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Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 1. Tübingen, 1804.

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sich grade vor den Tisch der drei häßlichsten po¬
stierte, denen er Wasser und Aufwärter holte,
sogar schöne Gespielinnen. Es waren die 3 Neu¬
peterischen Damen, bei welchen Gottwalt gestern
drei Visiten-Karten abgegeben. Der Elsasser
machte in kurzem umherlaufend das ganze Rosen¬
thal mit dem dort sizenden Nanking bekannt, der
den alten Kabel beerbte; aber Walt, zu auf¬
merksam auf andere und zu wenig sich voraus¬
sezend, entgieng durch sein menschenfreundliches
Träumen dem Misvergnügen, das allgemeine
Schielen zu sehen. -- Zulezt trat Flitte gar zu
ihm, und verrieth durch einen Gruß ihn der
Kaufmannschaft. Unter allen 7 Erben schien der
lustige Bettler gerade am wenigsten erbittert auf
Walten zu sein; auch dieser gewann ihn herzlich
lieb, da er zuerst den Spielteller der Musikan¬
ten nahm, belegte und herum trug, und gern
hätt' er ihm ein großes Stück der Erbporzion
oder des Testaments zum Lohne mit darauf ge¬
worfen.

Der Notar war besonders auf die feinste
Lebensart seines Bruders neugierig. Diese be¬

ſich grade vor den Tiſch der drei haͤßlichſten po¬
ſtierte, denen er Waſſer und Aufwaͤrter holte,
ſogar ſchoͤne Geſpielinnen. Es waren die 3 Neu¬
peteriſchen Damen, bei welchen Gottwalt geſtern
drei Viſiten-Karten abgegeben. Der Elſaſſer
machte in kurzem umherlaufend das ganze Roſen¬
thal mit dem dort ſizenden Nanking bekannt, der
den alten Kabel beerbte; aber Walt, zu auf¬
merkſam auf andere und zu wenig ſich voraus¬
ſezend, entgieng durch ſein menſchenfreundliches
Traͤumen dem Misvergnuͤgen, das allgemeine
Schielen zu ſehen. — Zulezt trat Flitte gar zu
ihm, und verrieth durch einen Gruß ihn der
Kaufmannſchaft. Unter allen 7 Erben ſchien der
luſtige Bettler gerade am wenigſten erbittert auf
Walten zu ſein; auch dieſer gewann ihn herzlich
lieb, da er zuerſt den Spielteller der Muſikan¬
ten nahm, belegte und herum trug, und gern
haͤtt' er ihm ein großes Stuͤck der Erbporzion
oder des Teſtaments zum Lohne mit darauf ge¬
worfen.

Der Notar war beſonders auf die feinſte
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[228/0238] ſich grade vor den Tiſch der drei haͤßlichſten po¬ ſtierte, denen er Waſſer und Aufwaͤrter holte, ſogar ſchoͤne Geſpielinnen. Es waren die 3 Neu¬ peteriſchen Damen, bei welchen Gottwalt geſtern drei Viſiten-Karten abgegeben. Der Elſaſſer machte in kurzem umherlaufend das ganze Roſen¬ thal mit dem dort ſizenden Nanking bekannt, der den alten Kabel beerbte; aber Walt, zu auf¬ merkſam auf andere und zu wenig ſich voraus¬ ſezend, entgieng durch ſein menſchenfreundliches Traͤumen dem Misvergnuͤgen, das allgemeine Schielen zu ſehen. — Zulezt trat Flitte gar zu ihm, und verrieth durch einen Gruß ihn der Kaufmannſchaft. Unter allen 7 Erben ſchien der luſtige Bettler gerade am wenigſten erbittert auf Walten zu ſein; auch dieſer gewann ihn herzlich lieb, da er zuerſt den Spielteller der Muſikan¬ ten nahm, belegte und herum trug, und gern haͤtt' er ihm ein großes Stuͤck der Erbporzion oder des Teſtaments zum Lohne mit darauf ge¬ worfen. Der Notar war beſonders auf die feinſte Lebensart ſeines Bruders neugierig. Dieſe be¬

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Zitationshilfe: Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 1. Tübingen, 1804, S. 228. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre01_1804/238>, abgerufen am 24.11.2024.