Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Patzig, Gotthilf: Vorträge über physische Geographie des Freiherrn Alexander von Humbold: gehalten im großen Hörsaale des Universitäts-Gebäudes zu Berlin im Wintersemester 1827/28 vom 3ten Novbr. 1827. bis 26 April 1828. Aus schriftlichen Notizen nach jedem Vortrage zusammengestellt vom Rechnungsrath Gotthilf Friedrich Patzig. Berlin, 1827/28. [= Nachschrift der ‚Kosmos-Vorträge‛ Alexander von Humboldts in der Berliner Universität, 3.11.1827–26.4.1828.]

Bild:
<< vorherige Seite

wohner der Wälder in den Missionsdörfern
zu civilisiren. - Von der angeblichen Verschie-
denheit zwischen der Organisation des Menschen
u. der höhere Thierclasse will ich noch einiges
hier bemerken. Der Mensch sollte allein [unleserliches Material]Stimmw[er]k-
zeuge zur articulirten Sprache haben, der
Affe Zb. ganz verschiedene u. dgl. Die Amerikaner
glauben, Affen sprechen nur nicht laut, sondern im Stillen,
damit die Menschen sie nicht zur Arbeit zwingen. Ein
Naturforscher glaubt, sie würden sprechen, wenn
sie nur etwas zu sagen hätten. Gewiß ist es, daß
sie dieselben Sprachglieder haben als der Mensch,
der nur allein durch Jntelligenz characteri-
sirt wird. Er hat im Verhältniß zur Größe
der Nerven das größte Gehirn u. bedeutend
ist die Capacität des Schädels. Eine Hau[unleserliches Material]pteigen-
thümlichkeit ist sein [unleserliches Material]aufrechter Ganz, die Bildung
des Antlitzes u. das Uebergewicht des Schädels
über die Entwickelung des Beistens, Käuens
u. des Geruchs. So wie die starke Ent-
wickelung des Kiefers anfängt, tritt das
Gehirn zurück, welche Erscheinung zu der Un-
tersuchung der Kamperschen Gesichtslinien führt.
Die Hellenen, Circassier, sogenannte Kaukasische
Race, sind hier sehr verschieden. Wenn in einigen
Kunstwerken des Alterthums Facial-Linien von
90° anzutreffen, so ist dies gewiß nur eine
ideelle Bildung des Künstlers. 80-85° werden
für die schönsten Gesichtslinien gehalten. Die
Faciallinie bei den Negern ist 70° u. bei
den Neuseeländern etc. selbst 65°. Affen
haben stets Facial-Linien von höchstens 50-55°.
Man suchte nach ob dem Menschen nicht irgend
ein Knochen mangeln, den Thiere haben u. glaubte
Dies wäre das [unleserliches Material - 1 Zeichen fehlt]Zwischenkieferbein, welches
die Schneidezähne enthalten sollte. Auch bei
Affen hatist dieser Knochen nicht vorhanden, u.
daher ein undöthige Untersuchung. Bei den Unter-
suchungen über die Verhältniße des Gehirns
zu den Nerven fand Maeckel, daß bei Negern
die Nerven des 5te Paares stets stärke wie

bei

wohner der Wälder in den Miſſionsdörfern
zu civiliſiren. – Von der angeblichen Verſchie-
denheit zwiſchen der Organiſation des Menſchen
u. der höhere Thierclaſſe will ich noch einiges
hier bemerken. Der Menſch ſollte allein [unleserliches Material]Stim̃w[er]k-
zeuge zur articulirten Sprache haben, der
Affe Zb. ganz verſchiedene u. dgl. Die Amerikaner
glauben, Affen ſprechen nur nicht laut, ſondern im Stillen,
damit die Menſchen ſie nicht zur Arbeit zwingen. Ein
Naturforſcher glaubt, ſie würden ſprechen, weñ
ſie nur etwas zu ſagen hätten. Gewiß iſt es, daß
ſie dieſelben Sprachglieder haben als der Menſch,
der nur allein durch Jntelligenz characteri-
ſirt wird. Er hat im Verhältniß zur Größe
der Nerven das größte Gehirn u. bedeutend
iſt die Capacität des Schädels. Eine Hau[unleserliches Material]pteigen-
thümlichkeit iſt ſein [unleserliches Material]aufrechter Ganz, die Bildung
des Antlitzes u. das Uebergewicht des Schädels
über die Entwickelung des Beiſtens, Käuens
u. des Geruchs. So wie die ſtarke Ent-
wickelung des Kiefers anfängt, tritt das
Gehirn zurück, welche Erſcheinung zu der Un-
terſuchung der Kamperſchen Geſichtslinien führt.
Die Hellenen, Circaſſier, ſogenañte Kaukaſiſche
Raçe, ſind hier ſehr verſchieden. Weñ in einigen
Kunſtwerken des Alterthums Facial-Linien von
90° anzutreffen, ſo iſt dies gewiß nur eine
ideelle Bildung des Künſtlers. 80–85° werden
für die ſchönſten Geſichtslinien gehalten. Die
Faciallinie bei den Negern iſt 70° u. bei
den Neuſeeländern etc. ſelbſt 65°. Affen
haben ſtets Facial-Linien von höchſtens 50–55°.
Man ſuchte nach ob dem Menſchen nicht irgend
ein Knochen mangeln, den Thiere haben u. glaubte
Dies wäre das [unleserliches Material – 1 Zeichen fehlt]Zwiſchenkieferbein, welches
die Schneidezähne enthalten ſollte. Auch bei
Affen hatiſt dieſer Knochen nicht vorhanden, u.
daher ein uñöthige Unterſuchung. Bei den Unter-
ſuchungen über die Verhältniße des Gehirns
zu den Nerven fand Maeckel, daß bei Negern
die Nerven des 5te Paares ſtets ſtärke wie

bei
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div xml:id="Ms_germ_fol_842" prev="#Ms_germ_fol_841">
        <div type="session" n="60">
          <p><pb facs="#f0394" n="377."/>
wohner der Wälder in den Mi&#x017F;&#x017F;ionsdörfern<lb/>
zu <choice><sic>civili&#x017F;ren</sic><corr resp="#BF">civili&#x017F;iren</corr></choice>. &#x2013; Von der angeblichen Ver&#x017F;chie-<lb/>
denheit zwi&#x017F;chen der Organi&#x017F;ation des Men&#x017F;chen<lb/>
u. der höhere Thiercla&#x017F;&#x017F;e will ich noch einiges<lb/>
hier bemerken. Der Men&#x017F;ch &#x017F;ollte allein <subst><del rendition="#ow"><gap reason="illegible"/></del><add place="across">St</add></subst>im&#x0303;w<supplied resp="#BF">er</supplied>k-<lb/>
zeuge zur articulirten Sprache haben, der<lb/>
Affe Zb. ganz ver&#x017F;chiedene u. dgl. Die Amerikaner<lb/>
glauben, Affen <choice><abbr>&#x017F;prech&#xFFFC;</abbr><expan resp="#BF">&#x017F;prechen</expan></choice> nur nicht laut, &#x017F;ondern im Stillen,<lb/>
damit die Men&#x017F;chen &#x017F;ie nicht zur Arbeit zwingen. Ein<lb/>
Naturfor&#x017F;cher glaubt, &#x017F;ie würden &#x017F;prechen, wen&#x0303;<lb/>
&#x017F;ie nur etwas zu &#x017F;agen hätten. Gewiß i&#x017F;t es, <choice><abbr></abbr><expan resp="#BF">daß</expan></choice><lb/>
&#x017F;ie <choice><abbr>die&#x017F;elb&#xFFFC;</abbr><expan resp="#BF">die&#x017F;elben</expan></choice> Sprachglieder haben als der Men&#x017F;ch,<lb/>
der nur allein durch Jntelligenz characteri-<lb/>
&#x017F;irt wird. Er hat im Verhältniß zur Größe<lb/>
der Nerven das größte Gehirn u. bedeutend<lb/>
i&#x017F;t die Capacität des Schädels. Eine Hau<subst><del rendition="#ow"><gap reason="illegible"/></del><add place="across">pt</add></subst>eigen-<lb/>
thümlichkeit i&#x017F;t &#x017F;ein <subst><del rendition="#ow"><gap reason="illegible"/></del><add place="across">a</add></subst>ufrechter Ganz, die Bildung<lb/>
des Antlitzes u. das Uebergewicht des Schädels<lb/>
über die Entwickelung des Bei&#x017F;tens, Käuens<lb/>
u. des Geruchs. So wie die &#x017F;tarke Ent-<lb/>
wickelung des Kiefers anfängt, tritt das<lb/>
Gehirn zurück, welche Er&#x017F;cheinung zu der Un-<lb/>
ter&#x017F;uchung der <unclear reason="illegible" resp="#textloop"><persName resp="#BF" ref="http://www.deutschestextarchiv.de/kosmos/person#gnd-119291827 http://d-nb.info/gnd/119291827">Kamper</persName>&#x017F;chen</unclear> Ge&#x017F;ichtslinien führt.<lb/>
Die Hellenen, Circa&#x017F;&#x017F;ier, &#x017F;ogenan&#x0303;te Kauka&#x017F;i&#x017F;che<lb/>
Raçe, &#x017F;ind hier &#x017F;ehr ver&#x017F;chieden. Wen&#x0303; in einigen<lb/>
Kun&#x017F;twerken des Alterthums Facial-Linien von<lb/>
90° anzutreffen, &#x017F;o i&#x017F;t dies gewiß nur eine<lb/>
ideelle Bildung des Kün&#x017F;tlers. 80&#x2013;85° werden<lb/>
für die &#x017F;chön&#x017F;ten Ge&#x017F;ichtslinien gehalten. Die<lb/>
Faciallinie bei den Negern i&#x017F;t 70° u. bei<lb/>
den Neu&#x017F;eeländern <choice><orig><hi rendition="#aq">p</hi></orig><reg resp="#BF"><hi rendition="#aq">etc</hi>.</reg></choice> &#x017F;elb&#x017F;t 65°. Affen<lb/>
haben &#x017F;tets Facial-Linien von höch&#x017F;tens 50&#x2013;55°.<lb/>
Man &#x017F;uchte nach ob dem Men&#x017F;chen nicht irgend<lb/>
ein Knochen mangeln, den Thiere haben u. glaubte<lb/>
Dies wäre das <subst><del rendition="#ow"><gap reason="illegible" unit="chars" quantity="1"/></del><add place="across">Z</add></subst>wi&#x017F;chenkieferbein, welches<lb/>
die Schneidezähne enthalten &#x017F;ollte. Auch bei<lb/>
Affen <subst><del rendition="#s">hat</del><add place="superlinear">i&#x017F;t</add></subst> die&#x017F;er Knochen nicht vorhanden, u.<lb/>
daher ein un&#x0303;öthige Unter&#x017F;uchung. Bei den Unter-<lb/>
&#x017F;uchungen über die Verhältniße des Gehirns<lb/>
zu den Nerven fand <hi rendition="#aq"><persName resp="#SB" ref="http://www.deutschestextarchiv.de/kosmos/person#gnd-116988703 http://d-nb.info/gnd/116988703">Maeckel</persName></hi>, daß bei Negern<lb/>
die Nerven des 5<hi rendition="#u">te</hi> Paares &#x017F;tets &#x017F;tärke wie<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">bei</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[377./0394] wohner der Wälder in den Miſſionsdörfern zu civiliſiren. – Von der angeblichen Verſchie- denheit zwiſchen der Organiſation des Menſchen u. der höhere Thierclaſſe will ich noch einiges hier bemerken. Der Menſch ſollte allein Stim̃werk- zeuge zur articulirten Sprache haben, der Affe Zb. ganz verſchiedene u. dgl. Die Amerikaner glauben, Affen ſprech nur nicht laut, ſondern im Stillen, damit die Menſchen ſie nicht zur Arbeit zwingen. Ein Naturforſcher glaubt, ſie würden ſprechen, weñ ſie nur etwas zu ſagen hätten. Gewiß iſt es, dß ſie dieſelb Sprachglieder haben als der Menſch, der nur allein durch Jntelligenz characteri- ſirt wird. Er hat im Verhältniß zur Größe der Nerven das größte Gehirn u. bedeutend iſt die Capacität des Schädels. Eine Haupteigen- thümlichkeit iſt ſein aufrechter Ganz, die Bildung des Antlitzes u. das Uebergewicht des Schädels über die Entwickelung des Beiſtens, Käuens u. des Geruchs. So wie die ſtarke Ent- wickelung des Kiefers anfängt, tritt das Gehirn zurück, welche Erſcheinung zu der Un- terſuchung der Kamperſchen Geſichtslinien führt. Die Hellenen, Circaſſier, ſogenañte Kaukaſiſche Raçe, ſind hier ſehr verſchieden. Weñ in einigen Kunſtwerken des Alterthums Facial-Linien von 90° anzutreffen, ſo iſt dies gewiß nur eine ideelle Bildung des Künſtlers. 80–85° werden für die ſchönſten Geſichtslinien gehalten. Die Faciallinie bei den Negern iſt 70° u. bei den Neuſeeländern p ſelbſt 65°. Affen haben ſtets Facial-Linien von höchſtens 50–55°. Man ſuchte nach ob dem Menſchen nicht irgend ein Knochen mangeln, den Thiere haben u. glaubte Dies wäre das Zwiſchenkieferbein, welches die Schneidezähne enthalten ſollte. Auch bei Affen iſt dieſer Knochen nicht vorhanden, u. daher ein uñöthige Unterſuchung. Bei den Unter- ſuchungen über die Verhältniße des Gehirns zu den Nerven fand Maeckel, daß bei Negern die Nerven des 5te Paares ſtets ſtärke wie bei

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christian Thomas: Herausgeber
Sandra Balck, Benjamin Fiechter, Christian Thomas: Bearbeiter
Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz: Bereitstellen der Digitalisierungsvorlage; Bilddigitalisierung



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/patzig_msgermfol841842_1828
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/patzig_msgermfol841842_1828/394
Zitationshilfe: Patzig, Gotthilf: Vorträge über physische Geographie des Freiherrn Alexander von Humbold: gehalten im großen Hörsaale des Universitäts-Gebäudes zu Berlin im Wintersemester 1827/28 vom 3ten Novbr. 1827. bis 26 April 1828. Aus schriftlichen Notizen nach jedem Vortrage zusammengestellt vom Rechnungsrath Gotthilf Friedrich Patzig. Berlin, 1827/28. [= Nachschrift der ‚Kosmos-Vorträge‛ Alexander von Humboldts in der Berliner Universität, 3.11.1827–26.4.1828.], S. 377.. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/patzig_msgermfol841842_1828/394>, abgerufen am 22.11.2024.