Pataky, Sophie: Lexikon deutscher Frauen der Feder. 2. Band: M-Z. Berlin, 1898.noch zwei oder drei kleine Geschichten. Mit 17 Jahren begann sie mit einem systematischen Studium, welches mehrere Jahre andauerte. Inmitten dieses Studiums trat ein bedeutungsvoller Zwischenfall ein. Das vollständig gelähmte 17jährige Mädchen wurde veranlasst, sich auf der Klinik des Prager Professors Gussenbauer einer Behandlung zu unterziehen, welche ihr den teilweisen Gebrauch ihrer Hände in Aussicht stellte. Professor Gussenbauer stellte die Kranke dem Kollegium als warnendes Beispiel ärztlicher Unfähigkeit und Nachlässigkeit vor, denn acht Jahre früher hätte die Kranke gerettet werden können. Die furchtbaren Schmerzen, welche die Kranke in der Behandlung auszustehen hatte, hatten Fieberanfälle zur Folge. Die Behandlung musste auf mehrere Monate ausgesetzt werden. Nach der Wiedergenesung unterzog sich die Unglückliche, trotz des dringenden Abratens aller Freunde mutigen Herzens der neuerlichen Behandlung auf der gedachten Klinik. Es wurde eine Resektion des rechten Ellenbogens und des linken Kniegelenkes vorgenommen, die zur Folge hatte, dass der Fuss gerade und der Arm soweit beweglich wurde, dass sie zum erstenmale nach 10 Jahren die zitternde Hand mit Hilfe des Arztes zum Munde führen konnte. "Man denke sich," schreibt A. St., "meine Seligkeit, als ich endlich menschlich essen konnte." Nach achtmonatlichem Aufenthalt im Krankenhause in ihr Heim zurückgekehrt, schrieb sie ihre erste Novelle "Künstlerliebe", welche aber später in Verlust geriet. Bald darauf folgte die zweite, "Wandlungen in Menschenherzen", welche in einer Tageszeitung zum Abdruck gelangte. Mittlerweile unterzog sich A. St. im Krankenhause in Prag einer dritten Operation, welche dem linken Arm und rechten Fusse galt. Nach fünfmonatlichem Aufenthalt dortselbst wurde sie entlassen. Sie konnte nunmehr beide Hände notdürftig gebrauchen und auf den zwar steifgebliebenen doch nun geraden Füssen mit Hilfe zweier Krücken ein wenig sich ergehen. 1888 schrieb sie eine Novelle "Erinnerungen eines Informators", welche in der "Bohemia" und in Buchform in Druck erschien. Nach einigen anderen kleineren Novellen erschien eine grössere, von der "Bohemia" zum Abdruck gebrachte Novelle, "Sphinx", wie die Verfasserin meint, "ein ungesundes Produkt einer skeptisch pessimistischen Stimmung, worin der Selbstmord verherrlicht wird, auf die sie nur mit Bedauern zurückblicken kann." Die Novelle erschien später in Buchform. Inzwischen trieb sie viel wissenschaftliche und sprachliche Studien, sie beherrschte alsbald fünf Sprachen. Die Bekanntschaft mit Frau Gräfin Anna v. Waldstein-Wartenberg, die im Sommer in Hirschberg auf dem ihrer Familie gehörenden Stammschloss "Hirschberg" wohnte, einer edlen, hochgebildeten, menschenfreundlichen Dame, brachte für die Leidende den Beginn eines neuen geistigen Lebens. Die reiche Bibliothek der Familie stand ihr zur Verfügung und der vielfache persönliche Verkehr mit der vielgereisten und vielbelesenen Komtesse bereicherte ihr Wissen und giebt ihr mannigfache Anregungen. Sie schrieb in jener Zeit den Roman "Nur Einmal", erschienen 1892 in der "Bohemia". In der Reichenberger Zeitung erschien eine Novelle "Um Ehre und Leben". 1894 kam in der "Kölnischen Volkszeitung" die Novelle noch zwei oder drei kleine Geschichten. Mit 17 Jahren begann sie mit einem systematischen Studium, welches mehrere Jahre andauerte. Inmitten dieses Studiums trat ein bedeutungsvoller Zwischenfall ein. Das vollständig gelähmte 17jährige Mädchen wurde veranlasst, sich auf der Klinik des Prager Professors Gussenbauer einer Behandlung zu unterziehen, welche ihr den teilweisen Gebrauch ihrer Hände in Aussicht stellte. Professor Gussenbauer stellte die Kranke dem Kollegium als warnendes Beispiel ärztlicher Unfähigkeit und Nachlässigkeit vor, denn acht Jahre früher hätte die Kranke gerettet werden können. Die furchtbaren Schmerzen, welche die Kranke in der Behandlung auszustehen hatte, hatten Fieberanfälle zur Folge. Die Behandlung musste auf mehrere Monate ausgesetzt werden. Nach der Wiedergenesung unterzog sich die Unglückliche, trotz des dringenden Abratens aller Freunde mutigen Herzens der neuerlichen Behandlung auf der gedachten Klinik. Es wurde eine Resektion des rechten Ellenbogens und des linken Kniegelenkes vorgenommen, die zur Folge hatte, dass der Fuss gerade und der Arm soweit beweglich wurde, dass sie zum erstenmale nach 10 Jahren die zitternde Hand mit Hilfe des Arztes zum Munde führen konnte. »Man denke sich,« schreibt A. St., »meine Seligkeit, als ich endlich menschlich essen konnte.« Nach achtmonatlichem Aufenthalt im Krankenhause in ihr Heim zurückgekehrt, schrieb sie ihre erste Novelle »Künstlerliebe«, welche aber später in Verlust geriet. Bald darauf folgte die zweite, »Wandlungen in Menschenherzen«, welche in einer Tageszeitung zum Abdruck gelangte. Mittlerweile unterzog sich A. St. im Krankenhause in Prag einer dritten Operation, welche dem linken Arm und rechten Fusse galt. Nach fünfmonatlichem Aufenthalt dortselbst wurde sie entlassen. Sie konnte nunmehr beide Hände notdürftig gebrauchen und auf den zwar steifgebliebenen doch nun geraden Füssen mit Hilfe zweier Krücken ein wenig sich ergehen. 1888 schrieb sie eine Novelle »Erinnerungen eines Informators«, welche in der »Bohemia« und in Buchform in Druck erschien. Nach einigen anderen kleineren Novellen erschien eine grössere, von der »Bohemia« zum Abdruck gebrachte Novelle, »Sphinx«, wie die Verfasserin meint, »ein ungesundes Produkt einer skeptisch pessimistischen Stimmung, worin der Selbstmord verherrlicht wird, auf die sie nur mit Bedauern zurückblicken kann.« Die Novelle erschien später in Buchform. Inzwischen trieb sie viel wissenschaftliche und sprachliche Studien, sie beherrschte alsbald fünf Sprachen. Die Bekanntschaft mit Frau Gräfin Anna v. Waldstein-Wartenberg, die im Sommer in Hirschberg auf dem ihrer Familie gehörenden Stammschloss »Hirschberg« wohnte, einer edlen, hochgebildeten, menschenfreundlichen Dame, brachte für die Leidende den Beginn eines neuen geistigen Lebens. Die reiche Bibliothek der Familie stand ihr zur Verfügung und der vielfache persönliche Verkehr mit der vielgereisten und vielbelesenen Komtesse bereicherte ihr Wissen und giebt ihr mannigfache Anregungen. Sie schrieb in jener Zeit den Roman »Nur Einmal«, erschienen 1892 in der »Bohemia«. In der Reichenberger Zeitung erschien eine Novelle »Um Ehre und Leben«. 1894 kam in der »Kölnischen Volkszeitung« die Novelle <TEI> <text> <body> <div type="lexiconEntry"> <p><pb facs="#f0346"/> noch zwei oder drei kleine Geschichten. Mit 17 Jahren begann sie mit einem systematischen Studium, welches mehrere Jahre andauerte. Inmitten dieses Studiums trat ein bedeutungsvoller Zwischenfall ein. Das vollständig gelähmte 17jährige Mädchen wurde veranlasst, sich auf der Klinik des Prager Professors Gussenbauer einer Behandlung zu unterziehen, welche ihr den teilweisen Gebrauch ihrer Hände in Aussicht stellte. Professor Gussenbauer stellte die Kranke dem Kollegium als warnendes Beispiel ärztlicher Unfähigkeit und Nachlässigkeit vor, denn acht Jahre früher hätte die Kranke gerettet werden können. Die furchtbaren Schmerzen, welche die Kranke in der Behandlung auszustehen hatte, hatten Fieberanfälle zur Folge. Die Behandlung musste auf mehrere Monate ausgesetzt werden. Nach der Wiedergenesung unterzog sich die Unglückliche, trotz des dringenden Abratens aller Freunde mutigen Herzens der neuerlichen Behandlung auf der gedachten Klinik. Es wurde eine Resektion des rechten Ellenbogens und des linken Kniegelenkes vorgenommen, die zur Folge hatte, dass der Fuss gerade und der Arm soweit beweglich wurde, dass sie zum erstenmale nach 10 Jahren die zitternde Hand mit Hilfe des Arztes zum Munde führen konnte. »Man denke sich,« schreibt A. St., »meine Seligkeit, als ich endlich menschlich essen konnte.« Nach achtmonatlichem Aufenthalt im Krankenhause in ihr Heim zurückgekehrt, schrieb sie ihre erste Novelle »Künstlerliebe«, welche aber später in Verlust geriet. Bald darauf folgte die zweite, »Wandlungen in Menschenherzen«, welche in einer Tageszeitung zum Abdruck gelangte. Mittlerweile unterzog sich A. St. im Krankenhause in Prag einer dritten Operation, welche dem linken Arm und rechten Fusse galt. Nach fünfmonatlichem Aufenthalt dortselbst wurde sie entlassen. Sie konnte nunmehr beide Hände notdürftig gebrauchen und auf den zwar steifgebliebenen doch nun geraden Füssen mit Hilfe zweier Krücken ein wenig sich ergehen. 1888 schrieb sie eine Novelle »Erinnerungen eines Informators«, welche in der »Bohemia« und in Buchform in Druck erschien. Nach einigen anderen kleineren Novellen erschien eine grössere, von der »Bohemia« zum Abdruck gebrachte Novelle, »Sphinx«, wie die Verfasserin meint, »ein ungesundes Produkt einer skeptisch pessimistischen Stimmung, worin der Selbstmord verherrlicht wird, auf die sie nur mit Bedauern zurückblicken kann.« Die Novelle erschien später in Buchform. Inzwischen trieb sie viel wissenschaftliche und sprachliche Studien, sie beherrschte alsbald fünf Sprachen. Die Bekanntschaft mit Frau Gräfin Anna v. Waldstein-Wartenberg, die im Sommer in Hirschberg auf dem ihrer Familie gehörenden Stammschloss »Hirschberg« wohnte, einer edlen, hochgebildeten, menschenfreundlichen Dame, brachte für die Leidende den Beginn eines neuen geistigen Lebens. Die reiche Bibliothek der Familie stand ihr zur Verfügung und der vielfache persönliche Verkehr mit der vielgereisten und vielbelesenen Komtesse bereicherte ihr Wissen und giebt ihr mannigfache Anregungen. Sie schrieb in jener Zeit den Roman »Nur Einmal«, erschienen 1892 in der »Bohemia«. In der Reichenberger Zeitung erschien eine Novelle »Um Ehre und Leben«. 1894 kam in der »Kölnischen Volkszeitung« die Novelle </p> </div> </body> </text> </TEI> [0346]
noch zwei oder drei kleine Geschichten. Mit 17 Jahren begann sie mit einem systematischen Studium, welches mehrere Jahre andauerte. Inmitten dieses Studiums trat ein bedeutungsvoller Zwischenfall ein. Das vollständig gelähmte 17jährige Mädchen wurde veranlasst, sich auf der Klinik des Prager Professors Gussenbauer einer Behandlung zu unterziehen, welche ihr den teilweisen Gebrauch ihrer Hände in Aussicht stellte. Professor Gussenbauer stellte die Kranke dem Kollegium als warnendes Beispiel ärztlicher Unfähigkeit und Nachlässigkeit vor, denn acht Jahre früher hätte die Kranke gerettet werden können. Die furchtbaren Schmerzen, welche die Kranke in der Behandlung auszustehen hatte, hatten Fieberanfälle zur Folge. Die Behandlung musste auf mehrere Monate ausgesetzt werden. Nach der Wiedergenesung unterzog sich die Unglückliche, trotz des dringenden Abratens aller Freunde mutigen Herzens der neuerlichen Behandlung auf der gedachten Klinik. Es wurde eine Resektion des rechten Ellenbogens und des linken Kniegelenkes vorgenommen, die zur Folge hatte, dass der Fuss gerade und der Arm soweit beweglich wurde, dass sie zum erstenmale nach 10 Jahren die zitternde Hand mit Hilfe des Arztes zum Munde führen konnte. »Man denke sich,« schreibt A. St., »meine Seligkeit, als ich endlich menschlich essen konnte.« Nach achtmonatlichem Aufenthalt im Krankenhause in ihr Heim zurückgekehrt, schrieb sie ihre erste Novelle »Künstlerliebe«, welche aber später in Verlust geriet. Bald darauf folgte die zweite, »Wandlungen in Menschenherzen«, welche in einer Tageszeitung zum Abdruck gelangte. Mittlerweile unterzog sich A. St. im Krankenhause in Prag einer dritten Operation, welche dem linken Arm und rechten Fusse galt. Nach fünfmonatlichem Aufenthalt dortselbst wurde sie entlassen. Sie konnte nunmehr beide Hände notdürftig gebrauchen und auf den zwar steifgebliebenen doch nun geraden Füssen mit Hilfe zweier Krücken ein wenig sich ergehen. 1888 schrieb sie eine Novelle »Erinnerungen eines Informators«, welche in der »Bohemia« und in Buchform in Druck erschien. Nach einigen anderen kleineren Novellen erschien eine grössere, von der »Bohemia« zum Abdruck gebrachte Novelle, »Sphinx«, wie die Verfasserin meint, »ein ungesundes Produkt einer skeptisch pessimistischen Stimmung, worin der Selbstmord verherrlicht wird, auf die sie nur mit Bedauern zurückblicken kann.« Die Novelle erschien später in Buchform. Inzwischen trieb sie viel wissenschaftliche und sprachliche Studien, sie beherrschte alsbald fünf Sprachen. Die Bekanntschaft mit Frau Gräfin Anna v. Waldstein-Wartenberg, die im Sommer in Hirschberg auf dem ihrer Familie gehörenden Stammschloss »Hirschberg« wohnte, einer edlen, hochgebildeten, menschenfreundlichen Dame, brachte für die Leidende den Beginn eines neuen geistigen Lebens. Die reiche Bibliothek der Familie stand ihr zur Verfügung und der vielfache persönliche Verkehr mit der vielgereisten und vielbelesenen Komtesse bereicherte ihr Wissen und giebt ihr mannigfache Anregungen. Sie schrieb in jener Zeit den Roman »Nur Einmal«, erschienen 1892 in der »Bohemia«. In der Reichenberger Zeitung erschien eine Novelle »Um Ehre und Leben«. 1894 kam in der »Kölnischen Volkszeitung« die Novelle
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