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Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 1. Tübingen, 1804.

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des Lebens, watet, das jezige dumpfe Leben sie
erstickend umfängt, und ihr über die Unfrucht¬
barkeit der tauben Gegenwart die helle Kin¬
derzeit, die ja allen Menschen einerlei Eden
verheisset, mit süssen Klängen wie neu her¬
über kommt: dann strafe die armen Thränen
nicht, sondern entlasse die Sehnsüchtige etwan
bis Sonnen-Untergang aus deinem Schlosse! --

Als der Notar sich noch sehnte, stürmte
lustig Vult herein, den Mittagswein im Kopf,
ein schwarzes Seidenband um Ein Auge, mit
offenem Hals und losem Haar und fragte, warum
er noch zu Hause size, und wie viel er Vormit¬
tags geschrieben? Walt gab es ihm. Als ers
durch hatte, sagte er: "Du bist ja des Teufels,
Göttergen, und ein Engel im Schreiben. So
fahre fort! -- Ich habe auch, (fuhr er mit käl¬
terer Stimme fort und zog das Manuskript aus
der Tasche) diesen Morgen in unsern Hoppel¬
poppel oder das Herz
gearbeitet, und
darinn ausgeschweift, so viel als nöthig für ein
erstes Kapitel. Ich will dir den Schwanzstern
(so nenn' ich jede Digression) halb vorsagen --
wenn du mich nur, o Gott, mehr zu goutieren

des Lebens, watet, das jezige dumpfe Leben ſie
erſtickend umfaͤngt, und ihr uͤber die Unfrucht¬
barkeit der tauben Gegenwart die helle Kin¬
derzeit, die ja allen Menſchen einerlei Eden
verheiſſet, mit ſuͤſſen Klaͤngen wie neu her¬
uͤber kommt: dann ſtrafe die armen Thraͤnen
nicht, ſondern entlaſſe die Sehnſuͤchtige etwan
bis Sonnen-Untergang aus deinem Schloſſe! —

Als der Notar ſich noch ſehnte, ſtuͤrmte
luſtig Vult herein, den Mittagswein im Kopf,
ein ſchwarzes Seidenband um Ein Auge, mit
offenem Hals und loſem Haar und fragte, warum
er noch zu Hauſe ſize, und wie viel er Vormit¬
tags geſchrieben? Walt gab es ihm. Als ers
durch hatte, ſagte er: „Du biſt ja des Teufels,
Goͤttergen, und ein Engel im Schreiben. So
fahre fort! — Ich habe auch, (fuhr er mit kaͤl¬
terer Stimme fort und zog das Manuſkript aus
der Taſche) dieſen Morgen in unſern Hoppel¬
poppel oder das Herz
gearbeitet, und
darinn ausgeſchweift, ſo viel als noͤthig fuͤr ein
erſtes Kapitel. Ich will dir den Schwanzſtern
(ſo nenn' ich jede Digreſſion) halb vorſagen —
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[218/0228] des Lebens, watet, das jezige dumpfe Leben ſie erſtickend umfaͤngt, und ihr uͤber die Unfrucht¬ barkeit der tauben Gegenwart die helle Kin¬ derzeit, die ja allen Menſchen einerlei Eden verheiſſet, mit ſuͤſſen Klaͤngen wie neu her¬ uͤber kommt: dann ſtrafe die armen Thraͤnen nicht, ſondern entlaſſe die Sehnſuͤchtige etwan bis Sonnen-Untergang aus deinem Schloſſe! — Als der Notar ſich noch ſehnte, ſtuͤrmte luſtig Vult herein, den Mittagswein im Kopf, ein ſchwarzes Seidenband um Ein Auge, mit offenem Hals und loſem Haar und fragte, warum er noch zu Hauſe ſize, und wie viel er Vormit¬ tags geſchrieben? Walt gab es ihm. Als ers durch hatte, ſagte er: „Du biſt ja des Teufels, Goͤttergen, und ein Engel im Schreiben. So fahre fort! — Ich habe auch, (fuhr er mit kaͤl¬ terer Stimme fort und zog das Manuſkript aus der Taſche) dieſen Morgen in unſern Hoppel¬ poppel oder das Herz gearbeitet, und darinn ausgeſchweift, ſo viel als noͤthig fuͤr ein erſtes Kapitel. Ich will dir den Schwanzſtern (ſo nenn' ich jede Digreſſion) halb vorſagen — wenn du mich nur, o Gott, mehr zu goutieren

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Zitationshilfe: Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 1. Tübingen, 1804, S. 218. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre01_1804/228>, abgerufen am 25.11.2024.