Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Patzig, Gotthilf: Vorträge über physische Geographie des Freiherrn Alexander von Humbold: gehalten im großen Hörsaale des Universitäts-Gebäudes zu Berlin im Wintersemester 1827/28 vom 3ten Novbr. 1827. bis 26 April 1828. Aus schriftlichen Notizen nach jedem Vortrage zusammengestellt vom Rechnungsrath Gotthilf Friedrich Patzig. Berlin, 1827/28. [= Nachschrift der ‚Kosmos-Vorträge‛ Alexander von Humboldts in der Berliner Universität, 3.11.1827–26.4.1828.]

Bild:
<< vorherige Seite
47. Vorlesung, 1. April 1828

Erhebt man sich zu höhern Ansichten der Natur-
wissenschaft, so ist die Betrachtung der Ver-
Vertheilung
der Wärme.

theilung der Wärme am wichtigsten. Hiernach
hat sich die Kultur der Menschheit hauptsächlich
modificirt, u. größern Einfluß auf sie gehabt
als der Druck, die Feuchtigkeit der Luft u. dgl.
Nach den Breiten ist die Wärme so sehr ver-
schieden, während die andern Erscheinungen gleich-
Jhre
Wichtigkeit

mäßiger wirken; u. ihre Vertheilung hängt
genau mit der Geschichte der Menschheit zu-
sammen. Wenn klares Erkennen der eignen Natur
Ziel der Wissenschaft ist, so wird diese be-
dingt durch die Kultur des Bodens, die wieder
von der Lufttemperatur, u. der Mittelzahl
der Wärme in den verschiedenen Jahreszeiten
abhängig ist. Dies gehört zum besondern Ge-
sichtspunkte der Weltbeschreibung. Es ist klar,
daß von den Verhältnißen der Wärme das
ganze häusliche u. bürgerliche Leben durchdrun-
gen wird. Diese climatischen Verhältniße haben
Einfluß auf die Sprache, der Character, die
Abstammung, selbst auf die natürl. Anlagen
der Menschheitx)Welche Abstufungen finden hier statt,
von dem Klima des Pisangs, bis zu
dem Oelbau, Weinbau, den Cerea-
lien u. endlich Kartoffeln.
. Es ist historisch erwiesen,
Klima
der temperir-
ten Zone

daß das Klima der temperirten Zone, na-
mentlich des Abendlandes, am günstigen der
Entwickelung des menschl. Geistes gewesen.
Sehr unbestimmt ist freilich der Ausdruck, tem-
perirte Zone; in dem vom 30-45° N. B.
die Kultur sich besonders entwickelt hat.
der Ausdruck [unleserliches Material - 1 Wort fehlt] Zone ist. Welche Ver-
schiedenheit des Klimas herrscht hier in kl. Asien
in Jtalien, in Hesperienx)von den Erbau des Pisangs
. Nach unsern nörd-
lichen Jdeen gehören diese Länder schon zur
temperirten Zone, sie ist aber eigentlich zwi-
schen 11-14° N. Br. oder die Zone der Oel-
bäume. Die mittlere Temperatur beträgt
hier 21-22° R. Wärme, während sie dortenhier
im südl. Europa
nur 13,5° ist. Schon aus der Zeiten des

pytha-
47. Vorlesung, 1. April 1828

Erhebt man ſich zu höhern Anſichten der Natur-
wiſſenſchaft, ſo iſt die Betrachtung der Ver-
Vertheilung
der Wärme.

theilung der Wärme am wichtigſten. Hiernach
hat ſich die Kultur der Menſchheit hauptſächlich
modificirt, u. größern Einfluß auf ſie gehabt
als der Druck, die Feuchtigkeit der Luft u. dgl.
Nach den Breiten iſt die Wärme ſo ſehr ver-
ſchieden, während die andern Erſcheinungen gleich-
Jhre
Wichtigkeit

mäßiger wirken; u. ihre Vertheilung hängt
genau mit der Geſchichte der Menſchheit zu-
ſam̃en. Weñ klares Erkeñen der eignen Natur
Ziel der Wiſſenſchaft iſt, ſo wird dieſe be-
dingt durch die Kultur des Bodens, die wieder
von der Lufttemperatur, u. der Mittelzahl
der Wärme in den verſchiedenen Jahreszeiten
abhängig iſt. Dies gehört zum beſondern Ge-
ſichtspunkte der Weltbeſchreibung. Es iſt klar,
daß von den Verhältnißen der Wärme das
ganze häuſliche u. bürgerliche Leben durchdrun-
gen wird. Dieſe climatiſchen Verhältniße haben
Einfluß auf die Sprache, der Character, die
Abſtam̃ung, ſelbſt auf die natürl. Anlagen
der Menſchheitx)Welche Abſtufungen finden hier ſtatt,
von dem Klima des Piſangs, bis zu
dem Oelbau, Weinbau, den Cerea-
lien u. endlich Kartoffeln.
. Es iſt hiſtoriſch erwieſen,
Klima
der temperir-
ten Zone

daß das Klima der temperirten Zone, na-
mentlich des Abendlandes, am günſtigen der
Entwickelung des menſchl. Geiſtes geweſen.
Sehr unbeſtim̃t iſt freilich der Ausdruck, tem-
perirte Zone; in dem vom 30–45° N. B.
die Kultur ſich beſonders entwickelt hat.
der Ausdruck [unleserliches Material – 1 Wort fehlt] Zone iſt. Welche Ver-
ſchiedenheit des Klimas herrſcht hier in kl. Aſien
in Jtalien, in Heſperienx)von den Erbau des Piſangs
. Nach unſern nörd-
lichen Jdeen gehören dieſe Länder ſchon zur
temperirten Zone, ſie iſt aber eigentlich zwi-
ſchen 11–14° N. Br. oder die Zone der Oel-
bäume. Die mittlere Temperatur beträgt
hier 21–22° R. Wärme, während ſie dortenhier
im ſüdl. Europa
nur 13,5° iſt. Schon aus der Zeiten des

pytha-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div xml:id="Ms_germ_fol_842" prev="#Ms_germ_fol_841">
        <pb facs="#f0308" n="291."/>
        <div type="session" n="47">
          <head type="leftMargin">
            <choice>
              <orig>D. 1 <hi rendition="#aq">April</hi><lb/>
1828</orig>
              <reg resp="#BF">47. Vorlesung, <ref target="http://www.deutschestextarchiv.de/kosmos/gliederung"><date when="1828-04-01">1. April 1828</date></ref></reg>
            </choice>
          </head><lb/>
          <p>Erhebt man &#x017F;ich zu höhern An&#x017F;ichten der Natur-<lb/>
wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft, &#x017F;o i&#x017F;t die Betrachtung der Ver-<lb/><note place="left"><hi rendition="#b">Vertheilung<lb/>
der Wärme.</hi><lb/></note>theilung der Wärme am wichtig&#x017F;ten. Hiernach<lb/>
hat &#x017F;ich die Kultur der Men&#x017F;chheit haupt&#x017F;ächlich<lb/>
modificirt, u. größern Einfluß auf &#x017F;ie gehabt<lb/>
als der Druck, die Feuchtigkeit der Luft u. dgl.<lb/>
Nach den Breiten i&#x017F;t die Wärme &#x017F;o &#x017F;ehr ver-<lb/>
&#x017F;chieden, während die andern Er&#x017F;cheinungen gleich-<lb/><note place="left"><hi rendition="#b">Jhre<lb/>
Wichtigkeit</hi><lb/></note>mäßiger wirken; u. ihre Vertheilung hängt<lb/>
genau mit der Ge&#x017F;chichte der Men&#x017F;chheit zu-<lb/>
&#x017F;am&#x0303;en. Wen&#x0303; klares Erken&#x0303;en der eignen Natur<lb/>
Ziel der Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft i&#x017F;t, &#x017F;o wird die&#x017F;e be-<lb/>
dingt durch die Kultur des Bodens, die wieder<lb/>
von der Lufttemperatur, u. der Mittelzahl<lb/>
der Wärme in den ver&#x017F;chiedenen Jahreszeiten<lb/>
abhängig i&#x017F;t. Dies gehört zum be&#x017F;ondern Ge-<lb/>
&#x017F;ichtspunkte der Weltbe&#x017F;chreibung. Es i&#x017F;t klar,<lb/>
daß von den <choice><abbr>Verhältniß&#xFFFC;</abbr><expan resp="#BF">Verhältnißen</expan></choice> der Wärme das<lb/>
ganze häu&#x017F;liche u. bürgerliche Leben durchdrun-<lb/>
gen wird. Die&#x017F;e climati&#x017F;chen Verhältniße haben<lb/>
Einfluß auf die Sprache, der Character, die<lb/>
Ab&#x017F;tam&#x0303;ung, &#x017F;elb&#x017F;t auf die natürl. Anlagen<lb/>
der Men&#x017F;chheit<note place="left" n="x)">Welche Ab&#x017F;tufungen finden h<unclear reason="illegible" cert="high" resp="#BF">ier</unclear> &#x017F;tatt,<lb/>
von dem Klima des Pi&#x017F;angs, bis zu<lb/>
dem Oelbau, Weinbau, den Cerea-<lb/>
lien u. endlich Kartoffeln.<lb/></note>. Es i&#x017F;t hi&#x017F;tori&#x017F;ch erwie&#x017F;en,<lb/><note place="left"><hi rendition="#b">Klima<lb/>
der temperir-<lb/>
ten Zone</hi><lb/></note>daß das Klima der temperirten Zone, na-<lb/>
mentlich des Abendlandes, am gün&#x017F;tigen der<lb/>
Entwickelung des men&#x017F;chl. Gei&#x017F;tes gewe&#x017F;en.<lb/>
Sehr unbe&#x017F;tim&#x0303;t i&#x017F;t freilich der Ausdruck, tem-<lb/>
perirte Zone; in dem vom 30&#x2013;45° N. B.<lb/>
die Kultur &#x017F;ich be&#x017F;onders entwickelt hat.<lb/><del rendition="#s">der Ausdruck <gap reason="illegible" unit="words" quantity="1"/> Zone i&#x017F;t.</del> Welche Ver-<lb/>
&#x017F;chiedenheit des Klimas herr&#x017F;cht hier in kl. A&#x017F;ien<lb/>
in Jtalien, in He&#x017F;perien<del rendition="#s"><note place="left" n="x)">von den Erbau des Pi&#x017F;angs<lb/></note></del>. Nach un&#x017F;ern nörd-<lb/>
lichen Jdeen gehören die&#x017F;e Länder &#x017F;chon zur<lb/>
temperirten Zone, &#x017F;ie i&#x017F;t aber eigentlich zwi-<lb/>
&#x017F;chen 11&#x2013;14° N. Br. oder die Zone der Oel-<lb/>
bäume. Die mittlere Temperatur beträgt<lb/>
hier 21&#x2013;22° R. Wärme, während &#x017F;ie<del rendition="#s"><subst><del rendition="#s">dorten</del><add place="superlinear">hier</add></subst></del><lb/><note place="left"><hi rendition="#b">im &#x017F;üdl. Europa</hi><lb/></note>nur 13,5° i&#x017F;t. Schon aus der Zeiten des<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">pytha-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[291./0308] D. 1 April 1828 Erhebt man ſich zu höhern Anſichten der Natur- wiſſenſchaft, ſo iſt die Betrachtung der Ver- theilung der Wärme am wichtigſten. Hiernach hat ſich die Kultur der Menſchheit hauptſächlich modificirt, u. größern Einfluß auf ſie gehabt als der Druck, die Feuchtigkeit der Luft u. dgl. Nach den Breiten iſt die Wärme ſo ſehr ver- ſchieden, während die andern Erſcheinungen gleich- mäßiger wirken; u. ihre Vertheilung hängt genau mit der Geſchichte der Menſchheit zu- ſam̃en. Weñ klares Erkeñen der eignen Natur Ziel der Wiſſenſchaft iſt, ſo wird dieſe be- dingt durch die Kultur des Bodens, die wieder von der Lufttemperatur, u. der Mittelzahl der Wärme in den verſchiedenen Jahreszeiten abhängig iſt. Dies gehört zum beſondern Ge- ſichtspunkte der Weltbeſchreibung. Es iſt klar, daß von den Verhältniß der Wärme das ganze häuſliche u. bürgerliche Leben durchdrun- gen wird. Dieſe climatiſchen Verhältniße haben Einfluß auf die Sprache, der Character, die Abſtam̃ung, ſelbſt auf die natürl. Anlagen der Menſchheit. Es iſt hiſtoriſch erwieſen, daß das Klima der temperirten Zone, na- mentlich des Abendlandes, am günſtigen der Entwickelung des menſchl. Geiſtes geweſen. Sehr unbeſtim̃t iſt freilich der Ausdruck, tem- perirte Zone; in dem vom 30–45° N. B. die Kultur ſich beſonders entwickelt hat. Welche Ver- ſchiedenheit des Klimas herrſcht hier in kl. Aſien in Jtalien, in Heſperien. Nach unſern nörd- lichen Jdeen gehören dieſe Länder ſchon zur temperirten Zone, ſie iſt aber eigentlich zwi- ſchen 11–14° N. Br. oder die Zone der Oel- bäume. Die mittlere Temperatur beträgt hier 21–22° R. Wärme, während ſie nur 13,5° iſt. Schon aus der Zeiten des pytha- Vertheilung der Wärme. Jhre Wichtigkeit Welche Abſtufungen finden hier ſtatt, von dem Klima des Piſangs, bis zu dem Oelbau, Weinbau, den Cerea- lien u. endlich Kartoffeln. Klima der temperir- ten Zone im ſüdl. Europa

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christian Thomas: Herausgeber
Sandra Balck, Benjamin Fiechter, Christian Thomas: Bearbeiter
Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz: Bereitstellen der Digitalisierungsvorlage; Bilddigitalisierung



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/patzig_msgermfol841842_1828
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/patzig_msgermfol841842_1828/308
Zitationshilfe: Patzig, Gotthilf: Vorträge über physische Geographie des Freiherrn Alexander von Humbold: gehalten im großen Hörsaale des Universitäts-Gebäudes zu Berlin im Wintersemester 1827/28 vom 3ten Novbr. 1827. bis 26 April 1828. Aus schriftlichen Notizen nach jedem Vortrage zusammengestellt vom Rechnungsrath Gotthilf Friedrich Patzig. Berlin, 1827/28. [= Nachschrift der ‚Kosmos-Vorträge‛ Alexander von Humboldts in der Berliner Universität, 3.11.1827–26.4.1828.], S. 291.. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/patzig_msgermfol841842_1828/308>, abgerufen am 31.10.2024.