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Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 3. Tübingen, 1804.

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diger Wille tröstet mich wenig. Wenn du zu¬
fälligst, ohne böse Absicht, ja in der besten viel¬
mehr, durch einen der Hölle entflognen Funken
ein Krankenhaus, oder ein unschuldiges Schwei¬
zerdorf oder ein Haus voll Gefangner angezündet
hättest, und du sähest die Flammen und darauf
die Gerippe: ach Gott, wer hälfe dir?"

"Mir die kalte Vernunft und dir ich, (sagt'
er, aber ohne Groll.) Denn ich werde mich bei
der Mädchenpension hart neben mir an nach
den nähern Umständen erkundigen. Als ich noch
im Erblinden stand, saß ich jeden Abend drüben,
es ist die schnelleste Wiener Klapperpost, die mir
noch vorgekommen, da sie manche Sachen schon
liefert, indem sie noch geschehen. -- Der Graf
wird nicht wie du durch Zufälle entschuldigt für
seine niedrigen Voraussetzungen über das Lesen
und Uebergeben des Briefs; er macht' es ganz
nach Art der Großen und der gallischen Tragi¬
ker, die, um etwas zu erklären, lieber die gröste
Sünde als eine kleine annehmen, lieber eine
Blutschande als Unkeuschheit." Der Notar ge¬
stand, Klothars Versündigung erleichtere die Last

diger Wille troͤſtet mich wenig. Wenn du zu¬
faͤlligſt, ohne boͤſe Abſicht, ja in der beſten viel¬
mehr, durch einen der Hoͤlle entflognen Funken
ein Krankenhaus, oder ein unſchuldiges Schwei¬
zerdorf oder ein Haus voll Gefangner angezuͤndet
haͤtteſt, und du ſaͤheſt die Flammen und darauf
die Gerippe: ach Gott, wer haͤlfe dir?“

„Mir die kalte Vernunft und dir ich, (ſagt'
er, aber ohne Groll.) Denn ich werde mich bei
der Maͤdchenpenſion hart neben mir an nach
den naͤhern Umſtaͤnden erkundigen. Als ich noch
im Erblinden ſtand, ſaß ich jeden Abend druͤben,
es iſt die ſchnelleſte Wiener Klapperpoſt, die mir
noch vorgekommen, da ſie manche Sachen ſchon
liefert, indem ſie noch geſchehen. — Der Graf
wird nicht wie du durch Zufaͤlle entſchuldigt fuͤr
ſeine niedrigen Vorausſetzungen uͤber das Leſen
und Uebergeben des Briefs; er macht' es ganz
nach Art der Großen und der galliſchen Tragi¬
ker, die, um etwas zu erklaͤren, lieber die groͤſte
Suͤnde als eine kleine annehmen, lieber eine
Blutſchande als Unkeuſchheit.“ Der Notar ge¬
ſtand, Klothars Verſuͤndigung erleichtere die Laſt

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[5/0013] diger Wille troͤſtet mich wenig. Wenn du zu¬ faͤlligſt, ohne boͤſe Abſicht, ja in der beſten viel¬ mehr, durch einen der Hoͤlle entflognen Funken ein Krankenhaus, oder ein unſchuldiges Schwei¬ zerdorf oder ein Haus voll Gefangner angezuͤndet haͤtteſt, und du ſaͤheſt die Flammen und darauf die Gerippe: ach Gott, wer haͤlfe dir?“ „Mir die kalte Vernunft und dir ich, (ſagt' er, aber ohne Groll.) Denn ich werde mich bei der Maͤdchenpenſion hart neben mir an nach den naͤhern Umſtaͤnden erkundigen. Als ich noch im Erblinden ſtand, ſaß ich jeden Abend druͤben, es iſt die ſchnelleſte Wiener Klapperpoſt, die mir noch vorgekommen, da ſie manche Sachen ſchon liefert, indem ſie noch geſchehen. — Der Graf wird nicht wie du durch Zufaͤlle entſchuldigt fuͤr ſeine niedrigen Vorausſetzungen uͤber das Leſen und Uebergeben des Briefs; er macht' es ganz nach Art der Großen und der galliſchen Tragi¬ ker, die, um etwas zu erklaͤren, lieber die groͤſte Suͤnde als eine kleine annehmen, lieber eine Blutſchande als Unkeuſchheit.“ Der Notar ge¬ ſtand, Klothars Verſuͤndigung erleichtere die Laſt

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Zitationshilfe: Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 3. Tübingen, 1804, S. 5. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre03_1804/13>, abgerufen am 21.11.2024.