07T13:04:32Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Bogensignaturen: nicht übernommen
  • Kolumnentitel: nicht übernommen
  • Kustoden: nicht übernommen
  • langes s (ſ): als s transkribiert
  • Silbentrennung: aufgelöst
  • Zeilenumbrüche markiert: nein



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen02_1871
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen02_1871/498
Zitationshilfe: Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871], S. 490. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen02_1871/498>, abgerufen am 24.11.2024.