Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 1. Tübingen, 1804.

Bild:
<< vorherige Seite

wird mir ihn Gott wohl schenken." Wie liebt'
er alle Jünglinge auf dem Wege, blos des
blauen wegen! "Warum liebt man, sagt' er zu
sich, nur Kinder, nicht Jünglinge, gleichsam als
wären diese nicht eben so unschuldig?" -- Un¬
gemein gefiel ihm der Sonntag, worin jeder
sich schon durch den Anzug poetisch fühlte. Die
erhizten Herren trugen Hüte in Händen und
sprachen laut. Die Hunde liefen lustig und oh¬
ne scharfe Befehle. Ein Postzug Kinder hatte
sich vor eine volle Kinderkutsche gespannt und
Pferde und Passagiere waren sehr gut angezogen.
Ein Soldat mit dem Gewehr auf der Achsel
führte sein Söhngen nach Hause. Einer führte
seinen Hund an seinem rothseidnen Halstuch.
Viele Menschen giengen Hand in Hand und
Walt begrif nicht, wie manche Fusgänger solche
Finger-Paare und Liebes-Ketten trennen konn¬
ten, um nur gerade zu gehen; denn er gieng
gern herum. Sehr erfreuet' es ihn, daß sogar
gemeine Mägde etwas vom Jahrhundert hat¬
ten und ihre Schürzen soweit und griechisch in
die Höhe banden, daß ein geringer Unterschied

wird mir ihn Gott wohl ſchenken.“ Wie liebt'
er alle Juͤnglinge auf dem Wege, blos des
blauen wegen! „Warum liebt man, ſagt' er zu
ſich, nur Kinder, nicht Juͤnglinge, gleichſam als
waͤren dieſe nicht eben ſo unſchuldig?“ — Un¬
gemein gefiel ihm der Sonntag, worin jeder
ſich ſchon durch den Anzug poetiſch fuͤhlte. Die
erhizten Herren trugen Huͤte in Haͤnden und
ſprachen laut. Die Hunde liefen luſtig und oh¬
ne ſcharfe Befehle. Ein Poſtzug Kinder hatte
ſich vor eine volle Kinderkutſche geſpannt und
Pferde und Paſſagiere waren ſehr gut angezogen.
Ein Soldat mit dem Gewehr auf der Achſel
fuͤhrte ſein Soͤhngen nach Hauſe. Einer fuͤhrte
ſeinen Hund an ſeinem rothſeidnen Halstuch.
Viele Menſchen giengen Hand in Hand und
Walt begrif nicht, wie manche Fusgaͤnger ſolche
Finger-Paare und Liebes-Ketten trennen konn¬
ten, um nur gerade zu gehen; denn er gieng
gern herum. Sehr erfreuet' es ihn, daß ſogar
gemeine Maͤgde etwas vom Jahrhundert hat¬
ten und ihre Schuͤrzen ſoweit und griechiſch in
die Hoͤhe banden, daß ein geringer Unterſchied

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0253" n="243"/>
wird mir ihn Gott wohl &#x017F;chenken.&#x201C; Wie liebt'<lb/>
er alle Ju&#x0364;nglinge auf dem Wege, blos des<lb/>
blauen wegen! &#x201E;Warum liebt man, &#x017F;agt' er zu<lb/>
&#x017F;ich, nur Kinder, nicht Ju&#x0364;nglinge, gleich&#x017F;am als<lb/>
wa&#x0364;ren die&#x017F;e nicht eben &#x017F;o un&#x017F;chuldig?&#x201C; &#x2014; Un¬<lb/>
gemein gefiel ihm der Sonntag, worin jeder<lb/>
&#x017F;ich &#x017F;chon durch den Anzug poeti&#x017F;ch fu&#x0364;hlte. Die<lb/>
erhizten Herren trugen Hu&#x0364;te in Ha&#x0364;nden und<lb/>
&#x017F;prachen laut. Die Hunde liefen lu&#x017F;tig und oh¬<lb/>
ne &#x017F;charfe Befehle. Ein Po&#x017F;tzug Kinder hatte<lb/>
&#x017F;ich vor eine volle Kinderkut&#x017F;che ge&#x017F;pannt und<lb/>
Pferde und Pa&#x017F;&#x017F;agiere waren &#x017F;ehr gut angezogen.<lb/>
Ein Soldat mit dem Gewehr auf der Ach&#x017F;el<lb/>
fu&#x0364;hrte &#x017F;ein So&#x0364;hngen nach Hau&#x017F;e. Einer fu&#x0364;hrte<lb/>
&#x017F;einen Hund an &#x017F;einem roth&#x017F;eidnen Halstuch.<lb/>
Viele Men&#x017F;chen giengen Hand in Hand und<lb/>
Walt begrif nicht, wie manche Fusga&#x0364;nger &#x017F;olche<lb/>
Finger-Paare und Liebes-Ketten trennen konn¬<lb/>
ten, um nur gerade zu gehen; denn er gieng<lb/>
gern herum. Sehr erfreuet' es ihn, daß &#x017F;ogar<lb/>
gemeine Ma&#x0364;gde etwas vom Jahrhundert hat¬<lb/>
ten und ihre Schu&#x0364;rzen &#x017F;oweit und griechi&#x017F;ch in<lb/>
die Ho&#x0364;he banden, daß ein geringer Unter&#x017F;chied<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[243/0253] wird mir ihn Gott wohl ſchenken.“ Wie liebt' er alle Juͤnglinge auf dem Wege, blos des blauen wegen! „Warum liebt man, ſagt' er zu ſich, nur Kinder, nicht Juͤnglinge, gleichſam als waͤren dieſe nicht eben ſo unſchuldig?“ — Un¬ gemein gefiel ihm der Sonntag, worin jeder ſich ſchon durch den Anzug poetiſch fuͤhlte. Die erhizten Herren trugen Huͤte in Haͤnden und ſprachen laut. Die Hunde liefen luſtig und oh¬ ne ſcharfe Befehle. Ein Poſtzug Kinder hatte ſich vor eine volle Kinderkutſche geſpannt und Pferde und Paſſagiere waren ſehr gut angezogen. Ein Soldat mit dem Gewehr auf der Achſel fuͤhrte ſein Soͤhngen nach Hauſe. Einer fuͤhrte ſeinen Hund an ſeinem rothſeidnen Halstuch. Viele Menſchen giengen Hand in Hand und Walt begrif nicht, wie manche Fusgaͤnger ſolche Finger-Paare und Liebes-Ketten trennen konn¬ ten, um nur gerade zu gehen; denn er gieng gern herum. Sehr erfreuet' es ihn, daß ſogar gemeine Maͤgde etwas vom Jahrhundert hat¬ ten und ihre Schuͤrzen ſoweit und griechiſch in die Hoͤhe banden, daß ein geringer Unterſchied

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre01_1804
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre01_1804/253
Zitationshilfe: Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 1. Tübingen, 1804, S. 243. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre01_1804/253>, abgerufen am 21.11.2024.