auf eine Anschwellung und Abnahme des Mittelmeeres geschlossen, weil man an den Säulen des Serapistempels bei Pozzuoli, 8 bis 10 Fus über dem Boden angebakne Muscheln aus Salzwasser herrührend, bemerkte. Dies müste aber in historischen Zeiten geschehn sein: denn der Serapistem- pel ist ganz gewis aus historischer Zeit: wie wäre es aber möglich: dass wir alsdann durchaus keine Erwähnung einer solchen Flut hätten, die hinreichend gewesen wäre, um die Ebnen von Valenza und Grenada, so wie ganz Aegypten plötzlich zu überschwemmen zu ersäufen? Andre meinen, die Säulen hätten lange Zeit im Wasser gelegen, und da hätten sich die Muscheln angesezt; ist auch unwahrscheinlich: denn theils würde man nicht solche beschädigten Säulen für den Tempel ge- braucht haben, theils hätte man sie gewis gereinigt, um sie aufzustellen. Das wahrscheinlichste ist, dass eine Dünenreihe vor dem Tempel nicht weit vom Ufer entstanden ist, und dass sich eine "Mare" oder Salz- lache bildete von 10 Fus Höhe, worin die Muscheln lebten. Solche Er- scheinungen von höheren Salzlachen am Ufer sind gar nicht selten.
Kleine Unterschiede des Niveau finden sich aber auch bei den grösten Wasserbekken der Erde: so nivellirten die französischen Ge- lehrten, besonders HerrLepire die Meerenge von Suez, und fanden, dass das rothe Meer nach dem Stande der unbedeutenden Ebbe 25 oder
auf eine ⎡Anschwellung und Abnahme des Mittelmeeres geschlossen, weil man an den Säulen des Serapistempels bei Pozzuoli, 8 bis 10 Fus über dem Boden angebakne Muscheln aus Salzwasser herrührend, bemerkte. Dies müste aber in historischen Zeiten geschehn sein: denn der Serapistem- pel ist ganz gewis aus historischer Zeit: wie wäre es aber möglich: dass wir alsdann durchaus keine Erwähnung einer solchen Flut hätten, die hinreichend gewesen wäre, um die Ebnen von Valenza und Grenada, so wie ganz Aegypten plötzlich zu überschwemmen zu ersäufen? Andre meinen, die Säulen hätten lange Zeit im Wasser gelegen, und da hätten sich die Muscheln angesezt; ist auch unwahrscheinlich: denn theils würde man nicht solche beschädigten Säulen für den Tempel ge- braucht haben, theils hätte man sie gewis gereinigt, um sie aufzustellen. Das wahrscheinlichste ist, dass eine Dünenreihe vor dem Tempel nicht weit vom Ufer entstanden ist, und dass sich eine „Mare‟ oder Salz- lache bildete von 10 Fus Höhe, worin die Muscheln lebten. Solche Er- scheinungen von höheren Salzlachen am Ufer sind gar nicht selten.
Kleine Unterschiede des Niveau finden sich aber auch bei den grösten Wasserbekken der Erde: so nivellirten die französischen Ge- lehrten, besonders HerrLepire die Meerenge von Suez, und fanden, dass das rothe Meer nach dem Stande der unbedeutenden Ebbe 25 oder
<TEI><text><body><divn="1"><divtype="session"n="38"><p><pbfacs="#f0458"n="227v"/>
auf eine <addplace="superlinear"><metamark/>Anschwellung und </add>Abnahme des Mittelmeeres geschlossen, weil man an den<lb/>
Säulen des Serapistempels bei Pozzuoli, 8 bis 10 Fus über dem Boden<lb/>
angebakne Muscheln aus Salzwasser herrührend, bemerkte. Dies<lb/>
müste aber in historischen Zeiten geschehn sein: denn der Serapistem-<lb/>
pel ist ganz gewis aus historischer Zeit: wie wäre es aber möglich:<lb/>
dass wir alsdann durchaus keine Erwähnung einer solchen Flut hätten,<lb/>
die hinreichend gewesen wäre, um die Ebnen von Valenza <choice><abbr>u</abbr><expanresp="#CT">und</expan></choice> Grenada,<lb/>
so wie ganz Aegypten plötzlich zu überschwemmen zu ersäufen?<lb/><choice><sic>andre</sic><corrresp="#CT">Andre</corr></choice> meinen, die Säulen hätten lange Zeit im Wasser gelegen, und da<lb/>
hätten sich die Muscheln angesezt; ist auch unwahrscheinlich: denn<lb/>
theils würde man nicht solche beschädigten Säulen für den Tempel ge-<lb/>
braucht haben, theils hätte man sie gewis gereinigt, um sie aufzustellen.<lb/>
Das wahrscheinlichste ist, dass eine Dünenreihe vor dem Tempel nicht<lb/>
weit vom Ufer entstanden ist, und dass sich eine „Mare‟ oder Salz-<lb/>
lache bildete von 10 Fus Höhe, worin die Muscheln lebten. Solche Er-<lb/>
scheinungen von höheren Salzlachen am Ufer sind gar nicht selten.</p><lb/><p>Kleine Unterschiede des Niveau finden sich aber auch bei den<lb/>
grösten Wasserbekken der Erde: so nivellirten die französischen Ge-<lb/>
lehrten, besonders <choice><abbr>H.</abbr><expanresp="#CT">Herr</expan></choice><hirendition="#u"><persNameresp="#CT"ref="http://www.deutschestextarchiv.de/kosmos/person#gnd-136648770 http://d-nb.info/gnd/136648770">Lepire</persName></hi> die Meerenge von Suez, und fanden, dass<lb/>
das rothe Meer nach dem Stande der unbedeutenden Ebbe 25 oder<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[227v/0458]
auf eine Anschwellung und Abnahme des Mittelmeeres geschlossen, weil man an den
Säulen des Serapistempels bei Pozzuoli, 8 bis 10 Fus über dem Boden
angebakne Muscheln aus Salzwasser herrührend, bemerkte. Dies
müste aber in historischen Zeiten geschehn sein: denn der Serapistem-
pel ist ganz gewis aus historischer Zeit: wie wäre es aber möglich:
dass wir alsdann durchaus keine Erwähnung einer solchen Flut hätten,
die hinreichend gewesen wäre, um die Ebnen von Valenza u Grenada,
so wie ganz Aegypten plötzlich zu überschwemmen zu ersäufen?
Andre meinen, die Säulen hätten lange Zeit im Wasser gelegen, und da
hätten sich die Muscheln angesezt; ist auch unwahrscheinlich: denn
theils würde man nicht solche beschädigten Säulen für den Tempel ge-
braucht haben, theils hätte man sie gewis gereinigt, um sie aufzustellen.
Das wahrscheinlichste ist, dass eine Dünenreihe vor dem Tempel nicht
weit vom Ufer entstanden ist, und dass sich eine „Mare‟ oder Salz-
lache bildete von 10 Fus Höhe, worin die Muscheln lebten. Solche Er-
scheinungen von höheren Salzlachen am Ufer sind gar nicht selten.
Kleine Unterschiede des Niveau finden sich aber auch bei den
grösten Wasserbekken der Erde: so nivellirten die französischen Ge-
lehrten, besonders H. Lepire die Meerenge von Suez, und fanden, dass
das rothe Meer nach dem Stande der unbedeutenden Ebbe 25 oder
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Parthey, Gustav: Alexander von Humboldt[:] Vorlesungen über physikalische Geographie. Novmbr. 1827 bis April,[!] 1828. Nachgeschrieben von G. Partheÿ. [Berlin], [1827/28]. [= Nachschrift der ‚Kosmos-Vorträge‛ Alexander von Humboldts in der Berliner Universität, 3.11.1827–26.4.1828.], S. 227v. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_msgermqu1711_1828/458>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.