Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871].

Bild:
<< vorherige Seite

Doch bald wurde er ganz in Schatten gestellt durch den ebenfalls aus Wien für uns erworbenen Herrn Bader. Das war eine Stimme, auf welche die Natur selbst den Stempel "Tenor" gedrückt. Die kräftigen Brusttöne reichten bis in eine bedeutende Höhe hinauf, und verschmolzen sich auf das glücklichste mit den Kopftönen, während man bei Stümer nur zu oft das fistuliren wahrnahm: Baders Don Ottavio im Don Juan wird allen unvergeßlich bleiben, die ihn gehört haben. Durch seinen Licinius erhielt die Vestalin von Spontini eine neue Weihe; den Pylades in der Iphigenie von Gluck konnte man nicht schöner und edler vortragen. Berühmt, und mit zu den "Geflügelten Worten" gerechnet wurde sein: "Ich bleibe hier" im Cortez von Spontini. Den höchsten Glanz erreichte er in der Stummen von Portici als Masaniello. Hier vereinigte sich der ausdrucksvollste Gesang mit dem natürlichsten Spiele zu einem vollendeten dramatischen Gemälde.

Der junge Bassist Blume, den wir zuerst am Neujahrstage 1811 gehört, erfüllte die ihm von Zelter gestellte Prophezeiung und wurde einer der beliebtesten Sänger der Berliner Oper. Von unverwüstlicher Kraft und von guter musikalischer Anlage war er jeder Baßrolle gewachsen. Bei dem unglücklichen Schillschen Zuge stürzte er mit dem Pferde und verletzte sich so schwer, da0 er etwas schief blieb. Er wußte dies aber so gut zu verbergen, daß man ihn auf der Bühne für den schlankesten bestgewachsenen Mann hielt. Sein Don Juan, sein Graf Almaviva, sein Sarastro und viele andre Rollen erwarben ihm immer von neuem den wohlverdienten Beifall des Publikums. Den Thoas in der Iphigenie von Gluck habe ich nach ihm nicht wieder so gut gehört. Als Herkules

Doch bald wurde er ganz in Schatten gestellt durch den ebenfalls aus Wien für uns erworbenen Herrn Bader. Das war eine Stimme, auf welche die Natur selbst den Stempel „Tenor“ gedrückt. Die kräftigen Brusttöne reichten bis in eine bedeutende Höhe hinauf, und verschmolzen sich auf das glücklichste mit den Kopftönen, während man bei Stümer nur zu oft das fistuliren wahrnahm: Baders Don Ottavio im Don Juan wird allen unvergeßlich bleiben, die ihn gehört haben. Durch seinen Licinius erhielt die Vestalin von Spontini eine neue Weihe; den Pylades in der Iphigenie von Gluck konnte man nicht schöner und edler vortragen. Berühmt, und mit zu den „Geflügelten Worten“ gerechnet wurde sein: „Ich bleibe hier“ im Cortez von Spontini. Den höchsten Glanz erreichte er in der Stummen von Portici als Masaniello. Hier vereinigte sich der ausdrucksvollste Gesang mit dem natürlichsten Spiele zu einem vollendeten dramatischen Gemälde.

Der junge Bassist Blume, den wir zuerst am Neujahrstage 1811 gehört, erfüllte die ihm von Zelter gestellte Prophezeiung und wurde einer der beliebtesten Sänger der Berliner Oper. Von unverwüstlicher Kraft und von guter musikalischer Anlage war er jeder Baßrolle gewachsen. Bei dem unglücklichen Schillschen Zuge stürzte er mit dem Pferde und verletzte sich so schwer, da0 er etwas schief blieb. Er wußte dies aber so gut zu verbergen, daß man ihn auf der Bühne für den schlankesten bestgewachsenen Mann hielt. Sein Don Juan, sein Graf Almaviva, sein Sarastro und viele andre Rollen erwarben ihm immer von neuem den wohlverdienten Beifall des Publikums. Den Thoas in der Iphigenie von Gluck habe ich nach ihm nicht wieder so gut gehört. Als Herkules

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p>
          <pb facs="#f0097" n="89"/>
        </p><lb/>
        <p>Doch bald wurde er ganz in Schatten gestellt durch den ebenfalls aus Wien für uns erworbenen Herrn Bader. Das war eine Stimme, auf welche die Natur selbst den Stempel &#x201E;Tenor&#x201C; gedrückt. Die kräftigen Brusttöne reichten bis in eine bedeutende Höhe hinauf, und verschmolzen sich auf das glücklichste mit den Kopftönen, während man bei Stümer nur zu oft das fistuliren wahrnahm: Baders Don Ottavio im Don Juan wird allen unvergeßlich bleiben, die ihn gehört haben. Durch seinen Licinius erhielt die Vestalin von Spontini eine neue Weihe; den Pylades in der Iphigenie von Gluck konnte man nicht schöner und edler vortragen. Berühmt, und mit zu den &#x201E;Geflügelten Worten&#x201C; gerechnet wurde sein: &#x201E;Ich bleibe hier&#x201C; im Cortez von Spontini. Den höchsten Glanz erreichte er in der Stummen von Portici als Masaniello. Hier vereinigte sich der ausdrucksvollste Gesang mit dem natürlichsten Spiele zu einem vollendeten dramatischen Gemälde. </p><lb/>
        <p>Der junge Bassist Blume, den wir zuerst am Neujahrstage 1811 gehört, erfüllte die ihm von Zelter gestellte Prophezeiung und wurde einer der beliebtesten Sänger der Berliner Oper. Von unverwüstlicher Kraft und von guter musikalischer Anlage war er jeder Baßrolle gewachsen. Bei dem unglücklichen Schillschen Zuge stürzte er mit dem Pferde und verletzte sich so schwer, da0 er etwas schief blieb. Er wußte dies aber so gut zu verbergen, daß man ihn auf der Bühne für den schlankesten bestgewachsenen Mann hielt. Sein Don Juan, sein Graf Almaviva, sein Sarastro und viele andre Rollen erwarben ihm immer von neuem den wohlverdienten Beifall des Publikums. Den Thoas in der Iphigenie von Gluck habe ich nach ihm nicht wieder so gut gehört. Als Herkules
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[89/0097] Doch bald wurde er ganz in Schatten gestellt durch den ebenfalls aus Wien für uns erworbenen Herrn Bader. Das war eine Stimme, auf welche die Natur selbst den Stempel „Tenor“ gedrückt. Die kräftigen Brusttöne reichten bis in eine bedeutende Höhe hinauf, und verschmolzen sich auf das glücklichste mit den Kopftönen, während man bei Stümer nur zu oft das fistuliren wahrnahm: Baders Don Ottavio im Don Juan wird allen unvergeßlich bleiben, die ihn gehört haben. Durch seinen Licinius erhielt die Vestalin von Spontini eine neue Weihe; den Pylades in der Iphigenie von Gluck konnte man nicht schöner und edler vortragen. Berühmt, und mit zu den „Geflügelten Worten“ gerechnet wurde sein: „Ich bleibe hier“ im Cortez von Spontini. Den höchsten Glanz erreichte er in der Stummen von Portici als Masaniello. Hier vereinigte sich der ausdrucksvollste Gesang mit dem natürlichsten Spiele zu einem vollendeten dramatischen Gemälde. Der junge Bassist Blume, den wir zuerst am Neujahrstage 1811 gehört, erfüllte die ihm von Zelter gestellte Prophezeiung und wurde einer der beliebtesten Sänger der Berliner Oper. Von unverwüstlicher Kraft und von guter musikalischer Anlage war er jeder Baßrolle gewachsen. Bei dem unglücklichen Schillschen Zuge stürzte er mit dem Pferde und verletzte sich so schwer, da0 er etwas schief blieb. Er wußte dies aber so gut zu verbergen, daß man ihn auf der Bühne für den schlankesten bestgewachsenen Mann hielt. Sein Don Juan, sein Graf Almaviva, sein Sarastro und viele andre Rollen erwarben ihm immer von neuem den wohlverdienten Beifall des Publikums. Den Thoas in der Iphigenie von Gluck habe ich nach ihm nicht wieder so gut gehört. Als Herkules

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wolfgang Virmond: Bereitstellung der Texttranskription. (2014-01-07T13:04:32Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition. (2014-01-07T13:04:32Z)
Staatsbibliothek zu Berlin – Stiftung Preußischer Kulturbesitz: Bereitstellung der Bilddigitalisate (Sign. Av 4887-1) (2014-01-07T13:04:32Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Bogensignaturen: nicht übernommen
  • Kolumnentitel: nicht übernommen
  • Kustoden: nicht übernommen
  • langes s (ſ): als s transkribiert
  • Silbentrennung: aufgelöst
  • Zeilenumbrüche markiert: nein



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen02_1871
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen02_1871/97
Zitationshilfe: Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871], S. 89. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen02_1871/97>, abgerufen am 19.05.2024.