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Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 3. Tübingen, 1804.

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goß. Es wurde drinnen getauft. Der Täufer
und der Täufling schrien sehr vor dem Tauf¬
engel. Vier oder fünf Menschen waren nach
ihrer Art sonntäglich blasonnirt, gravirt, mit
getriebner Arbeit vom Schneider bedeckt; nur aus
den vornehmsten Kirchen-Logen, den adelichen,
schaueten Mägde, die Arme in blaue Schürzen
wie in Unter-Schauls gewickelt, im demi¬
neglige
des Wochentags heraus. Wirthschafts-
Kleidung in heiliger Stätte war ihm harter Mis¬
ton. Der Pathe des getauften Urenkels war der
Ur-Grosvater desselben, der das Schrei-Häls¬
gen kaum halten konnte vor Jahren, und dessen
abgepflükte winterliche nakte Gestalt Walten be¬
sonders dadurch ins Herz drang, daß der alte
Mann fünf oder sechs schneeweisse Haare --
mehr nicht -- zu einem grauen Zöpflein zusammen¬
gesammelt und gedreht hatte, um sich zu zeigen.

Daß der alte Mensch dem jungen so nahe
war, das Kind des Grabes dem Kind der Wiege,
die gelben Stoppeln dem heitern Maien-Blümgen,
das rührte den Notar noch eine Stunde über das
Dorf hinaus. "Spielet doch Kindtaufens" sagt'

goß. Es wurde drinnen getauft. Der Taͤufer
und der Taͤufling ſchrien ſehr vor dem Tauf¬
engel. Vier oder fuͤnf Menſchen waren nach
ihrer Art ſonntaͤglich blaſonnirt, gravirt, mit
getriebner Arbeit vom Schneider bedeckt; nur aus
den vornehmſten Kirchen-Logen, den adelichen,
ſchaueten Maͤgde, die Arme in blaue Schuͤrzen
wie in Unter-Schauls gewickelt, im demi¬
négligé
des Wochentags heraus. Wirthſchafts-
Kleidung in heiliger Staͤtte war ihm harter Mis¬
ton. Der Pathe des getauften Urenkels war der
Ur-Grosvater deſſelben, der das Schrei-Haͤls¬
gen kaum halten konnte vor Jahren, und deſſen
abgepfluͤkte winterliche nakte Geſtalt Walten be¬
ſonders dadurch ins Herz drang, daß der alte
Mann fuͤnf oder ſechs ſchneeweiſſe Haare —
mehr nicht — zu einem grauen Zoͤpflein zuſammen¬
geſammelt und gedreht hatte, um ſich zu zeigen.

Daß der alte Menſch dem jungen ſo nahe
war, das Kind des Grabes dem Kind der Wiege,
die gelben Stoppeln dem heitern Maien-Bluͤmgen,
das ruͤhrte den Notar noch eine Stunde uͤber das
Dorf hinaus. „Spielet doch Kindtaufens“ ſagt'

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[111/0119] goß. Es wurde drinnen getauft. Der Taͤufer und der Taͤufling ſchrien ſehr vor dem Tauf¬ engel. Vier oder fuͤnf Menſchen waren nach ihrer Art ſonntaͤglich blaſonnirt, gravirt, mit getriebner Arbeit vom Schneider bedeckt; nur aus den vornehmſten Kirchen-Logen, den adelichen, ſchaueten Maͤgde, die Arme in blaue Schuͤrzen wie in Unter-Schauls gewickelt, im demi¬ négligé des Wochentags heraus. Wirthſchafts- Kleidung in heiliger Staͤtte war ihm harter Mis¬ ton. Der Pathe des getauften Urenkels war der Ur-Grosvater deſſelben, der das Schrei-Haͤls¬ gen kaum halten konnte vor Jahren, und deſſen abgepfluͤkte winterliche nakte Geſtalt Walten be¬ ſonders dadurch ins Herz drang, daß der alte Mann fuͤnf oder ſechs ſchneeweiſſe Haare — mehr nicht — zu einem grauen Zoͤpflein zuſammen¬ geſammelt und gedreht hatte, um ſich zu zeigen. Daß der alte Menſch dem jungen ſo nahe war, das Kind des Grabes dem Kind der Wiege, die gelben Stoppeln dem heitern Maien-Bluͤmgen, das ruͤhrte den Notar noch eine Stunde uͤber das Dorf hinaus. „Spielet doch Kindtaufens“ ſagt'

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Zitationshilfe: Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 3. Tübingen, 1804, S. 111. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre03_1804/119>, abgerufen am 27.11.2024.