Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 2. Tübingen, 1804.

Bild:
<< vorherige Seite

Der Graf hörte den Miston des Misgrifs,
und schwieg und stand gern auf, die vergessene
längst wartende Gesellschaft noch lieber. Des
Notars Kekheit und Rede-Narrheit hatte am
meisten sie unterhalten. Der Kirchenrath Glanz
hatt' es seinen Nachbarn leise zu verstehen gege¬
ben, was sie von den gräflichen Sätzen zu hal¬
ten hätten, und daß dergleichen ihn nicht weni¬
ger langweilte und anekelte als jeden.

Walt war in den dritten Himmel gefahren,
und behielt zwei übrig in der Hand, um sie weg¬
zuschenken. Er und der Graf trugen nun --
nach seinem Gefühl -- die Ritterkette des Freund¬
schafts-Ordens mit einander; nicht etwan, weil
er mit ihm gesprochen -- der Notar dachte gar
nicht mehr an sich und seinen Wunsch der Au¬
dienz -- sondern weil Klothar ihm als eine große,
freie, auf einem weiten Meere spielende Seele
erschien, die alle ihre Ruderringe abgebrochen,
und in die Wellen geworfen; weil ihm sein kecker
Geistes-Gang groß vorkam, der weniger einen
weiten Weg als weite Schritte machte, und
weil der Notar unter die wenigen Menschen ge¬

Der Graf hoͤrte den Miston des Misgrifs,
und ſchwieg und ſtand gern auf, die vergeſſene
laͤngſt wartende Geſellſchaft noch lieber. Des
Notars Kekheit und Rede-Narrheit hatte am
meiſten ſie unterhalten. Der Kirchenrath Glanz
hatt' es ſeinen Nachbarn leiſe zu verſtehen gege¬
ben, was ſie von den graͤflichen Saͤtzen zu hal¬
ten haͤtten, und daß dergleichen ihn nicht weni¬
ger langweilte und anekelte als jeden.

Walt war in den dritten Himmel gefahren,
und behielt zwei uͤbrig in der Hand, um ſie weg¬
zuſchenken. Er und der Graf trugen nun —
nach ſeinem Gefuͤhl — die Ritterkette des Freund¬
ſchafts-Ordens mit einander; nicht etwan, weil
er mit ihm geſprochen — der Notar dachte gar
nicht mehr an ſich und ſeinen Wunſch der Au¬
dienz — ſondern weil Klothar ihm als eine große,
freie, auf einem weiten Meere ſpielende Seele
erſchien, die alle ihre Ruderringe abgebrochen,
und in die Wellen geworfen; weil ihm ſein kecker
Geiſtes-Gang groß vorkam, der weniger einen
weiten Weg als weite Schritte machte, und
weil der Notar unter die wenigen Menſchen ge¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0100" n="92"/>
        <p>Der Graf ho&#x0364;rte den Miston des Misgrifs,<lb/>
und &#x017F;chwieg und &#x017F;tand gern auf, die verge&#x017F;&#x017F;ene<lb/>
la&#x0364;ng&#x017F;t wartende Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft noch lieber. Des<lb/>
Notars Kekheit und Rede-Narrheit hatte am<lb/>
mei&#x017F;ten &#x017F;ie unterhalten. Der Kirchenrath Glanz<lb/>
hatt' es &#x017F;einen Nachbarn lei&#x017F;e zu ver&#x017F;tehen gege¬<lb/>
ben, was &#x017F;ie von den gra&#x0364;flichen Sa&#x0364;tzen zu hal¬<lb/>
ten ha&#x0364;tten, und daß dergleichen ihn nicht weni¬<lb/>
ger langweilte und anekelte als jeden.</p><lb/>
        <p>Walt war in den dritten Himmel gefahren,<lb/>
und behielt zwei u&#x0364;brig in der Hand, um &#x017F;ie weg¬<lb/>
zu&#x017F;chenken. Er und der Graf trugen nun &#x2014;<lb/>
nach &#x017F;einem Gefu&#x0364;hl &#x2014; die Ritterkette des Freund¬<lb/>
&#x017F;chafts-Ordens mit einander; nicht etwan, weil<lb/>
er mit ihm ge&#x017F;prochen &#x2014; der Notar dachte gar<lb/>
nicht mehr an &#x017F;ich und &#x017F;einen Wun&#x017F;ch der Au¬<lb/>
dienz &#x2014; &#x017F;ondern weil Klothar ihm als eine große,<lb/>
freie, auf einem weiten Meere &#x017F;pielende Seele<lb/>
er&#x017F;chien, die alle ihre Ruderringe abgebrochen,<lb/>
und in die Wellen geworfen; weil ihm &#x017F;ein kecker<lb/>
Gei&#x017F;tes-Gang groß vorkam, der weniger einen<lb/>
weiten Weg als weite Schritte machte, und<lb/>
weil der Notar unter die wenigen Men&#x017F;chen ge¬<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[92/0100] Der Graf hoͤrte den Miston des Misgrifs, und ſchwieg und ſtand gern auf, die vergeſſene laͤngſt wartende Geſellſchaft noch lieber. Des Notars Kekheit und Rede-Narrheit hatte am meiſten ſie unterhalten. Der Kirchenrath Glanz hatt' es ſeinen Nachbarn leiſe zu verſtehen gege¬ ben, was ſie von den graͤflichen Saͤtzen zu hal¬ ten haͤtten, und daß dergleichen ihn nicht weni¬ ger langweilte und anekelte als jeden. Walt war in den dritten Himmel gefahren, und behielt zwei uͤbrig in der Hand, um ſie weg¬ zuſchenken. Er und der Graf trugen nun — nach ſeinem Gefuͤhl — die Ritterkette des Freund¬ ſchafts-Ordens mit einander; nicht etwan, weil er mit ihm geſprochen — der Notar dachte gar nicht mehr an ſich und ſeinen Wunſch der Au¬ dienz — ſondern weil Klothar ihm als eine große, freie, auf einem weiten Meere ſpielende Seele erſchien, die alle ihre Ruderringe abgebrochen, und in die Wellen geworfen; weil ihm ſein kecker Geiſtes-Gang groß vorkam, der weniger einen weiten Weg als weite Schritte machte, und weil der Notar unter die wenigen Menſchen ge¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre02_1804
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre02_1804/100
Zitationshilfe: Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 2. Tübingen, 1804, S. 92. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre02_1804/100>, abgerufen am 24.11.2024.