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Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 4. Tübingen, 1805.

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lein Walt, vielleicht zu einem historischen Roman
(den Titel "Tölpeljahre eines Dichters" verschwör'
ich nicht) zu verbrauchen ist, nämlich als Held,
besonders da er eben in Liebes-Blüte und vollends
gegen eine Häßlichkeit *) steht; wenn mich nicht
der ganze neuliche Wechsel-Prozeß und sein heißes
Vertheidigen und Beschauen ihres Gesichts und
Herzens zu sehr betrügt. Nur ist durchaus er¬
forderlich, daß ich als der Beschreiber des Lebens
ihn geschickt, wie eine herkulanische Bücherrolle,
auseinander winde und dann kopire. Ich seh'
auch nicht ein, warum ich nicht überhaupt so gut
einen göttlichen Roman schreiben sollte, wie Bil¬
lionen andere Leute. Mir selber ist Schriftstelle¬
rei so gleichgültig, Vult! Wie ich lebe, nicht
um zu leben, sondern weil ich lebe, so schreib'
ich blos, Freund, weil ich schreibe. Worin soll
denn das Ebenbild Gottes sonst bestehen, als daß
man, so gut man kann, ein kleines Aseitätchen **)
ist und -- da schon Welten mehr als genug

*) Gegen Raphaela, glaubt er.
**) aseitas, seine eigne Ursache seyn.
Flegeljahre IV. Bd. 9

lein Walt, vielleicht zu einem hiſtoriſchen Roman
(den Titel „Toͤlpeljahre eines Dichters“ verſchwoͤr'
ich nicht) zu verbrauchen iſt, naͤmlich als Held,
beſonders da er eben in Liebes-Bluͤte und vollends
gegen eine Haͤßlichkeit *) ſteht; wenn mich nicht
der ganze neuliche Wechſel-Prozeß und ſein heißes
Vertheidigen und Beſchauen ihres Geſichts und
Herzens zu ſehr betruͤgt. Nur iſt durchaus er¬
forderlich, daß ich als der Beſchreiber des Lebens
ihn geſchickt, wie eine herkulaniſche Buͤcherrolle,
auseinander winde und dann kopire. Ich ſeh'
auch nicht ein, warum ich nicht uͤberhaupt ſo gut
einen goͤttlichen Roman ſchreiben ſollte, wie Bil¬
lionen andere Leute. Mir ſelber iſt Schriftſtelle¬
rei ſo gleichguͤltig, Vult! Wie ich lebe, nicht
um zu leben, ſondern weil ich lebe, ſo ſchreib'
ich blos, Freund, weil ich ſchreibe. Worin ſoll
denn das Ebenbild Gottes ſonſt beſtehen, als daß
man, ſo gut man kann, ein kleines Aſeitaͤtchen **)
iſt und — da ſchon Welten mehr als genug

*) Gegen Raphaela, glaubt er.
**) aseitas, ſeine eigne Urſache ſeyn.
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[129/0135] lein Walt, vielleicht zu einem hiſtoriſchen Roman (den Titel „Toͤlpeljahre eines Dichters“ verſchwoͤr' ich nicht) zu verbrauchen iſt, naͤmlich als Held, beſonders da er eben in Liebes-Bluͤte und vollends gegen eine Haͤßlichkeit *) ſteht; wenn mich nicht der ganze neuliche Wechſel-Prozeß und ſein heißes Vertheidigen und Beſchauen ihres Geſichts und Herzens zu ſehr betruͤgt. Nur iſt durchaus er¬ forderlich, daß ich als der Beſchreiber des Lebens ihn geſchickt, wie eine herkulaniſche Buͤcherrolle, auseinander winde und dann kopire. Ich ſeh' auch nicht ein, warum ich nicht uͤberhaupt ſo gut einen goͤttlichen Roman ſchreiben ſollte, wie Bil¬ lionen andere Leute. Mir ſelber iſt Schriftſtelle¬ rei ſo gleichguͤltig, Vult! Wie ich lebe, nicht um zu leben, ſondern weil ich lebe, ſo ſchreib' ich blos, Freund, weil ich ſchreibe. Worin ſoll denn das Ebenbild Gottes ſonſt beſtehen, als daß man, ſo gut man kann, ein kleines Aſeitaͤtchen **) iſt und — da ſchon Welten mehr als genug *) Gegen Raphaela, glaubt er. **) aseitas, ſeine eigne Urſache ſeyn. Flegeljahre IV. Bd. 9

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Zitationshilfe: Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 4. Tübingen, 1805, S. 129. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre04_1805/135>, abgerufen am 01.09.2024.