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Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 3. Tübingen, 1804.

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den und Walt wohnte, wie ein Traum, nur in
der Vergangenheit.

Er sang voll Seeligkeit und nannte ihren
Namen nicht: "es zieht in schöner Nacht der
Sternenhimmel, es zieht das Frühlings-Roth*),
es schlägt die Nachtigall -- und der Mensch
schläft und merkt es nicht; -- endlich geht sein
Auge auf, und die Sonne sieht ihn an. O
Lina, Lina, du giengst auch vorüber mit dei¬
nen Blumen -- mit den süssen Tönen -- und
mit Liebe -- aber mein Auge war blind; nun
ist es aufgethan, allein die Blumen sind ver¬
welkt, die Worte sind vergangen, und du glän¬
zest hoch als Sonne." --

Hier kehrte er um vor dem lauten Wehen;
er fand die Welt sonderbar still um sich; nur
das Geläute klang allein und leise, wie Schal¬
meien der Kindheit, und er wurde sehr bewegt.
Er lief wieder und sang immer heisser: "nasses
Auge, armes Herz, siehst du nicht den Himmel
und den Lenz und das schöne Leben? Warum

*) Die Abendröthe in Norden.

den und Walt wohnte, wie ein Traum, nur in
der Vergangenheit.

Er ſang voll Seeligkeit und nannte ihren
Namen nicht: „es zieht in ſchoͤner Nacht der
Sternenhimmel, es zieht das Fruͤhlings-Roth*),
es ſchlaͤgt die Nachtigall — und der Menſch
ſchlaͤft und merkt es nicht; — endlich geht ſein
Auge auf, und die Sonne ſieht ihn an. O
Lina, Lina, du giengſt auch voruͤber mit dei¬
nen Blumen — mit den ſuͤſſen Toͤnen — und
mit Liebe — aber mein Auge war blind; nun
iſt es aufgethan, allein die Blumen ſind ver¬
welkt, die Worte ſind vergangen, und du glaͤn¬
zeſt hoch als Sonne.“ —

Hier kehrte er um vor dem lauten Wehen;
er fand die Welt ſonderbar ſtill um ſich; nur
das Gelaͤute klang allein und leiſe, wie Schal¬
meien der Kindheit, und er wurde ſehr bewegt.
Er lief wieder und ſang immer heiſſer: „naſſes
Auge, armes Herz, ſiehſt du nicht den Himmel
und den Lenz und das ſchoͤne Leben? Warum

*) Die Abendroͤthe in Norden.
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[96/0104] den und Walt wohnte, wie ein Traum, nur in der Vergangenheit. Er ſang voll Seeligkeit und nannte ihren Namen nicht: „es zieht in ſchoͤner Nacht der Sternenhimmel, es zieht das Fruͤhlings-Roth *), es ſchlaͤgt die Nachtigall — und der Menſch ſchlaͤft und merkt es nicht; — endlich geht ſein Auge auf, und die Sonne ſieht ihn an. O Lina, Lina, du giengſt auch voruͤber mit dei¬ nen Blumen — mit den ſuͤſſen Toͤnen — und mit Liebe — aber mein Auge war blind; nun iſt es aufgethan, allein die Blumen ſind ver¬ welkt, die Worte ſind vergangen, und du glaͤn¬ zeſt hoch als Sonne.“ — Hier kehrte er um vor dem lauten Wehen; er fand die Welt ſonderbar ſtill um ſich; nur das Gelaͤute klang allein und leiſe, wie Schal¬ meien der Kindheit, und er wurde ſehr bewegt. Er lief wieder und ſang immer heiſſer: „naſſes Auge, armes Herz, ſiehſt du nicht den Himmel und den Lenz und das ſchoͤne Leben? Warum *) Die Abendroͤthe in Norden.

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Zitationshilfe: Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 3. Tübingen, 1804, S. 96. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre03_1804/104>, abgerufen am 27.11.2024.