Die Tiefe des Meeres ist nicht so leicht zu bestimmen; besonders ist es an einzelnen Stellen schwer, die perpendikuläre Tiefe zu erhalten: denn theils verliert das Senkblei einen Theil seiner Schwere durch das Schwimmen des Seiles, theils wird es durch Strömungen fortgeführt, und wenn man glaubt, dass es senkrecht hinabgehe, so macht es vielleicht einen Winkel von 40-50°; dies giebt also einen grossen Unter- schied, und die Tiefen werden bedeutender, als sie sind. Captain Sabine hat auf alle diese Umstände genau geachtet, und in den antillischen Meeren viele Sondirungen angestelt: südlich von Cuba hat er ther- mometrisch auf 7200 Fus perpendikulär sondirt; indem er ein Thermo- meter herablies, um die Temperatur des Meeresgrundes zu erforschen. In Südamerika ist die Andeskette ganz auf den Westrand hinge- drängt, vielleicht über einer Spalte vulkanisch in die Höhe gehoben: sie hat nicht mehr als 15-20 Meilen Breite und kaum 1 Meile Höhe; dagegen beträgt der Lauf des Amazonenstromes 6-700 geographische Meilen, ohne bedeutendes Gefälle: denkt man sich also die kleine zylindrische Masse der Anden auf die ganze Fläche verstreut, welche der Amazonen- strom bewässert, so sieht man leicht ein, dass dies für die ganze Fläche kaum einige Zoll Erhebunghöhung ausmachen würde.
Man hat bis jezt viel häufiger die Berge als die Ebnen gemessen, welches zum Theil nur eine Befriedigung der Neugierde ist: viel nüz-
Die Tiefe des Meeres ist nicht so leicht zu bestimmen; besonders ist es an einzelnen Stellen schwer, die perpendikuläre Tiefe zu erhalten: denn theils verliert das Senkblei einen Theil seiner Schwere durch das Schwimmen des Seiles, theils wird es durch Strömungen fortgeführt, und wenn man glaubt, dass es senkrecht hinabgehe, so macht es vielleicht einen Winkel von 40–50°; dies giebt also einen grossen Unter- schied, und die Tiefen werden bedeutender, als sie sind. Captain Sabine hat auf alle diese Umstände genau geachtet, und in den antillischen Meeren viele Sondirungen angestelt: südlich von Cuba hat er ther- mometrisch auf 7200 Fus perpendikulär sondirt; indem er ein Thermo- meter herablies, um die Temperatur des Meeresgrundes zu erforschen. In Südamerika ist die Andeskette ganz auf den Westrand hinge- drängt, vielleicht über einer Spalte vulkanisch in die Höhe gehoben: sie hat nicht mehr als 15–20 Meilen Breite und kaum 1 Meile Höhe; dagegen beträgt der Lauf des Amazonenstromes 6–700 geographische Meilen, ohne bedeutendes Gefälle: denkt man sich also die kleine zylindrische Masse der Anden auf die ganze Fläche verstreut, welche der Amazonen- strom bewässert, so sieht man leicht ein, dass dies für die ganze Fläche kaum einige Zoll Erhebunghöhung ausmachen würde.
Man hat bis jezt viel häufiger die Berge als die Ebnen gemessen, welches zum Theil nur eine Befriedigung der Neugierde ist: viel nüz-
<TEI><text><body><divn="1"><divtype="session"n="38"><pbfacs="#f0456"n="226v"/><p>Die Tiefe des Meeres ist nicht so leicht zu bestimmen; besonders ist<lb/>
es an einzelnen Stellen schwer, die perpendikuläre Tiefe zu erhalten:<lb/>
denn theils verliert das Senkblei einen Theil seiner Schwere durch das<lb/>
Schwimmen des Seiles, theils wird es durch Strömungen fortgeführt,<lb/>
und wenn man glaubt, dass es senkrecht hinabgehe, so macht es<lb/>
vielleicht einen Winkel von 40–50°; dies giebt also einen grossen Unter-<lb/>
schied, und die Tiefen werden bedeutender, als sie sind. Captain <hirendition="#u"><persNameresp="#SB"ref="http://www.deutschestextarchiv.de/kosmos/person#gnd-11671350X http://d-nb.info/gnd/11671350X">Sabine</persName></hi><lb/>
hat auf alle diese Umstände genau geachtet, und in den antillischen<lb/>
Meeren viele Sondirungen angestelt: südlich von <hirendition="#u">Cuba</hi> hat er ther-<lb/>
mometrisch auf 7200 Fus perpendikulär sondirt; indem er ein Thermo-<lb/>
meter herablies, um die Temperatur des Meeresgrundes zu erforschen.<lb/>
In Südamerika ist die Andeskette ganz auf den Westrand hinge-<lb/>
drängt, vielleicht über einer Spalte vulkanisch in die Höhe gehoben:<lb/>
sie hat nicht mehr als 15–20 Meilen Breite und kaum 1 Meile Höhe;<lb/>
dagegen beträgt der Lauf des Amazonenstromes 6–700 <choice><abbr>geogr.</abbr><expanresp="#CT">geographische</expan></choice> Meilen,<lb/>
ohne bedeutendes Gefälle: denkt man sich also die kleine zylindrische<lb/>
Masse der Anden auf die ganze Fläche verstreut, welche der Amazonen-<lb/>
strom bewässert, so sieht man leicht ein, dass dies für die ganze<lb/>
Fläche kaum <hirendition="#u">einige Zoll</hi> Er<subst><delrendition="#s">hebung</del><addplace="superlinear">höhung</add></subst> ausmachen würde.</p><lb/><p>Man hat bis jezt viel häufiger die Berge als die Ebnen gemessen,<lb/>
welches zum Theil nur eine Befriedigung der Neugierde ist: viel nüz-<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[226v/0456]
Die Tiefe des Meeres ist nicht so leicht zu bestimmen; besonders ist
es an einzelnen Stellen schwer, die perpendikuläre Tiefe zu erhalten:
denn theils verliert das Senkblei einen Theil seiner Schwere durch das
Schwimmen des Seiles, theils wird es durch Strömungen fortgeführt,
und wenn man glaubt, dass es senkrecht hinabgehe, so macht es
vielleicht einen Winkel von 40–50°; dies giebt also einen grossen Unter-
schied, und die Tiefen werden bedeutender, als sie sind. Captain Sabine
hat auf alle diese Umstände genau geachtet, und in den antillischen
Meeren viele Sondirungen angestelt: südlich von Cuba hat er ther-
mometrisch auf 7200 Fus perpendikulär sondirt; indem er ein Thermo-
meter herablies, um die Temperatur des Meeresgrundes zu erforschen.
In Südamerika ist die Andeskette ganz auf den Westrand hinge-
drängt, vielleicht über einer Spalte vulkanisch in die Höhe gehoben:
sie hat nicht mehr als 15–20 Meilen Breite und kaum 1 Meile Höhe;
dagegen beträgt der Lauf des Amazonenstromes 6–700 geogr. Meilen,
ohne bedeutendes Gefälle: denkt man sich also die kleine zylindrische
Masse der Anden auf die ganze Fläche verstreut, welche der Amazonen-
strom bewässert, so sieht man leicht ein, dass dies für die ganze
Fläche kaum einige Zoll Erhöhung ausmachen würde.
Man hat bis jezt viel häufiger die Berge als die Ebnen gemessen,
welches zum Theil nur eine Befriedigung der Neugierde ist: viel nüz-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Parthey, Gustav: Alexander von Humboldt[:] Vorlesungen über physikalische Geographie. Novmbr. 1827 bis April,[!] 1828. Nachgeschrieben von G. Partheÿ. [Berlin], [1827/28]. [= Nachschrift der ‚Kosmos-Vorträge‛ Alexander von Humboldts in der Berliner Universität, 3.11.1827–26.4.1828.], S. 226v. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_msgermqu1711_1828/456>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.