Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871].

Bild:
<< vorherige Seite

Maler richtig urtheilen könne; ich bemerkte ihm, daß demzufolge Tizian es nur für Maler gemalt habe, und jeder blieb bei seiner Meinung. Wie man den Tod des Petrus Martyr, die Ermordung zweier weiß und schwarz gekleideten Mönche durch Banditen oder gemeine Soldaten so unendlich hoch stellen könne, habe ich noch weniger begriffen.

Einer gleichen Ketzerei will ich mich gegen die Gaspard Poussinschen Landschaften anklagen, die bei Kohlrausch an den Bücherschränken prangten. Bei aller Großartigkeit der Linien schienen sie mir zu wenig Interesse in der Konception zu bieten. Für die bis zur Unkenntlichkeit nachgedunkelten Bilder in Dresden und für die gelehrten mythologischen Kompositionen von Nicolas Poussin habe ich mich auch nicht begeistern können.

Dagegen entzückten mich immer von neuem die wundervollen Bilder von Claude le Lorrain, von denen Kohlrausch die schönen klaren Stiche von Gmelin an seinen Schaufenstern uns zum Besten gab.

In diesen mannigfaltigen Blättern lernten wir die Kupferstecherkunst von andern Seiten kennen, als es bisher durch Chodowiecki der Fall gewesen; ich will nicht läugnen, daß dieser anfangs durch die Italiäner etwas in Schatten gestellt wurde, aber mit wachsender Einsicht erwachte die Liebe zu dem alten vertrauten Jugendgefährten von neuem, und ist seitdem nicht wieder erkaltet.

Die Bibliothek meines Onkels bestand zwar meist aus medizinischen Werken, doch hatte er während seines Aufenthaltes in Italien auch manches Gute aus der italiänischen Litteratur zusammengebracht. Bei ihm glaubte ich ein kleines Werkchen gesehn zu haben, was mir nachher nie

Maler richtig urtheilen könne; ich bemerkte ihm, daß demzufolge Tizian es nur für Maler gemalt habe, und jeder blieb bei seiner Meinung. Wie man den Tod des Petrus Martyr, die Ermordung zweier weiß und schwarz gekleideten Mönche durch Banditen oder gemeine Soldaten so unendlich hoch stellen könne, habe ich noch weniger begriffen.

Einer gleichen Ketzerei will ich mich gegen die Gaspard Poussinschen Landschaften anklagen, die bei Kohlrausch an den Bücherschränken prangten. Bei aller Großartigkeit der Linien schienen sie mir zu wenig Interesse in der Konception zu bieten. Für die bis zur Unkenntlichkeit nachgedunkelten Bilder in Dresden und für die gelehrten mythologischen Kompositionen von Nicolas Poussin habe ich mich auch nicht begeistern können.

Dagegen entzückten mich immer von neuem die wundervollen Bilder von Claude le Lorrain, von denen Kohlrausch die schönen klaren Stiche von Gmelin an seinen Schaufenstern uns zum Besten gab.

In diesen mannigfaltigen Blättern lernten wir die Kupferstecherkunst von andern Seiten kennen, als es bisher durch Chodowiecki der Fall gewesen; ich will nicht läugnen, daß dieser anfangs durch die Italiäner etwas in Schatten gestellt wurde, aber mit wachsender Einsicht erwachte die Liebe zu dem alten vertrauten Jugendgefährten von neuem, und ist seitdem nicht wieder erkaltet.

Die Bibliothek meines Onkels bestand zwar meist aus medizinischen Werken, doch hatte er während seines Aufenthaltes in Italien auch manches Gute aus der italiänischen Litteratur zusammengebracht. Bei ihm glaubte ich ein kleines Werkchen gesehn zu haben, was mir nachher nie

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0085" n="77"/>
Maler richtig urtheilen könne; ich bemerkte ihm, daß demzufolge Tizian es nur für Maler gemalt habe, und jeder blieb bei seiner Meinung. Wie man den Tod des Petrus Martyr, die Ermordung zweier weiß und schwarz gekleideten Mönche durch Banditen oder gemeine Soldaten so unendlich hoch stellen könne, habe ich noch weniger begriffen. </p><lb/>
        <p>Einer gleichen Ketzerei will ich mich gegen die Gaspard Poussinschen Landschaften anklagen, die bei Kohlrausch an den Bücherschränken prangten. Bei aller Großartigkeit der Linien schienen sie mir zu wenig Interesse in der Konception zu bieten. Für die bis zur Unkenntlichkeit nachgedunkelten Bilder in Dresden und für die gelehrten mythologischen Kompositionen von Nicolas Poussin habe ich mich auch nicht begeistern können. </p><lb/>
        <p>Dagegen entzückten mich immer von neuem die wundervollen Bilder von Claude le Lorrain, von denen Kohlrausch die schönen klaren Stiche von Gmelin an seinen Schaufenstern uns zum Besten gab. </p><lb/>
        <p>In diesen mannigfaltigen Blättern lernten wir die Kupferstecherkunst von andern Seiten kennen, als es bisher durch Chodowiecki der Fall gewesen; ich will nicht läugnen, daß dieser anfangs durch die Italiäner etwas in Schatten gestellt wurde, aber mit wachsender Einsicht erwachte die Liebe zu dem alten vertrauten Jugendgefährten von neuem, und ist seitdem nicht wieder erkaltet. </p><lb/>
        <p>Die Bibliothek meines Onkels bestand zwar meist aus medizinischen Werken, doch hatte er während seines Aufenthaltes in Italien auch manches Gute aus der italiänischen Litteratur zusammengebracht. Bei ihm glaubte ich ein kleines Werkchen gesehn zu haben, was mir nachher nie
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[77/0085] Maler richtig urtheilen könne; ich bemerkte ihm, daß demzufolge Tizian es nur für Maler gemalt habe, und jeder blieb bei seiner Meinung. Wie man den Tod des Petrus Martyr, die Ermordung zweier weiß und schwarz gekleideten Mönche durch Banditen oder gemeine Soldaten so unendlich hoch stellen könne, habe ich noch weniger begriffen. Einer gleichen Ketzerei will ich mich gegen die Gaspard Poussinschen Landschaften anklagen, die bei Kohlrausch an den Bücherschränken prangten. Bei aller Großartigkeit der Linien schienen sie mir zu wenig Interesse in der Konception zu bieten. Für die bis zur Unkenntlichkeit nachgedunkelten Bilder in Dresden und für die gelehrten mythologischen Kompositionen von Nicolas Poussin habe ich mich auch nicht begeistern können. Dagegen entzückten mich immer von neuem die wundervollen Bilder von Claude le Lorrain, von denen Kohlrausch die schönen klaren Stiche von Gmelin an seinen Schaufenstern uns zum Besten gab. In diesen mannigfaltigen Blättern lernten wir die Kupferstecherkunst von andern Seiten kennen, als es bisher durch Chodowiecki der Fall gewesen; ich will nicht läugnen, daß dieser anfangs durch die Italiäner etwas in Schatten gestellt wurde, aber mit wachsender Einsicht erwachte die Liebe zu dem alten vertrauten Jugendgefährten von neuem, und ist seitdem nicht wieder erkaltet. Die Bibliothek meines Onkels bestand zwar meist aus medizinischen Werken, doch hatte er während seines Aufenthaltes in Italien auch manches Gute aus der italiänischen Litteratur zusammengebracht. Bei ihm glaubte ich ein kleines Werkchen gesehn zu haben, was mir nachher nie

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wolfgang Virmond: Bereitstellung der Texttranskription. (2014-01-07T13:04:32Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition. (2014-01-07T13:04:32Z)
Staatsbibliothek zu Berlin – Stiftung Preußischer Kulturbesitz: Bereitstellung der Bilddigitalisate (Sign. Av 4887-1) (2014-01-07T13:04:32Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Bogensignaturen: nicht übernommen
  • Kolumnentitel: nicht übernommen
  • Kustoden: nicht übernommen
  • langes s (ſ): als s transkribiert
  • Silbentrennung: aufgelöst
  • Zeilenumbrüche markiert: nein



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen02_1871
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen02_1871/85
Zitationshilfe: Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871], S. 77. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen02_1871/85>, abgerufen am 21.11.2024.