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Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 3. Tübingen, 1804.

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zugehen -- ohne alle Sorge und voll Ausmah¬
lungen des Abendessens zu sein -- und den schö¬
nen Eß-Rauch über der Stadt ordentlich für die
Zauber-Wolke zu halten, womit der gute Ge¬
nius in Vults Briefe sie überzogen -- und von
den wirthlichen reinen breiten Gassen und den
leichten vergänglichen Spielen und Zwecken des
Lebens immer gerade zu den draussen über der
Vorstadt stehenden finstern Gebirgshäuptern auf¬
zusehen, die so nahe aus ihrer kalten Höhe auf
die Häuser und die Thürme herunter schauen.
Besonders nahm den Notar die grünende Gasse
ein, wo der Granatapfel logirte: "mir ist or¬
dentlich, sagte er begeistert und redselig zum
General, als gieng' ich in Chalcis in Eu¬
böa *) oder auch einer andern griechischen Stadt,
wo so viele Bäume in den Gassen standen, daß
man die Stadt kaum sah. Giebt es eine schöne¬
re Vermischung von Stadt und Land als hier,
Exzellenz? -- Und ist Ihnen nicht auch der
Gedanke süß, daß hier zu einer gewissen Zeit, so

*) Pausan. in Att.

zugehen — ohne alle Sorge und voll Ausmah¬
lungen des Abendeſſens zu ſein — und den ſchoͤ¬
nen Eß-Rauch uͤber der Stadt ordentlich fuͤr die
Zauber-Wolke zu halten, womit der gute Ge¬
nius in Vults Briefe ſie uͤberzogen — und von
den wirthlichen reinen breiten Gaſſen und den
leichten vergaͤnglichen Spielen und Zwecken des
Lebens immer gerade zu den drauſſen uͤber der
Vorſtadt ſtehenden finſtern Gebirgshaͤuptern auf¬
zuſehen, die ſo nahe aus ihrer kalten Hoͤhe auf
die Haͤuſer und die Thuͤrme herunter ſchauen.
Beſonders nahm den Notar die gruͤnende Gaſſe
ein, wo der Granatapfel logirte: „mir iſt or¬
dentlich, ſagte er begeiſtert und redſelig zum
General, als gieng' ich in Chalcis in Eu¬
boͤa *) oder auch einer andern griechiſchen Stadt,
wo ſo viele Baͤume in den Gaſſen ſtanden, daß
man die Stadt kaum ſah. Giebt es eine ſchoͤne¬
re Vermiſchung von Stadt und Land als hier,
Exzellenz? — Und iſt Ihnen nicht auch der
Gedanke ſuͤß, daß hier zu einer gewiſſen Zeit, ſo

*) Pauſan. in Att.
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[166/0174] zugehen — ohne alle Sorge und voll Ausmah¬ lungen des Abendeſſens zu ſein — und den ſchoͤ¬ nen Eß-Rauch uͤber der Stadt ordentlich fuͤr die Zauber-Wolke zu halten, womit der gute Ge¬ nius in Vults Briefe ſie uͤberzogen — und von den wirthlichen reinen breiten Gaſſen und den leichten vergaͤnglichen Spielen und Zwecken des Lebens immer gerade zu den drauſſen uͤber der Vorſtadt ſtehenden finſtern Gebirgshaͤuptern auf¬ zuſehen, die ſo nahe aus ihrer kalten Hoͤhe auf die Haͤuſer und die Thuͤrme herunter ſchauen. Beſonders nahm den Notar die gruͤnende Gaſſe ein, wo der Granatapfel logirte: „mir iſt or¬ dentlich, ſagte er begeiſtert und redſelig zum General, als gieng' ich in Chalcis in Eu¬ boͤa *) oder auch einer andern griechiſchen Stadt, wo ſo viele Baͤume in den Gaſſen ſtanden, daß man die Stadt kaum ſah. Giebt es eine ſchoͤne¬ re Vermiſchung von Stadt und Land als hier, Exzellenz? — Und iſt Ihnen nicht auch der Gedanke ſuͤß, daß hier zu einer gewiſſen Zeit, ſo *) Pauſan. in Att.

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Zitationshilfe: Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 3. Tübingen, 1804, S. 166. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre03_1804/174>, abgerufen am 24.11.2024.