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Patzig, Gotthilf: Vorträge über physische Geographie des Freiherrn Alexander von Humbold: gehalten im großen Hörsaale des Universitäts-Gebäudes zu Berlin im Wintersemester 1827/28 vom 3ten Novbr. 1827. bis 26 April 1828. Aus schriftlichen Notizen nach jedem Vortrage zusammengestellt vom Rechnungsrath Gotthilf Friedrich Patzig. Berlin, 1827/28. [= Nachschrift der ‚Kosmos-Vorträge‛ Alexander von Humboldts in der Berliner Universität, 3.11.1827–26.4.1828.]

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physische Geographie mit religiösen Dogmen
versetzten, wodurch das einfache Anschauen
der Natur gestört wurde, wie bei Etr@uskern.
Es ist sehr ungewiß ob unser Geschlecht bei
der großen Katastrophe schon vorhanden
war u. durch Jnseln zerstreut u. getrennt
wurde. Allenthalben sind die alten Sagen
übereinstimmend, von Deucalion bis zu
dem Amaliraka am Orinoko. Jetzt ist
die Nahrung der Phantasie vorbei, die
Beobachtung
der Natur jetzt
vorurtheils frei

Beobachtung der Natur ist vorurtheilsfrei-
er, u. die relig. Ueberzeugung ist nicht
mehr anhängig von den physikalischen Er-
scheinungen. Jch gehe jetzt über zu den
von der Erdbeben
Erdbeben. Die Definition desselben lautet.
Erschütterung der festen u. flüßigen Theile
der Oberfläche durch unterirdische Ur-
sachen. Obwohl der Ozean 6-7000' Tiefe
hat, so habe ich doch selbst in der Südsee
ein [unleserliches Material - 1 Zeichen fehlt]Erdbeben empfunden, welches von ein[unleserliches Material - 1 Zeichen fehlt]e
sonderbare Vibration des ganzen Schiffes
veranlaßte. Man war sehr geneigt die
Erdbeben Local-Ursachen zuzuschreiben
u. man nannte bei jeder Stadt einen Berg
der diese veranlassen sollte. Die Beo-
bachtung ist dieser Meinung entgegen u.
Allgemeines Phänomen
Erdbeben sind ein allgemeines Phänomen.
Alles was man von vorhergehenden Anzeigen
Windstille, Barometerstand, röthlichen
Horizont sagte, dies ist alles falsch.
Da, wo so viele Erdbeben statt finden,

daß

phyſiſche Geographie mit religiöſen Dogmen
verſetzten, wodurch das einfache Anſchauen
der Natur geſtört wurde, wie bei Etruſkern.
Es iſt ſehr ungewiß ob unſer Geſchlecht bei
der großen Kataſtrophe ſchon vorhanden
war u. durch Jnſeln zerſtreut u. getreñt
wurde. Allenthalben ſind die alten Sagen
übereinſtim̃end, von Deucalion bis zu
dem Amaliraka am Orinoko. Jetzt iſt
die Nahrung der Phantaſie vorbei, die
Beobachtung
der Natur jetzt
vorurtheils frei

Beobachtung der Natur iſt vorurtheilsfrei-
er, u. die relig. Ueberzeugung iſt nicht
mehr anhängig von den phyſikaliſchen Er-
ſcheinungen. Jch gehe jetzt über zu den
von der Erdbeben
Erdbeben. Die Definition deſſelben lautet.
Erſchütterung der feſten u. flüßigen Theile
der Oberfläche durch unterirdiſche Ur-
ſachen. Obwohl der Ozean 6–7000′ Tiefe
hat, ſo habe ich doch ſelbſt in der Südſee
ein [unleserliches Material – 1 Zeichen fehlt]Erdbeben empfunden, welches von ein[unleserliches Material – 1 Zeichen fehlt]e
ſonderbare Vibration des ganzen Schiffes
veranlaßte. Man war ſehr geneigt die
Erdbeben Local-Urſachen zuzuſchreiben
u. man nañte bei jeder Stadt einen Berg
der dieſe veranlaſſen ſollte. Die Beo-
bachtung iſt dieſer Meinung entgegen u.
Allgemeines Phänomen
Erdbeben ſind ein allgemeines Phänomen.
Alles was man von vorhergehenden Anzeigen
Windſtille, Barometerſtand, röthlichen
Horizont ſagte, dies iſt alles falſch.
Da, wo ſo viele Erdbeben ſtatt finden,

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[195./0199] phyſiſche Geographie mit religiöſen Dogmen verſetzten, wodurch das einfache Anſchauen der Natur geſtört wurde, wie bei Etruſkern. Es iſt ſehr ungewiß ob unſer Geſchlecht bei der großen Kataſtrophe ſchon vorhanden war u. durch Jnſeln zerſtreut u. getreñt wurde. Allenthalben ſind die alten Sagen übereinſtim̃end, von Deucalion bis zu dem Amaliraka am Orinoko. Jetzt iſt die Nahrung der Phantaſie vorbei, die Beobachtung der Natur iſt vorurtheilsfrei- er, u. die relig. Ueberzeugung iſt nicht mehr anhängig von den phyſikaliſchen Er- ſcheinungen. Jch gehe jetzt über zu den Erdbeben. Die Definition deſſelben lautet. Erſchütterung der feſten u. flüßigen Theile der Oberfläche durch unterirdiſche Ur- ſachen. Obwohl der Ozean 6–7000′ Tiefe hat, ſo habe ich doch ſelbſt in der Südſee ein Erdbeben empfunden, welches eine ſonderbare Vibration des ganzen Schiffes veranlaßte. Man war ſehr geneigt die Erdbeben Local-Urſachen zuzuſchreiben u. man nañte bei jeder Stadt einen Berg der dieſe veranlaſſen ſollte. Die Beo- bachtung iſt dieſer Meinung entgegen u. Erdbeben ſind ein allgemeines Phänomen. Alles was man von vorhergehenden Anzeig Windſtille, Barometerſtand, röthlichen Horizont ſagte, dies iſt alles falſch. Da, wo ſo viele Erdbeben ſtatt finden, daß Beobachtung der Natur jetzt vorurtheils frei von der Erdbeben Allgemeines Phänomen

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Zitationshilfe: Patzig, Gotthilf: Vorträge über physische Geographie des Freiherrn Alexander von Humbold: gehalten im großen Hörsaale des Universitäts-Gebäudes zu Berlin im Wintersemester 1827/28 vom 3ten Novbr. 1827. bis 26 April 1828. Aus schriftlichen Notizen nach jedem Vortrage zusammengestellt vom Rechnungsrath Gotthilf Friedrich Patzig. Berlin, 1827/28. [= Nachschrift der ‚Kosmos-Vorträge‛ Alexander von Humboldts in der Berliner Universität, 3.11.1827–26.4.1828.], S. 195.. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/patzig_msgermfol841842_1828/199>, abgerufen am 21.11.2024.