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Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 1. Tübingen, 1804.

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"kriecht, die Stube ist für euch und mich weit ge¬
nug," indes er gleichwohl mehreren ältlichen Her¬
ren ins Gesicht sagte, sie wären siebenfache Spizbu¬
ben, alte obwohl in Milch eingeweichte Heeringe,
die sich dadurch für frische gäben; inzwischen,
sezt' er sogleich dazu, er hoffe, sie deuteten ihn
nicht falsch, und bewies ihnen jede Artigkeit. --
Unsere erste Bekanntschaft machte sich, als er
von einer fürstlichen Versteigerung herkam und
einen erstandenen Nachttopf aus Silber öffentlich
so närrisch vor sich her- und heim trug, daß je¬
de Gasse stuzig wurde, wodurch er gieng. -- Ich
wollte, er wäre mit hier und besuchte die Seini¬
gen. -- Ich habe eine so besondere Liebhaberei für
die Harnische, als meine Namensvettern, daß
ich sogar im Leipziger ReichsAnzeiger mir ihren
Stammbaum und Stammwald bestimmt aus¬
bat ohne Effekt."

Jzt schied er kurz und höflich und gieng auf
sein Zimmer, nachdem er bei allem milden Schei¬
ne eines Mannes von Welt den ganzen Tag al¬
les gethan, was er gewollt. Er roch ohne An¬
stand an Fensterblumen vorübergehend; -- er

„kriecht, die Stube iſt fuͤr euch und mich weit ge¬
nug‚“ indes er gleichwohl mehreren aͤltlichen Her¬
ren ins Geſicht ſagte, ſie waͤren ſiebenfache Spizbu¬
ben, alte obwohl in Milch eingeweichte Heeringe,
die ſich dadurch fuͤr friſche gaͤben; inzwiſchen,
ſezt' er ſogleich dazu, er hoffe, ſie deuteten ihn
nicht falſch, und bewies ihnen jede Artigkeit. —
Unſere erſte Bekanntſchaft machte ſich, als er
von einer fuͤrſtlichen Verſteigerung herkam und
einen erſtandenen Nachttopf aus Silber oͤffentlich
ſo naͤrriſch vor ſich her- und heim trug, daß je¬
de Gaſſe ſtuzig wurde, wodurch er gieng. — Ich
wollte, er waͤre mit hier und beſuchte die Seini¬
gen. — Ich habe eine ſo beſondere Liebhaberei fuͤr
die Harniſche, als meine Namensvettern, daß
ich ſogar im Leipziger ReichsAnzeiger mir ihren
Stammbaum und Stammwald beſtimmt aus¬
bat ohne Effekt.“

Jzt ſchied er kurz und hoͤflich und gieng auf
ſein Zimmer, nachdem er bei allem milden Schei¬
ne eines Mannes von Welt den ganzen Tag al¬
les gethan, was er gewollt. Er roch ohne An¬
ſtand an Fenſterblumen voruͤbergehend; — er

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[72/0082] „kriecht, die Stube iſt fuͤr euch und mich weit ge¬ nug‚“ indes er gleichwohl mehreren aͤltlichen Her¬ ren ins Geſicht ſagte, ſie waͤren ſiebenfache Spizbu¬ ben, alte obwohl in Milch eingeweichte Heeringe, die ſich dadurch fuͤr friſche gaͤben; inzwiſchen, ſezt' er ſogleich dazu, er hoffe, ſie deuteten ihn nicht falſch, und bewies ihnen jede Artigkeit. — Unſere erſte Bekanntſchaft machte ſich, als er von einer fuͤrſtlichen Verſteigerung herkam und einen erſtandenen Nachttopf aus Silber oͤffentlich ſo naͤrriſch vor ſich her- und heim trug, daß je¬ de Gaſſe ſtuzig wurde, wodurch er gieng. — Ich wollte, er waͤre mit hier und beſuchte die Seini¬ gen. — Ich habe eine ſo beſondere Liebhaberei fuͤr die Harniſche, als meine Namensvettern, daß ich ſogar im Leipziger ReichsAnzeiger mir ihren Stammbaum und Stammwald beſtimmt aus¬ bat ohne Effekt.“ Jzt ſchied er kurz und hoͤflich und gieng auf ſein Zimmer, nachdem er bei allem milden Schei¬ ne eines Mannes von Welt den ganzen Tag al¬ les gethan, was er gewollt. Er roch ohne An¬ ſtand an Fenſterblumen voruͤbergehend; — er

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Zitationshilfe: Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 1. Tübingen, 1804, S. 72. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre01_1804/82>, abgerufen am 21.11.2024.